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Hochleistungsstraßen und (Verfassungs-) Recht

Ein Symposium des Forum Wissenschaft & Umwelt zeigte spannende Details und Hintergründe auf

Klimaschutz: Autobahnbau oder Steinzeit?

In seiner Einführung berichete Prof. Dr. Reinhold Christian: „In zahlreichen Veranstaltungen hat das Forum Wissenschaft & Umwelt am Beispiel des Lobau-Tunnels aufgezeigt, dass derartige Projekte in praktisch jeder Hinsicht sehr problematisch sind. Zahlreiche diskutierte Aspekte unterstreichen dies: Ökologie – Ökonomie – Klima – Politik – Bürgerbeteiligung – Verkehr – Raumordnung – Boden – Stadtgestaltung – Gesundheit – Ethik – Recht.“

„Die klare Schlussfolgerung lautet: Nicht nur der Lobau-Tunnel alle Projekte müssen hinsichtlich der genannten Aspekte, insbesondere hinsichtlich der Klimawirkung, analysiert, beurteilt und ggf. gestoppt oder modifiziert werden. Damit nicht genug: Auch Finanzen (Budgets, Förderungen, Investitionen, …) und Rechtsgrundlagen sind mutatis mutandis zu prüfen.“

„Besonders problematisch zeigt sich die Entwicklung im Verkehrsbereich. Letztendlich geht es um die Frage, ob wir den öffentlichen Raum für den Menschen oder für das Auto gestalten wollen. Ein guter Maßstab dafür ist die ,Ausbaugeschwindigkeit‘, nach der diese Gestaltung orientiert wird.“

Gilt die Bundesverfassung bei Großprojekten nicht?

„Die Beachtung der in der Bundesverfassung festgeschriebenen Prinzipien der Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit müsste die Bürger vor jedem Mißbrauch der Steuermittel schützen. Die Investitionen in Hochleistungsstraßen missachten diese Prinzipien. Zufußgehen, Radfahren, öffentlicher Verkehr und Autoverkehr dienen dem gleichen Zweck. Der Autoverkehr hat einen 10 bis 100 fach höheren Flächenbedarf. Er ist 10 bis 20 mal ressourcenintensiver als der öffentliche Verkehr. Er weist mindestens in diesem Verhältnis höhere Kosten auf: 3,2 km Stadtstraße entsprächen 20 bis 25 km Straßenbahn! Das Auto hat für den selben Zweck einen 10 bis 1000 fach höheren Energiebedarf, ein wesentlich höheres Unfallpotenzial in der Größenordnung eines Faktors 10 bis 100. Lärm, Abgas- und Feinstaubbelastung sind weitere negative Auswirkungen. Investitionen in den Autoverkehr – mit Eingriffen in Natur und Sozialsysteme, hohem Energiebedarf und großen Risiken – sind also heute nicht mehr zweckmäßig!“

„Bei klarem Verstand kann es nicht zu einer positiven Bewertung solcher Projekte kommen. Dies wäre außerhalb einer rationalen Denkstruktur. Die einschlägigen Fragen werden von den Projektbetreibern gezielt ausgeblendet, um die Diskussion in ihrem Sinn zu lenken. Die Stadt Wien verfolgt das Ziel, den Autoverkehr bis 2030 zu halbieren. Die Investitionen in S1, Stadtstraße und Lobau-Tunnel sind, da sie der Zweckmäßgkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nachweisbar widersprechen, aus fundierter fachlicher Sicht ‚verfassungwidrig‘.“, so Univ. Prof. Dr. Hermann Knoflacher.

Verkehrsrecht im Lichte der Anforderungen der Nachhaltigkeit

Die interpretatorischen Folgen des Urteils im Erkenntnis des VfGH zur dritten Piste haben auf andere, verkehrsrelvante Materien negative Präjudiizwirkung. Die äußerst restriktive Auslegung des VfGH in dieser Causa führt dazu, dass dem BVG Nachhaltigkeit eine dynamische, Klima schützende Dimension abgesprochen wurde, und das in einer Zeit, in der sich die Bundesregierung zu dringendem Klimaschutz verpflichtet hat. Den internationalen Verpflichtungen und österreichischen Programmen ist Wirkung zu verleihen, auch auf Ebene einfacher Gesetze, im Sinne öffentlicher Interessen.“

„In sämtlichen Verkehrsmaterien bedarf es daher dringend einer Überarbeitung in Hinblick auf den Klimaschutz. Das ist viel Arbeit, aber es ist machbar! Unser Rechtsystem wird damit nicht über den Haufen geworfen. Es bedarf vielmehr einer engagierten Rechtssetzung. Diese gilt es voranzutreiben und nicht zu behindern.“

„Klar ist: Es wird auch in Zukunft den Umschlag von Gütern auf die Schiene mit dem Anschluss an die Straßen benötigt werden. Wir werden Güter brauchen, denn wir werden weiterhin konsumieren. Dazu gilt es, in Ballungszentren das Problem der „letzten Meile“ zu lösen, d.h. die bessere Kombination von Gütertransport auf der Schiene mit der Feinverteilung im Wege des Straßenverkehrs. Es gilt, den notwendigen Schritt in die (Mobilitäts-)Zukunft zu gehen. Dies schaffen wir nur, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen und die notwendige Transformation energisch betreiben.“, so Univ.-Prof.in Dr.in Erika Wagner.

Das „öffentliche Interesse“ an Verkehrsprojekten in der Judikatur der Höchtsgerichte (Praxisbericht)

„Solange es irgendein noch so vages Argument für ein Großprojekt gibt, das als ,öffentliches Interesse‘ ausgegeben werden kann, reicht das für eine Bewilligung.“

„In Summe gibt es nur ganz wenige Entscheidungen des VwGH, in denen er das öffentliche Interesse an einem Projekt verneint hat, und zwar nur dann, wenn sich ein Amtssachverständiger explizit gegen das Projekt ausgesprochen hat, z.B. wegen Gefährdung von Leib und Leben von Menschen. Damit werden letztlich die Sachverständigen zu den Entscheidungsträgern und die Rechtsanwendung ist der technisch-wissenschaftlichen Prüfung nachgeordnet.“

„Wenn die Volksvertretung als Legislative nicht bereit ist, klarere Vorgaben für den Klimaschutz zu machen, sieht sich der VfGH nicht als ,Ersatzgesetzgeber‘. Die Politik muss daher selbst Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen und darf sich nicht auf die Vollziehung oder die Rechtsprechung verlassen.“, so Rechtsanwalt Dr. Andreas Manak.

www.fwu.at


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