© Sven Lachmann auf Pixabay
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60 Prozent der Flüsse weltweit fallen zeitweise trocken – Tendenz steigend

Ein internationales Forscher*innen-Team, unter ihnen Senckenberg-Generaldirektor Klement Tockner, hat erstmalig alle Flüsse weltweit erfasst und quantifiziert, die zeitweise austrocknen.

Sie zeigen, dass 60 Prozent der globalen Fließgewässer an mindestens einem Tag im Jahr trockenfallen – über alle Kontinente und klimatischen Zonen hinweg. In der unter Leitung von Mathis Messager von der McGill Universität im kanadischen Montreal entstandenen und heute im renommierten Fachjournal „Nature“ veröffentlichten Studie zeigen die Forschenden, dass über die Hälfte der Weltbevölkerung in der Nähe dieser zeitweise trockenfallenden Flüsse lebt – Tendenz steigend.

Seit Jahrtausenden siedeln Menschen bevorzugt in der Nähe von Gewässern. Flüsse sind Teil des globalen Wasserkreislaufs, bedeutender Lebensraum für zahlreiche Arten, Wirtschaftsfaktor, Transportweg, Energielieferant und Erholungsort. Doch gerade die Bäche und Flüsse leiden immens unter dem globalen Klimawandel, der intensiven Landnutzung und dem Ressourcenverbrauch. „Aktuell konzentriert sich die Forschung und die daraus folgenden Schutzmaßnahmen überwiegend auf Gewässer, die permanent Wasser führen“, erklärt Prof. Dr. Klement Tockner, Gewässerökologe und Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung sowie Professor an der Goethe-Universität Frankfurt, und fährt fort: „Doch sogar große, charismatische Flüsse, wie beispielsweise der Nil, der Gelbe Fluss in China oder der nordamerikanische Rio Grande, fallen bereits vollständig trocken. Dies kann zu einem erschwerten Wasserzugang für Millionen von Menschen führen und hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Ökosystem Fluss.“

Unter der Leitung des Doktoranden Mathis Messager, McGill Universität in Montreal, zeigt Tockner gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen in der heute veröffentlichten Nature-Studie, dass weltweit in 51 bis 60 Prozent der Flüsse an mindestens einem Tag im Jahr kein Wasser fließt. In besonders trockenen Gebieten der Erde, wie in Indien, Westaustralien oder der afrikanischen Sahelzone, sind es laut der Modellierungen sogar 99 Prozent der Fließgewässer. „Aber auch in den kühlgemäßigten und feuchten Klimazonen trocknen fast 30 Prozent der Fließgewässer immer wieder aus. Unter Berücksichtigung kleiner Bäche sind es dort sogar mehr als die Hälfte der Wasserläufe. Mit anderen Worten: Flüsse, die – zumindest temporär – trockenfallen sind eher die Regel als die Ausnahme auf der Erde“, fügt der Gewässerökologe hinzu. Regionale Beispiele hierfür sind der Urselbach, ein etwa 16 Kilometer langes Gewässer, das im Vordertaunus entspringt und durch Frankfurt führt, sowie die Weil, ein Zufluss der Lahn, welche im vergangenen Sommer trockenfielen. Tockner ergänzt: „Natürlich trockenfallende Gewässer sind wertvolle und einzigartige Lebensräume, aber trocknet ein permanent wasserführender Bach oder Fluss aus, dann hat das massive Auswirkungen auf die Natur und schlussendlich den Menschen.“

Anhand von hydrologischen, klimatischen, bodenkundlichen und geologischen Daten von 5615 Messstationen konnten die Forscher*innen zeigen, dass trockenfallende Flüsse auf allen Kontinenten und in allen Klimazonen zu finden sind. „Das hat weitreichende Konsequenzen für die Erforschung und den Schutz von Fließgewässern“, erklärt Tockner und fährt fort: „Um die zukünftigen Auswirkungen des Klima- und Landschaftswandels auf diese Ökosysteme und ihre Arten verstehen zu können, müssen wir das Trockenfallen der Flüsse als einen zentralen Parameter berücksichtigen.“ Zukünftig werden laut den Forschenden nicht nur die Hochwässer zunehmen, sondern insbesondere auch die Austrocknung der Gewässer.

Laut der Studie ist der nächstgelegene Bach oder Fluss für 52 Prozent der Weltbevölkerung nicht durchgängig wasserführend. Der Gewässerökologe ist sich sicher, dass die neuen Ergebnisse helfen werden, die Flüsse nachhaltiger zu bewirtschaften und damit auch die Menschen, die für ihren Lebensunterhalt und ihre Kultur direkt auf diese Ökosysteme angewiesen sind, zu schützen. „Wir können nun zeigen wo und dass Fließgewässer nicht immer fließen, in einem nächsten Schritt möchten wir untersuchen, wann und wie lange diese Trockenzeiten heute und in Zukunft auftreten und was bedeutet es für Natur und Mensch“, gibt Tockner einen Ausblick.

Judith Jördens


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /