© TanteTati auf Pixabay
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NGO-Analyse zeigt: Österreichs GAP-Strategieplan verfehlt Ziele des Green Deal

Planung ohne Ziel ++ Nachbesserung nötig ++ Öffentliche Anhörung gefordert

Wien - Mit den kürzlich vom Landwirtschaftsministerium präsentierten Vorschläge für die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) kann Österreich die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Ziele des Europäischen Green Deal, insbesondere der Biodiversitäts- und der Farm-to-Fork-Strategie, nicht erreichen. Zu diesem alarmierenden Ergebnis kommt eine gemeinsame Analyse, die die Österreichische Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung (ÖBV), die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 und die Naturschutzorganisation BirdLife Österreich in Zusammenarbeit mit der Arbeiterkammer, der Biene Österreich, der Produktionsgewerkschaft PRO-GE und dem Bioverband Erde und Saat erstellt haben und heute im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierten.

Kein Green Deal ohne ambitionierte GAP

„Es geht um sehr viel“, eröffnet der Ökologe Prof. Dr. Franz Essl vom österreichischen Biodiversitätsrat: „Das weltweite Artensterben ist eine existentielle Bedrohung und macht auch vor Europa und Österreich nicht Halt. Die Intensivierung der Landwirtschaft und die Klimakrise zählen zu den stärksten Treibern. Mit einer ambitionierten, an ökologischen Grundsätzen ausgerichteten Gemeinsamen Agrarpolitik hätte die EU ein starkes Instrument, um dieser Entwicklung gegenzusteuern. Sollten wir jedoch am Ende des Jahrzehnts feststellen, dass eine ambitionslose Agrarpolitik die Ziele des Green Deal verfehlt hat, dann ist es zu spät.“

Über die GAP fließen jährlich rund 2,2 Milliarden Euro öffentliche Gelder in die österreichische Landwirtschaft. An welche Maßnahmen und Ziele diese Agrarförderungen geknüpft werden, ist derzeit Gegenstand von Verhandlungen. Die EU-Kommission erwartet von der GAP einen entscheidenden Beitrag für die Zielerreichung des europäischen Green Deal und hat entsprechende Empfehlungen an Österreich übermittelt. Am 15. April veröffentlichte das Landwirtschaftsministerium seine „Interventionsentwürfe“ für den österreichischen GAP-Strategieplan. Mit der vorliegenden Studie wurde untersucht, inwieweit die Maßnahmen des GAP-Strategieplans die folgenden acht Ziele des Green Deal erreichen können: 50 %-Reduktion von Nährstoffverlusten, 50 %-Reduktion von Pestizideinsatz, 10 % Naturflächen, Umkehr des Rückgangs von Bestäubern, Beitrag zur Klimaneutralität, 25 % Biolandwirtschaft, Verbesserung bäuerlicher Einkommen und faire Arbeitsbedingungen für Erntearbeiter*innen.

Ziellose Planung – Scheitern vorprogrammiert

Die wichtigsten Erkenntnisse: Sechs der acht untersuchten Ziele des Green Deal lassen sich mit den derzeit vorgeschlagenen Maßnahmen nicht erreichen. Denn wie die vorliegende Analyse zeigt, unterscheiden sich die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht oder nur geringfügig von jenen Maßnahmen aus vergangenen GAP-Perioden, von denen hinreichend belegt ist, dass sie keine nennenswerten Verbesserungen bei den betreffenden Zielen bewirkt hatten.

Eine mögliche Erklärung für die vorprogrammierte Zielverfehlung: Vier der Green-Deal-Ziele, nämlich der „Schutz von Bestäubern“, die „50 %-Reduktion“ von Nährstoffverlusten ebenso wie von Pestiziden sowie die „Sozialen Rechte“ waren gar nicht Teil des Planungsprozesses. Sie fehlten bereits in der „Bedarfsanalyse“, die als Grundlage für die Entwicklung von Maßnahmen dient, und auch in den folgenden internen Planungsdokumenten. Erstmalige Erwähnung finden diese Ziele in der veröffentlichten Version vom 15. April.

Nachbesserungen auf allen Ebenen erforderlich

„Solch eine Planung im Blindflug ist nicht nur unprofessionell, sie ist angesichts der Milliarden an Steuergeldern, die an den GAP-Strategieplan geknüpft sind, und angesichts der existentiellen Wichtigkeit der Green-Deal-Ziele völlig inakzeptabel“, kommentiert Dr. Helmut Burtscher-Schaden, Umweltexperte bei GLOBAL 2000 das Vorgehen des Ministeriums: „In dieser Form kann der Strategieplan nicht beschlossen werden. Nachbesserungen sind dringend erforderlich.“

DI Christof Kuhn von BirdLife Österreich ergänzt: „Dabei wäre es falsch, alle Maßnahmen in Bausch und Bogen als ineffektiv zu verwerfen. Gerade bei der Biodiversität finden wir mehrere Maßnahmen, deren positive Wirkung wissenschaftlich belegt ist. Dazu zählen etwa ÖPUL-Biodiversitätsflächen im Ackerland und die ÖPUL-Naturschutzmaßnahmen. Das Problem liegt in der ungenügenden Umsetzung - sowohl flächenmäßig als auch qualitativ. Damit das in Zukunft besser wird, braucht es eine gesteigerte Ambition bei jenen Maßnahmen, die tatsächlich etwas für die Umwelt bringen, sowie entsprechend attraktive Förderanreize und gute fachliche Beratung.“

Mag.a Julianna Fehlinger von der ÖBV vermisst im GAP-Strategieplan die notwendigen systemischen Veränderungen für eine gerechtere und ökologischere Agrarpolitik. Um die Klimakrise einzudämmen und das Artensterben zu stoppen, braucht es mehr kleinbäuerliche Strukturen. „Das weitere Höfesterben kann nur mit zielgerichteten Maßnahmen für ein besseres Einkommen von Bäuerinnen und Bauern verhindert werden. Eine Verdoppelung der Flächenförderung für die ersten 20 Hektar würde speziell für kleinere Betriebe den Druck in Richtung Intensivierung reduzieren und nachhaltige Arbeitsplätze in der Region sichern.“ Gegenfinanzieren ließe sich diese Maßnahme durch eine gerechtere Umverteilung innerhalb der Direktzahlungen, wie dies u.a. von der Kommission vorgeschlagen wurde. „Auch für Erntearbeiter*innen in der Landwirtschaft muss der soziale Schutz garantiert werden. Österreich soll sich daher auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Einhaltung von Arbeitsrechten Voraussetzung für den Erhalt von Agrarförderungen ist.“

Um die Ziele des Green Deal zu erreichen, muss Landwirtschaftsministerin Köstinger im GAP-Strategieplan eine bessere Unterstützung der Biolandwirtschaft und agrarökologischer Bewirtschaftung sicherstellen. Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, wie Humusaufbau, Reduktion von Mineraldünger und Pestiziden sowie standortgebundene Tierhaltung sind in den bisherigen Vorschlägen nicht ausreichend verankert. Mehr Flächen für Biodiversität und eine Förderung bienenschonender Bewirtschaftung auf Acker und Grünland sind wesentlich, um die Ziele zu erreichen.

Abschließend appellieren die NGOs an alle Parlamentsfraktionen, den gesetzlichen Grundlagen für den Strategieplan erst zuzustimmen, nachdem entscheidende Verbesserungen eingeführt worden sind, die mit den Zielsetzungen des Green Deal kompatibel sind. Sie laden zu einer öffentlichen Anhörung mit den Agrarsprecher*innen aller politischen Parlamentsparteien am 17. Mai ein.

Die Studie „Fit für den Green Deal? - Der GAP-Strategieplan am Prüfstand“ finden Sie HIER.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /