© Barbara P. Meister MA auf Pixabay / Frühlingspelzbiene
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Europäischer Rechnungshof: Biodiversitätsstrategie der EU weitgehend wirkungslos!

EU-Maßnahmen haben den Rückgang wilder Bestäuber kaum aufgehalten, so die Prüfer.

Wie aus einem neuen Bericht des Europäischen Rechnungshofs hervorgeht, haben die EU-Maßnahmen wilden Bestäubern keinen Schutz geboten. Die Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020 blieb im Hinblick auf die Verhinderung ihres Rückgangs weitgehend wirkungslos. Außerdem umfassen wichtige Politikbereiche der EU, darunter die Gemeinsame Agrarpolitik, keine spezifischen Verpflichtungen zum Schutz wilder Bestäuber. Hinzu kommt, dass die EU-Rechtsvorschriften über Pestizide eine Hauptursache für den Verlust an wilden Bestäubern sind, so die Prüfer.

Bestäuber wie Bienen, Wespen, Schwebfliegen, Schmetterlinge, Motten und Käfer tragen ganz wesentlich zur Erhöhung der Menge und Qualität unserer Nahrungsmittel bei. In den letzten Jahrzehnten haben Populationsdichte und Vielfalt wilder Bestäuber in der EU jedoch abgenommen, was größtenteils auf die intensive Landwirtschaft und den Einsatz von Pestiziden zurückzuführen ist. Als Reaktion darauf schuf die Europäische Kommission einen Rahmen für Maßnahmen, der weitgehend auf ihrer Initiative für Bestäuber von 2018 und ihrer Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020 basiert. Außerdem führte sie im Rahmen der bestehenden EU-Politiken und -Rechtsvorschriften Maßnahmen mit potenziellen Auswirkungen auf wilde Bestäuber ein. Die Prüfer bewerteten die Wirksamkeit dieser Maßnahmen.

"Bestäuber spielen eine zentrale Rolle bei der Vermehrung der Pflanzen und bei Ökosystemfunktionen, und ihr Rückgang ist als gravierende Bedrohung für unsere Umwelt, unsere Landwirtschaft und unsere Nahrungsmittelversorgung anzusehen", so Samo Jereb, das für den Bericht zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. "Die bisherigen EU-Initiativen zum Schutz wilder Bestäuber waren leider so schwach, dass sie keine Früchte trugen."

Die Prüfer stellten fest, dass der spezifische Rahmen der EU keinen erkennbaren Beitrag zum Schutz wilder Bestäuber leistet. Auch wenn keine Einzelmaßnahme in der EU-Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020 speziell auf die Umkehr des Rückgangs wilder Bestäuber ausgerichtet war, könnten vier ihrer Einzelziele Bestäubern indirekt zugutekommen. In ihrer eigenen Halbzeitbewertung konstatierte die Kommission jedoch, dass es bei dreien dieser Einzelziele nur unzureichende oder überhaupt keine Fortschritte gegeben habe. Zudem stellte sie Bestäubung darin ausdrücklich als eines der am stärksten geschädigten Elemente der Ökosysteme in der EU heraus. Ein weiteres Ergebnis der Prüfer lautet, dass die Initiative für Bestäuber nicht zu wesentlichen Änderungen bei wichtigen Politiken und Maßnahmen geführt hat.

Andere EU-Politikbereiche, die die biologische Vielfalt fördern, umfassen den Prüfern zufolge keine spezifischen Verpflichtungen zum Schutz wilder Bestäuber. Die Kommission hat die Optionen im Hinblick auf Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, die in den Programmen, einschließlich der Habitat-Richtlinie, des Natura-2000- und des Life-Programms, verfügbar sind, nicht genutzt. Was die GAP angeht, sind die Prüfer der Ansicht, dass sie Teil des Problems und nicht Teil der Lösung ist. Die Ökologisierungs- und Cross-Compliance-Anforderungen im Rahmen der GAP haben den Rückgang der Biodiversität landwirtschaftlicher Nutzflächen nicht wirksam aufgehalten, wie die EU-Prüfer in einem jüngst veröffentlichten Bericht feststellten.

Abschließend heben die Prüfer auch hervor, dass im Rahmen der aktuellen EU-Rechtsvorschriften über Pestizide keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz wilder Bestäuber bereitgestellt werden können. Die derzeit geltenden Rechtsvorschriften umfassen zwar Schutzmaßnahmen für Honigbienen, die Risikobewertungen beruhen jedoch noch immer auf Leitlinien, die nicht mehr auf dem neuesten Stand und schlecht auf die rechtlichen Anforderungen und die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse abgestimmt sind. In diesem Zusammenhang weisen die Prüfer darauf hin, dass der EU-Rahmen es den Mitgliedstaaten ermöglicht hat, weiterhin Pestizide einzusetzen, von denen angenommen wird, dass sie für massive Verluste von Honigbienen verantwortlich sind. So wurden beispielsweise zwischen 2013 und 2019 206 Notfallzulassungen für die Verwendung von drei Neonicotinoiden (Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin) erteilt, obwohl ihre Verwendung seit 2013 beschränkt wurde und ihre Verwendung im Freien seit 2018 streng verboten ist. In einem anderen in diesem Jahr veröffentlichten Bericht stellten die EU-Prüfer fest, dass Verfahren im Bereich des integrierten Pflanzenschutzes zwar dazu beitragen könnten, die Verwendung von Neonicotinoiden zu reduzieren, die EU bei der Durchsetzung der Anwendung dieser Verfahren bislang jedoch kaum Fortschritte erzielt hat.

Da der "Grüne Deal" in den kommenden Jahrzehnten auf der Tagesordnung der EU ganz oben stehen wird, empfehlen die Prüfer der Europäischen Kommission,

· die Notwendigkeit spezifischer Maßnahmen für wilde Bestäuber in den 2021 zu ergreifenden Folgeaktionen und -maßnahmen für die Biodiversitätsstrategie der EU bis 2030 zu bewerten;

· Maßnahmen zum Schutz wilder Bestäuber besser in die politischen Instrumente der EU für die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Landwirtschaft zu integrieren;

· den Schutz wilder Bestäuber im Rahmen des Prozesses zur Bewertung der Risiken von Pestiziden zu verbessern.





Hinweise für den Herausgeber

Der Sonderbericht Nr. 15/2020 "Schutz wilder Bestäuber in der EU – Initiativen der Kommission haben keine Früchte getragen" ist in 23 EU-Sprachen auf der Website des Hofes (eca.europa.eu) abrufbar.

Diese Prüfung ergänzt die vor Kurzem veröffentlichten Sonderberichte des Hofes zur Biodiversität landwirtschaftlicher Nutzflächen, zum Einsatz von Pestiziden und zum Natura-2000-Netz.

Der Europäische Rechnungshof stellt seine Sonderberichte dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU sowie anderen betroffenen Parteien wie nationalen Parlamenten, Wirtschaftsakteuren und Vertretern der Zivilgesellschaft vor. Der weitaus größte Teil der Empfehlungen, die der Hof in seinen Berichten ausspricht, wird umgesetzt.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /