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Nukleare Abrüstung statt nukleare Aufrüstung

Gedenktage der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki

Anlässlich der Gedenktage der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagaski begrüßt die ärztliche Friedensorganisation IPPNW, dass die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock auf der derzeitigen Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages in New York die humanitären Auswirkungen von Atomwaffen anerkannt hat. Zudem will sie sich für geschlechtsspezifische Ansätze bei nuklearer Abrüstung einsetzen. Wer die Polarisierung zwischen den Unterzeichnerstaaten des Atomwaffenverbotsvertrags und seinen Kritiker*innen überwinden will, muss jedoch die geplante Modernisierung der US-Atombomben in Deutschland und die atomare Aufrüstung mit F-35-Tarnkappenjets ablehnen.

„Wenn die Bundesregierung ihre postulierten Ziele für nukleare Rüstungskontrolle und Abrüstung ernst nimmt, muss sie dazu beitragen den Stillstand in der nuklearen Abrüstung zu überwinden. Die Atomwaffenstaaten dürfen nicht weiter an der nuklearen Abschreckung festhalten und atomar aufrüsten“, erklärt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen. Der Kauf der neuen F-35-Kampfjets für die nukleare Teilhabe konterkariere die Ziele der Bundesregierung und schwäche Deutschlands Position als glaubwürdiger Akteur für Abrüstung und Nichtverbreitung.

Die Ärzteorganisation fordert die deutsche Bundesregierung zudem auf, sich für die Hilfe von Überlebenden der Atomwaffeneinsätze und -versuche – auch finanziell – einzusetzen. Notwendig sei mehr Forschung über die geschlechtsspezifiscnhe Unterschiede der Strahlenempfindlichkeit.

Daten aus Hiroshima und Nagasaki zeigen, dass Frauen und Mädchen stärker von den Atombombenabwürfen 1945 betroffen sind als Männer und Jungen. Die Daten aus der lebenslangen Studie der Atombombenüberlebenden in Hiroshima und Nagasaki* wurden als Grundlage für die Forschung zu genderspezifischen Folgen von Strahlung* verwendet. Die vorhandenen Daten belegen, dass doppelt so viele weibliche Kinder, die fünf Jahre alt oder jünger waren, als die Bomben abgeworfen wurden, an Krebs gestorben sind, wie männliche Kinder in der gleichen Altersgruppe. Auch bei erwachsenen Frauen liegt die Inzidenz der Krebstoten 50 Prozent höher als bei den Männern.

Daten über die Folgen von Atomtests und Uranabbau sowie Atomunfälle weisen darauf hin, dass Frauen stärker betroffen sind. Bei den atmosphärischen Atomtests wurden die medizinischen Daten von betroffenen Regionen – die öfters von indigenen Völkern bewohnt waren – von den Atomwaffenstaaten jedoch oft geheim gehalten. Darüber hinaus wurden betroffene Frauen in Japan stärker stigmatisiert als Männer. Sie wurden oft diskriminiert und als Ehefrauen abgelehnt, so dass ihre soziale und finanzielle Sicherheit gefährdet war.

Zudem sind Frauen und Kinder stärker betroffen durch Schwangerschaft und Geburt. Es gab mehr spontane Aborte, Missbildungen und Behinderungen durch Strahlenexposition von Foeten in utero durch die Atombombenabwürfe. Radioaktivität ist auch für Säuglinge und Kinder schädlicher als für Erwachsene, da sie strahlenempfindlicher sind. Ihre Haut besitzt relativ zu ihrer Körpermasse eine größere Oberfläche, so dass mehr Strahlung absorbiert wird. Durch das höhere Atemminutenvolumen atmen Kinder mehr Schadstoffe ein. Auch durch das Spielen am kontaminierten Boden nehmen sie mehr radioaktive Partikel auf. Das Körperwachstum, der schnellere Stoffwechsel und eine höhere Zellteilungsrate erhöht das Risiko von Mutationen und Krebserkrankungen. Bei gleicher Strahlenexposition erhält ein Kind eine höhere Dosis/Kg Körpergewicht. Da Kinder wachsen, teilen sich ihre Zellen schneller und ihre DNA wird häufiger beschädigt.

Der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) enthält so genannte positive Verpflichtungen (Art. 6 und 7) zu den Auswirkungen der Atomeinsätze und -versuche. Der Nichtverbreitungsvertrag (NVV), der momentan in New York überprüft wird, enthält keine solchen Verpflichtungen, die betroffenen Staaten technische, materielle und finanzielle Unterstützung bieten.

Bei der ersten Staatenkonferenz in Wien, verabredeten die AVV-Vertragsstaaten einen Informationsaustausch mit Staaten, die Atomwaffen eingesetzt oder getestet haben, um den Opfern zu helfen und die Umwelt zu sanieren. Sie sollen medizinische Daten zu den Folgen bereitstellen. Auch wichtig wäre die Beteiligung aller Staaten – darunter auch Deutschland – an einem internationalen Fonds für die notwendige Arbeit, um effektive Opferhilfe und Umweltsanierung umzusetzen, inklusive weiterer Forschung in den betroffenen Ländern.

*Lifespan-Studie www.rerf.or.jp/en/programs/research_activities_e/outline_e/proglss-en/
* Papier von Mary Olson Papier von Mary Olson: www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/03080188.2019.1603864

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter www.genderandradiation.org/success-stories


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /