©  Jeyaratnam Caniceus auf Pixabay
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Patentrecht: Beschluss ist Meilenstein gegen Patente auf Saatgut

Nationalratsbeschluss macht Österreich zum Vorreiter in Europa

Wien, Schiltern – Der österreichische Nationalrat hat in der Vorwoche die lange erwartete Novelle zum österreichischen Patentrecht mehrheitlich beschlossen. „Das neue Patentgesetz bringt uns dem Ende des Missbrauchs von Patenten in ganz Europa ein großes Stück näher“, freut sich Katherine Dolan, Leiterin des Bereichs Politik bei ARCHE NOAH, Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt und ihre Entwicklung. „Mit dem Beschluss wird Österreich zum Vorreiter in Europa. Das neue Gesetz schließt ausdrücklich sämtliche Methoden der klassischen Pflanzenzucht von der Patentierbarkeit aus.“

„Ein guter Tag für die österreichische und europäische Brauwirtschaft, es wurde Zeit, dass diesem Wahnsinn der Patentierung von Saatgut und Pflanzen ein Ende gesetzt wird“, begrüßt Nikolaus Riegler, Eigentümer der Privatbrauerei Hirt und Sprecher der Unabhängigen Privatbrauereien Österreichs, die Reform. „So kann nachhaltig und für künftige Generationen Rohstoffsicherheit sowie Geschmacks- und Sortenvielfalt weiter bestehen bleiben.“

Patente auf Saatgut führen zu einer Privatisierung natürlicher Eigenschaften und blockieren den Zugang zum biologischen Material für die Entwicklung neuer Sorten oder die Herstellung von Lebensmitteln und Getränken wie Bier. „Wir bedanken uns bei Bundesministerin Leonore Gewessler, die sich mit der Gesetzesnovelle für die Sortenvielfalt und für das bäuerliche Recht auf Saatgut eingesetzt hat“, so Dolan. Konventionell – also ohne den Einsatz von Gentechnik – gezüchtete Pflanzen dürfen in Europa nicht patentiert werden. Konzernen wie Bayer (Monsanto), BASF, Syngenta und Corteva konnten dieses Verbot jedoch aufgrund von Schwächen im Patentrecht aushebeln: In den letzten Jahren hat das Europäische Patentamt (EPA) über 300 Patente auf konventionell gezüchtete Pflanze erteilt.

Die Novelle, die auch der Umsetzung des neuen europäischen „Einheitspatents“ dient, korrigiert diese Schwächen. Sie ist doppelt innovativ: Erstens wurde die Definition von „im Wesentlichen biologischen Verfahren der Züchtung“ um die „nicht zielgerichtete Mutagenese“ und die Nutzung von „in der Natur stattfindenden, zufälligen Genveränderungen“ ergänzt. Diese Verfahren und deren Ergebnisse sind von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Zweitens wurde die Wirkung von Patenten auf gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere eingeschränkt. Dazu wurde ein generelles Forschungsprivileg eingeführt: So dürfen Züchter:innen auch mit patentierten Pflanzen in der Forschung und Züchtung arbeiten, ohne einen Lizenzvertrag unterschreiben zu müssen. Außerdem werden die Rechte aus dem Patent auf technische Verfahren und die unmittelbar daraus resultierenden Pflanzen beschränkt. Somit können Gentech-Patente nicht mehr die konventionelle Pflanzenzucht in Österreich behindern oder bäuerliche Existenzen gefährden.

Jetzt ist eine ähnliche Präzisierung des Patentrechts auf europäischer Ebene notwendig, um die Erteilung von Patenten auf konventionell gezüchtete Pflanzen endgültig zu verhindern. Im Saatgut-Bereich werden fast ausschließlich europäische (statt nationale) Patente erteilt. „Die Verschärfung des österreichischen Patentgesetzes wird eine neue Debatte über Saatgut-Patente auf europäischer Ebene auslösen. Eine derartige Diskrepanz zwischen nationaler Gesetzgebung und der Erteilungspraxis des Europäischen Patentamts ist auf Dauer juristisch und politisch nicht tragbar“, erklärt Dolan. ARCHE NOAH setzt sich nun nach dem österreichischen Erfolg gemeinsam mit seinen europäischen Partner:innen in der Allianz „No Patents on Seeds!“ für einen entsprechenden Beschluss des EPA-Verwaltungsrats. ein. Die österreichische Gesetzesänderung steht voraussichtlich im Juni auf der Tagesordnung. „Die Entwicklung in Österreich wird von vielen Regierungen, von der EU-Kommission und dem EU-Parlament sehr genau verfolgt. Es ist gut möglich, dass einige Länder nachziehen und dem österreichischen Beispiel folgen“, hofft Dolan.

Axel Grunt


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /