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Schattenfinanzindex 2022: USA erklimmen Spitze

Vermögen russischer Oligarchen in intransparenten G7-Staaten schwer auffindbar / Österreich hat weiterhin Probleme bei Transparenz von Eigentum und Unternehmen

Wien- Ob russische Oligarchen, korrupte Eliten oder Steuerbetrüger*innen – die EU schätzt, dass 10 Billionen US-Dollar von vermögenden Privatpersonen intransparent offshore gehalten werden. Der Schattenfinanzindex 2022 des Tax Justice Network zeigt, welche Staaten diese illegalen und illegitimen Finanzströme durch Geheimhaltung besonders stark anlocken. Der Index listet 141 Länder und kombiniert dabei den Grad an Intransparenz mit der Größe des Finanzplatzes.* Er ist die weltweit umfassendste Untersuchung dieser Art und wird in Österreich von Attac und dem Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC) mitherausgegeben.

Erstmals liegen die USA an der Spitze des Rankings. Auf Rang 2 liegt die Schweiz, gefolgt von Singapur, das erstmals unter den Top 3 liegt. Bemerkenswert ist das Vorrücken Deutschlands auf Platz 7. Die Kaimaninseln, im letzten Index 2020 noch an erster Stelle, liegen nun auf Platz 14. Österreich hat sich leicht verbessert, liegt aber mit Platz 44 weiterhin im schlechten oberen Drittel.

Vermögen russischer Oligarchen in intransparenten G7 Staaten schwer auffindbar

Die G7-Staaten USA, Großbritannien, Japan, Deutschland und Italien wollen in einer internationalen Task Force bei der Umsetzung der Sanktionen gegen russische Oligarchen zusammenarbeiten. Der Schattenfinanzindex zeigt jedoch, dass es gerade in diesen Staaten eklatante gesetzliche Schwächen gibt, um die Eigentümer*innen von Vermögenswerten zu identifizieren. Sie alle liegen unter den Top 21 des Index.

„Jahrzehntelang haben Industriestaaten Milliardäre, Oligarchen und Konzerne mit Intransparenz angelockt und umworben – auf Kosten der Allgemeinheit und ärmerer Länder. Nun ist es ihnen selbst fast unmöglich, das Vermögen der von ihnen sanktionierten russischen Oligarchen im Ausland aufzuspüren. Auch Österreich gehört zu diesen Staaten“, kritisieren Martina Neuwirth vom VIDC und David Walch von Attac Österreich. Eine zentrale Rolle dabei spielen neben Scheinfirmen auch Trusts oder Treuhandschaften. Mittels Treuhänder*innen („Trustees“) ist es für Vermögende auch in diesen Staaten noch immer viel zu einfach, Vermögenswerte zu verschleiern.

Vermögensregister um Eigentümer*innen von Vermögen zu identifizieren

Attac, das VIDC und das Tax Justice Network fordern die Finanzminister*innen der EU sowie der G7 auf, öffentlich zugängliche und international verknüpfte Vermögensregister voranzutreiben. Die wahren Eigentümer*innen von Vermögenswerten könnten so identifiziert werden - ein entscheidender Schlag gegen Schattenfinanzzentren. Prominente Ökonomen wie Gabriel Zucman, Joseph Stiglitz und Thomas Piketty teilen diese Forderung. „Wir müssen die Ära des wilden Westens für intransparenten Reichtum und Steuerbetrug beenden,“ erklärt Alex Cobham, Geschäftsführer des Tax Justice Network.

Die Top 10 des Schattenfinanzindex 2022:

(in Klammer Platzierung 2020)

1. (2.) USA
2. (3.) Schweiz
3. (5.) Singapur
4. (4.) Hongkong
5. (6.) Luxemburg
6. (7.) Japan
7. (14.) Deutschland
8. (10.) Vereinigte Arabische Emirate
9. (9.) Britische Jungferninseln (Britisches Überseegebiet)
10. (11.) Guernsey (Britischer Kronbesitz)

44. (36.) Österreich

USA auf Platz 1: Bidens Reformen bislang ohne Effekt

Ein wesentlicher Faktor für den ersten Platz der Vereinigten Staaten: Die USA halten noch immer nicht die internationalen Standards für den Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden ein, an dem bereits mehr als 100 Staaten teilnehmen. Während die USA von andere Ländern Informationen über Finanzkonten von US-Bürger*innen einfordern, liefern sie selbst keine Daten.

Was die Identifizierung und Registrierung der wirtschaftlichen Eigentümer von Kapitalgesellschaften betrifft, haben die USA zwar im Jänner 2021 ein Transparenzgesetz verabschiedet. Trusts müssen dabei jedoch weder ihre Existenz noch Informationen über ihre Eigentümer*innen und Begünstigten registrieren. Das steht im Widerspruch zu den Versprechen und Bemühungen von US-Präsident Joe Biden, Intransparenz im Finanzsystem weltweit zu bekämpfen. Zu Platz 1 der USA trägt ebenfalls bei, dass sich das Volumen grenzüberschreitender Finanzdienstleistungen seit 2020 um 21 Prozent erhöht hat.

Warum die Kaimaninseln die Führung verlieren und Deutschland vorrückt

Der Rückfall der Kaimaninseln von Platz 1 auf Platz 14 des Index ist nur teilweise auf mehr Transparenz zurückzuführen: Das britische Überseegebiet hat erstmals Daten über das Volumen seiner grenzüberschreitenden Finanztransfers veröffentlicht. Es ist deutlich geringer als bisher angenommen, was automatisch eine neue Bewertung ergibt. Dennoch ist das Volumen größer als bei vielen G20-Staaten wie Australien, Brasilien, Indien, Italien, Russland, Südafrika, Saudi-Arabien oder Südkorea. Zudem hat Großbritannien die Ratifizierung von UN-Abkommen zur Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung und Korruption im Jahr 2020 auch auf die Kaimaninseln ausgedehnt.

Der Aufstieg Deutschlands von Platz 14 auf 7 ist nicht nur auf das höhere Volumen grenzüberschreitender Finanzdienstleistungen zurückzuführen. In erster Linie wirken sich Beschränkungen beim öffentlichen Zugang zum Register über wirtschaftliche Eigentümer*innen negativ auf die Bewertung aus.

Österreich weiterhin im schlechten ersten Drittel – Nachbar Slowenien am transparentesten

Österreich liegt im Index weiterhin im schlechten ersten Drittel des Negativrankings. (Siehe dazu Österreichs Abschneiden bei den Transparenzindikatoren). Gut schneidet Österreich bei der internationalen Zusammenarbeit wie dem automatischen Datenaustausch, aber auch bei der Lockerung des Bankgeheimnisses ab. Den größten Verbesserungsbedarf zeigt der Index bei der Transparenz von Eigentum und Unternehmen. So sind das Firmen- und Grundbuch, aber auch das Register der wirtschaftlichen Eigentümer*innen von Unternehmen, Stiftungen und bestimmten Treuhandschaften nicht kostenlos zugänglich. Im Register ist nur die Suche nach dem Rechtsträger (also etwa dem Firmennamen) möglich, nicht aber nach Eigentümer*innen. Weiters werden Intransparenzen bei der Veröffentlichung von Gerichtsurteilen kritisiert.

Welche Verbesserungen möglich sind, zeigt ein Vergleich mit dem Nachbarland Slowenien, das mit dem geringsten Geheimhaltungswert aller Länder auf Platz 137 liegt: Das Land kann vor allem damit punkten, dass viele Informationen kostenlos frei zugänglich sind. Dazu gehören insbesondere Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer*innen von Unternehmen und Jahresabschlüsse. Zudem sind die Informationen im Open Data-Format durchsuch- und herunterladbar.

Weltweit etwas mehr Transparenz

Insgesamt stellt der Index fest, dass der Grad an Intransparenz im internationalen Finanzsystem seit Erstellung des letzten Index 2020 leicht zurückgegangen ist. Immer mehr Staaten erlassen oder verbessern Gesetze zur Registrierung von wirtschaftlichem Eigentum. Zudem hat sich die internationale Zusammenarbeit der Steuer- und Justizbehörden für ärmere Länder verbessert. „Der Schattenfinanzindex bietet den Regierungen eine Richtschnur, welche Reformen nötig sind um Steuerflucht und Geldwäsche zu bekämpfen sowie politische Sanktionen durchführbar zu machen“, erklären Neuwirth und Walch.

* Der Schattenfinanzindex bewertet anhand von 20 Indikatoren das Finanz- und Rechtssystem eines Landes, wobei ein Wert von 0 für vollständige Transparenz und ein Wert von 100 für vollständige Geheimhaltung steht. Dieser Geheimhaltungsgrad wird dann mit dem Volumen der grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen des Landes kombiniert, um zu ermitteln, wie viel Intransparenz im Finanzbereich ein Land ausländischen Akteur*innen bietet. Ein hochgradig intransparentes Land, das jedoch nur sehr wenige Finanzdienstleistungen anbietet, liegt im Ranking daher hinter einem mäßig intransparenten Land, das ein wichtiges Offshore-Ziel ist.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /