© Ing. Martin Litschauer
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Wie machen wir Pflanzen so klimaresistent wie den Leindotter?

AIT Expertin Claudia Jonak will mit UNTWIST Lösungen für die Landwirtschaft schaffen

Wien - Die heimische Ölpflanze Camelina (Leindotter) ist bemerkenswert robust gegenüber Hitze und Trockenheit, Eigenschaften die heute wichtiger sind als je zuvor. Die AIT Expertin Claudia Jonak (Center for Health and Bioresources) geht im H2020 Projekt dem Geheimnis der Pflanze auf den Grund, um von ihr zu lernen und damit die europäische Landwirtschaft bei den Herausforderungen des Klimawandels zu unterstützen.

Aktuell erstreckt sich eine ungewöhnliche Trockenheit auf weite Teile Europas, die Auswirkung sind überall zu sehen und besonders die Landwirtschaft leidet darunter. Nutzpflanzen sind oft durch ihre Züchtung auf Ertrag unter guten Wachstumsbedingungen optimiert und haben den zunehmenden Herausforderungen von Wetterextremen, wie anhaltende Hitze und Trockenheit, wenig entgegenzusetzten; dadurch kommt es zu erheblichen Ernteverlusten. Mögliche Lösungen kann Leindotter (Camelina sativa), eine heimische, traditionelle Nutzpflanze liefern. Das Leindotteröl ist nicht nur besonders gesund, da es reich an Omega-3 Fettsäuren ist, die Pflanze besitzt auch eine natürlich hohe Toleranz gegen Hitze und Trockenheit. Leindotter ist sehr anpassungsfähig, kann an vielen verschiedenen Orten wachsen und sich an schwierige Umweltbedingungen anpassen. Leindotter ist in der Landwirtschaft seit dem Altertum bekannt, durchlief jedoch keine intensive Züchtung und geriet Anfang des letzten Jahrhunderst fast in Vergessenheit. Darin liegt aber auch ihr großes Potential für die Zukunft, da die natürlichen Mechanismen der Stresstoleranz noch erhalten sind. Das Projekt UNTWIST will von dieser Ölpflanze lernen wie eine erfolgreiche Anpassung an Trockenheit und Hitze auch für andere Nutzpflanzen möglich ist und damit die Ertragssicherheit der Landwirtschaft auch in Zukunft zu gewährleisten.

Projekt UNTWIST – wie wir vom Leindotter für die Landwirtschaft lernen

Das Horizon 2020 Projekt UNTWIST läuft seit September 2020 unter der Leitung von AIT Expertin Claudia Jonak und ihrem Team aus der Competence Unit Bioresources des Center for Health & Bioresources und wird mit knapp 5 Mio. von der Europäischen Union für 5 Jahre gefördert um die Mechanismen der Hitze- und Trockenheitstoleranz des klimaresistenten Leindotters entschlüsseln: „Unser Ziel ist es einerseits Leindotter wieder bekannter zu machen und sein Potential auszuschöpfen; andererseits sollen die Anpassungsmechanismen des Leindotters genutzt werden, um andere Nutzpflanzen fit für die Herausforderungen des Klimawandels zu machen und um deren Ertrag auch unter widrigen Umweltbedingungen sicherzustellen.“ erklärt Jonak und weiter „Wir haben mit einer Kollektion von mehr als 50 Leindotterlinien unterschiedlichster geographischer Herkunft gestartet, diese umfasst sowohl Landrassen als auch kommerzielle Kultursorten und Zuchtlinien. Diese Camelina-Linien werden in Feldversuchen in verschiedenen Ländern Europas, sowie unter kontrollierten Hitze- und Trockenstressbedingungen kultiviert und analysiert.“ Hier wurden landwirtschaftlich wichtige Eigenschaften der Pflanze, wie etwa Blühzeitpunkt, Ertrag und Qualität der Ernte, erfasst und verglichen. Weiters wurden die Genome dieser Linien sequenziert und die Anpassung des Stoffwechsel an Hitze- und Trockenperioden untersucht. Basierend auf diesen Daten wurden die vier vielversprechendsten Linien für weitere detaillierte Analysen ausgewählt. Diese müssen sich nun sowohl unter kontrollierten Stress-Bedingungen im Glashaus, als auch im freien Feld beweisen. Mit integrativen „Omics“-Ansätzen werden die Reaktionen des Stoffwechsels, der Zellphysiologie und der Gen- und Proteinexpression auf Hitze und Trockenheit analysiert, und mit agronomisch relevanten Parametern wie zB Ertrag und Qualität der Ernte korreliert.

Die AIT Gruppe Bioresources bringt unter anderem seine jahrelange Expertise in der pflanzlichen Stressphysiologie, Molekularbiologie und Biochemie in das Projekt ein und arbeitet eng mit sieben europäischen Projektpartnern mit komplementärer Expertise zusammen: Institut National de Recherche pour l´Agriculture, l´Alimentation et l´Environnement (INRAe), Rothamsted Research Limited (RRes), Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ), Universität Bologna (UNIBO), Camelina Company Espana S.L. (CCE), Iniciativas Innovadoras SAL (INI), RTDS – Verein zur Förderung der Kommunikation und Vermittlung von Forschung, Technologie und Innovation.

„Plant Adaptation Hub“ Datenbank

Basierend auf den vielschichtigen, mechanistischen und landwirtschftlichen Daten können neue molekulare und metabolische Marker für die Züchtung stresstoleranter Pflanzen entwickelt werden. Sie stellen auch die Grundlage zur Erstellung komplexer computerbasierter Vorhersagemodelle dar, um Prognosen für die Anpassungsfähigkeit von Nutzpflanzen treffen zu können. Die Ergebnisse und Modelle werden für Stakeholder in einer webbasierten „Plant Adaptation Hub“-Datenbank zugänglich gemacht, um eine effektive Umsetzung der Forschungsergebnisse in die Praxis zu ermöglichen. Jonak erklärt abschließend: „Das neu erworbene Wissen über die metabolischen, physiologischen, molekularen und genetischen Faktoren, die die Stresstoleranz von Leindotter ausmachen, wird in einer benutzerfreundlichen Internetdatenbank verfügbar gemacht. Forscher, Züchter, Saatgutunternehmen und Bauern können damit dieses Wissen verwenden, weiterentwickeln und auch in anderen Nutzpflanzen einsetzen. Aber ich hoffe auch, das dieses Projekt dazu beitragen wird, Leindotter wieder bekannter zu machen.“

Dieses Projekt wurde durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 862524 finanziert.

Link Projekt: www.untwist.eu


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /