© enriquelopezgarre auf Pixabay
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Tschernobyl-Folgen in Österreich

„Strahlenschützer“ sollten nicht die Strahlen schützen, sondern die Bevölkerung, so die ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt.

Österreich war neben einigen Teilen Skandinaviens von allen Regionen außerhalb des ehemaligen Ostblocks am stärksten vom radioaktiven Fallout nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl betroffen. Für Österreich ließ sich durch die Reaktorkatastrophe langfristig eine Strahlenbelastung für die gesamte Wohnbevölkerung von ca. 10.000 Personen-Sievert abschätzen (Bundeskanzleramt 1988). Aufgrund dieser Belastung schätzen Cardis et al. (2006) etwa 1.000 zusätzliche Krebsfälle für Österreich bis 2065. Fairlie & Sumner (2006) kommen auf geringfügig höhere Zahlen. Eintausend Fälle bedeuten viel persönliches Leid. Über alle Jahre bis 2065 ist die Anzahl jedoch zu gering, um einen statistisch deutlichen Anstieg zu bewirken. In eigenen Analysen fanden wir eine gering erhöhte Inzidenz bei kindlichen Leukämien und Schilddrüsenkrebs in den ammeisten vom Fallout betroffenen Bezirken. Diese Erhöhung entspricht in etwa den oben genannten Prognosen.


Angeborene Fehlbildungen wurden in Österreich nicht ausreichend dokumentiert. Die spärlichen Daten weisen allerdings auf einen geringen Anstieg der Fälle im Jahr 1987 hin. Aus Berlin wurde ein Anstieg bei den Fällen an Trisomie 21 berichtet (Sperling et al. 1991). Dies kann für Österreich nicht bestätigt werden. Allerdings zeigte sich ein Anstieg bei anderen Defekten der Erbinformationen (sogenannte Chromosomenanomalien wie z.B. Klinefelter-Syndrom).

Wenn das erste Trimester der Schwangerschaft in die Monate nach dem Unglück fiel, fand sich eine signifikante Verkürzung der Schwangerschaft mit etwas geringerem Geburtsgewicht. Dies hatte aber keine nachweisbare Auswirkung auf die frühkindliche Sterblichkeit.

„Die Reaktorkatastrophe hat daher auch für Österreich medizinisch relevante Folgen gehabt“, betont ÄGU-Sprecher Hans-Peter Hutter. Allerdings sind die Verharmloser nach wie vor aktiv, wie sich auch nach der Fukushima-Katastrophe vor 10 Jahren bei der Frage nach den gesundheitlichen Auswirkungen auf die dortige Bevölkerung zeigte. Hutter: „Man hat den Eindruck, dass manche Strahlenschützer wie die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) oder bestimmte österreichische Behördenvertreter bei uns sich eher als „Schützer der Strahlen“ verstehen. Dies betrifft übrigens sowohl ionisierende als auch nicht-ionisierende Strahlung.

“Es sei daran erinnert, dass der frühere IAEO-Generaldirektor Hans Brix meinte, dass „angesichts der Wichtigkeit der Kernenergie die Welt einen Unfall vom Ausmaß Tschernobyl pro Jahr ertragen könnte.“ Und ein Vertrag aus dem Jahr 1959 verpflichtet beunruhigenderweise Weltgesundheitsorganisation und IAEO zu „gegenseitigem Einvernehmen“, etwa bei der Klärung der gesundheitlichen Folgen von AKW-Unfällen.


Literaturhinweis: Nukleare Katastrophen und ihre Folgen, Hrsg. W Liebert, Ch Gepp, D Reinberger; 2016 Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH(ISBN 978-3-8305-3642-0)


Quelle: ÄGU ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /