©  Rolf Handke -pixelio.de
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Rüben-Gipfel: Mercosur-Handelspakt wäre nächste Hiobsbotschaft für österreichische Zuckerbranche

Nicht Verbot von bienschädlichen Pestiziden, sondern Weltmarkt-Preisdumping und Klimakrise sind Hauptursachen für Rückgang bei Zuckerrüben

Agrarökologie und faire Preise statt verbotener Gifte!

Mit Blick auf den mittlerweile zweiten von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger ausgerufenen "Rübengipfel", der dieses Mal unter Ausschluss der Zivilgesellschaft stattfinden soll, appelliert GLOBAL 2000 an die Ministerin, sich nicht vor den Karren der Pestizid-Lobby spannen zu lassen, sondern nachhaltige Lösungen für eine zukunftsfähige österreichische Landwirtschaft zu suchen.

Vertreter aus dem Bauernbund und der Landwirtschaftskammer hatten zuletzt die bevorstehende Schließung einer veralteten und unrentabel gewordenen Agrana-Zuckerfabrik zum Anlass genommen, um gegen EU-weit verhängte Verbote von bienengefährlichen Pestiziden aus der Gruppe der Neonikotinoide Stimmung zu machen.

Pestizide lösen die Probleme der Rüben-Bauern nicht

"Dabei zeigt gerade das Beispiel der Zuckerrübe, dass Pestizide die Probleme der österreichischen LandwirtInnen nicht lösen können. Denn anders als die Pestizid-Lobbyisten behaupten, hatten österreichische Rübenbauern zuletzt deutlich mehr Pestizide zur Verfügung als die Rübenbauern in anderen EU-Staaten, wie beispielsweise Deutschland oder Frankreich. Denn das österreichische Landwirtschaftsministerium hat das 2018 verhängte EU-weite Verbot von drei bienenschädlichen Neonikotinoiden von Beginn an durch Notfallzulassungen untergraben. Die österreichische Rübenanbaufläche schrumpfte dennoch." so Dr. Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker bei GLOBAL 2000.

Bereits beim ersten von Elisabeth Köstinger ausgerufenen "Rübengipfel" hatte GLOBAL 2000 entschieden vor Alibi-Lösungen wie der Zulassung von verbotenen Neonikotinoiden gewarnt. Das Landwirtschaftsministerium hatte jedoch die konstruktiven Vorschläge, die GLOBAL 2000-Experten in die Arbeitsgruppen-Teffen einbrachten, leider in den Wind geschlagen und stattdessen auf die Zulassung der verbotenen Bienenkiller gesetzt. Bienen und andere Insekten wurden dadurch gefährdet, doch die Probleme im Rübenanbau blieben bestehen. Nun muss die Ministerin erneut zum Rübengipfel einladen. Werden ein weiteres Mal nur Scheinlösungen präsentiert, die nicht helfen, sondern nur noch mehr Schaden anrichten?

Wir brauchen faire Preise für unsere Bäuerinnen und Bauern

Dass Zuckerrübenanbau ohne Pestizide nicht nur möglich, sondern auch rentabel ist, solange faire Preise gezahlt werden, zeigt die Biolandwirtschaft. Denn anders als in der konventionellen Landwirtschaft blieb die Rübenfläche in der Biolandwirtschaft konstant. "Der wahre Grund für den Rückgang im konventionellen Bereich - über den der Bauernbund und die Landwirtschaftskammer gerne schweigen - ist das 2017 mit Zustimmung der österreichischen Agrarier erfolgte Auslaufen der Europäischen Zuckermarktordnung. Seit der Liberalisierung des Zuckermarkts zahlt die Agrana niedrigere Preise für österreichische Zuckerrüben als dies zuvor der Fall war. Konventionelle Bauern, die auf ihren Flächen keine Rekorderträge erzielen können, machen nun ein Verlustgeschäft und steigen daher auf andere Kulturen um." so Burtscher-Schaden weiter, "Wenn wir weiterhin österreichischen Zucker wollen, muss die Agrana den Landwirtinnen und Landwirten faire Preise zahlen. Auch im Supermarkt wird das Kilogramm Zucker einige Cent mehr kosten."

Subventionen bzw. Direktzahlungen an den österreichischen Rübensektor lehnt GLOBAL 2000 entschieden ab. Diese würden nur dazu führen, dass der Preis eines ohnehin nicht gerade gesunden Lebensmittels mit Steuergeld künstlich niedrig gehalten wird. Profiteure wären die Zucker-verarbeitende Industrie und große Getränkehersteller. Stattdessen sollte die Herkunftskennzeichnung verbessert werden.

Die Landwirtschaft muss zukunftsfit gemacht werden

Mit Blick auf den Rübengipfel appelliert GLOBAL 2000 an Elisabeth Köstinger daher, von einer rückwärtsgewandten Landwirtschaftspolitik, wie sie von den Pestizid Lobbyisten gefordert wird, Abstand zu nehmen und stattdessen jene Lösungsansätze zu verfolgen, die mittlerweile auch von der Europäischen Kommission in ihrer Farm to Fork Strategie erkannt wurden: Weniger Gift, mehr Agrarökologie.
Greenpeace warnt anlässlich des Zuckerrüben-Gipfels vor dem geplanten Handelspakt zwischen der EU und dem südamerikanischen Mercosur-Raum. Der ökonomische Druck auf die bereits schwer angeschlagene österreichische Zuckerbranche würde mit diesem Handelsabkommen aufgrund erhöhter Importquoten für Zucker und Bioethanol aus Südamerika noch einmal deutlich steigen. Bisher setzen den heimischen Zuckerrüben-ProduzentInnen in erster Linie schlechte Weltmarktpreise und der durch die Klimakrise ansteigende Schädlingsdruck zu. Und nicht, wie häufig unterstellt, das Verbot von bienenschädlichen Pestiziden, das aufgrund einer Ausnahmeregelung für den Zuckerrübenanbau ohnehin nicht gilt. Greenpeace fordert von der österreichischen Bundesregierung, sich zum Schutz der Umwelt und österreichischen Landwirtschaft auf allen Ebenen aktiv gegen den ruinösen Mercosur-Pakt zu stellen.

"Der Mercosur-Handelspakt wäre der nächste Tiefschlag für die österreichische Zuckerbranche. Wenn beim heutigen Gipfel also Maßnahmen zur Unterstützung der österreichischen Zuckerbranche diskutiert werden, dann muss ein endgültiges Aus für den Mercosur-Pakt ganz oben auf der Liste stehen”, fordert Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace in Österreich. In Brasilien hat das Kilo Zucker nur rund die halben Produktionskosten wie in Österreich. Der Handelspakt zwischen der EU und den südamerikanischen EU-Staaten sieht unter anderem die Erhöhung von Importquoten für Zucker und für Bioethanol vor. Die Importquoten für Bio-Ethanol - das in Europa unter anderem aus Zuckerrübendicksaft hergestellt wird - sollen sogar um über 600 Prozent steigen. Für europäische und österreichische ZuckerrübenproduzentInnen wäre das die nächste Hiobsbotschaft.

Schon heute setzen den österreichischen ZuckerrübenproduzentInnen besonders die Klimakrise und die Überschwemmung des Markts mit Billigzucker zu. Anders als in den letzten Tagen immer wieder behauptet, ist es nicht das EU-weite Verbot von bienenschädlichen Neonicotinoiden, das BäuerInnen unter Druck setzt. "Das Neonicotinoid-Verbot von 2018 hat die ZuckerrübenproduzentInnen in Österreich noch nie betroffen. Es gab bisher immer Ausnahmeregelungen für diesen Bereich. Die Wahrheit ist also, dass der Rübenderbrüssler dem Rübenanbau nicht zusetzt, weil Neonicotinoide verboten wurden, sondern vielmehr, obwohl diese gefährlichen Insektizide weiterhin eingesetzt werden", erklärt Theissing-Matei. Die Zunahme dieses Schädlings ist menschengemacht: Sie ist eine direkte Folge des wärmeren und trockeneren Wetters in der Klimakrise. "Wenn die österreichische Bundesregierung der Zuckerbranche in Österreich mittel- und langfristig eine Perspektive bieten will, dann muss sie einerseits wirksame Schritte gegen die Klimakrise setzen und andererseits den ruinösen Mercosur-Pakt endlich ein für allemal im Papierkorb entsorgen," fordert Theissing-Matei.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /