© Erich Westendarp   pixabay.com
© Erich Westendarp pixabay.com

"Jetzt Nachhaltigkeitsziele über Bord zu werfen, treibt uns in eine noch größere Krise"

Der Entwurf für die neue Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pestiziden wird angesichts der russischen Invasion ausgesetzt. Das ist genau der falsche Weg, warnt Sarah Wiener.

Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine wird vonseiten der Agrarlobby und agroindustrieller Profiteure unter dem Vorwand der Ernährungssicherheit darauf gepocht, die Nachhaltigkeitsziele der Farm-to-Fork-Strategie zu überdenken. Trotz massiven Protests der Grünen Fraktion und NGOs scheinen aus diesen vagen Ankündigungen jetzt auch konkrete Schritte zu werden. So hat die Kommission die Verschiebung der neuen EU-Verordnung zum nachhaltigen Pestizideinsatz (SUR) ankündigt, die am 23. März hätte erscheinen sollen.

Sarah Wiener war Grüne Schattenberichterstatterin der Farm-to-Fork-Strategie im Europäischen Parlament und kommentiert die Entwicklungen:

"Es ist geradezu absurd, dass eine lebensbedrohende ökologische Krise und dringlich erforderliche Transformationen nun über Nacht in den Hintergrund treten. Die verschobene Verordnung ist ein wichtiges Instrument, um den Einsatz von synthetischen Pestiziden in der EU nachhaltig zu reduzieren, wie es in der Farm-to-Fork-Strategie vorgesehen ist. Ein Aufschub verbessert die Versorgungssicherheit nicht. Im Gegenteil. Anstatt uns damit aufzuhalten, Nachhaltigkeitsziele über Bord zu werfen, sollten wir darüber diskutierten, wie wir die Landwirtschaft kleinstrukturierter, regionaler und damit resilienter gestalten können, um von der Lebensmitteleffizienz in die Lebensmittelstabilität zu kommen.

Langfristig kann nur Ökolandbau Kreisläufe schließen und die Landwirtschaft unabhängig von immens energievernichtendem Input machen. Kurzfristig sollten wir uns dazu bekennen, Lebensmittel für den Teller zu erzeugen und nicht für den Tank. 70 Prozent des Getreides, das dem Boden mit Pestiziden und Mineraldünger abgerungen wird, landet in der EU in Futtertrögen und Tankfüllungen. Gleichzeitig essen wir Europäer*innen zweimal so viele tierische Proteine wie wir benötigen. Gerade jetzt zeigt sich deutlich, wie instabil und verletzlich diese Mechanismen der Agroindustrie unsere Ernährungssicherheit machen. Es gibt jetzt nur einen Weg: Raus aus der Abhängigkeit und rein in die Ernährungssouveränität."


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /