© Volkswagen / Elektroauto ID.4 von Volkswagen
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Automarkt: Die Starken gewinnen das Rennen um die Zukunftstechnologien

"AlixPartners Global Automotive Outlook 2020": Elektromobilität setzt sich trotz Krise durch

Die Covid-19-Krise trifft die Automobilbranche hart, in einer Zeit, in der sie ohnehin schon mit sinkenden Renditen zu kämpfen hat. Aber: Elektromobilität setzt sich trotz Krise durch - prognostizierter Marktanteil für E-Autos liegt 2030 global bei 25%, in Europa bei 37%


Nur die finanz- und innovationsstarken Hersteller und Zulieferer werden die bevorstehende Marktbereinigung überstehen. Eine Reduzierung auf bis zu zehn größere Automobilhersteller (OEM) ist möglich - mit Tesla auf dem Weg in diese Gruppe. Der attraktive CASE-Zukunftsmarkt wird unter diesen Überlebenden aufgeteilt (Connected, Autonomous, Shared, Electric).

Nach einer Durststrecke, die bereits 2015 bedingt durch hohe Investitionen in die Zukunft begann, wirkt die aktuelle Krise wie ein Beschleuniger. Mit den richtigen Anreizen können die Herausforderungen jedoch zur Transformation der gesamten Branche beitragen. "Wir erleben einen nie dagewesenen Einbruch am Automobilmarkt. Die Absatzzahlen liegen unter denen nach der Finanzkrise 2008. Selbst das Niveau von 2019 werden europäische OEMs bis 2025 nicht erreichen. Nun heißt es im Sinne von Darwin: Nur die Starken können gewinnen", so Dr. Elmar Kades, Global Co-Lead Automotive und Managing Director bei AlixPartners.

Für die Studie hat die global agierende Beratung in den vergangenen Monaten die Bilanzen von mehr als 300 Automobilherstellern und -zulieferern ausgewertet sowie eine Vielzahl von Experteninterviews und Verbraucherumfragen durchgeführt. Die Covid-19-getriebene Rezession wird die Gesamtkapitalrendite im laufenden Jahr ins Negative stürzen lassen. Fünfzig große Hersteller und Zulieferer in den USA und Europa haben im laufenden Jahr bereits angekündigt, zusätzlich 72 Mrd. USD Schulden aufzunehmen. Das entspricht einem Anstieg von 23%, ausgehend vom Rekordniveau in Höhe von 318 Mrd. USD 2019. "Die globalen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sind im Jahr 2020 so dramatisch, als wäre ein Markt von der Größe Europas über Nacht verschwunden", sagt Jens Haas, Managing Director und Restrukturierungsexperte bei AlixPartners.

"Jetzt ist die Zeit, alles infrage zu stellen. OEMs müssen die Modellvielfalt reduzieren und sich gleichzeitig von Mitbewerbern differenzieren. Kluge Investitionen in Technologie und die Optimierung der Lieferketten sind ebenso nötig wie die Digitalisierung in Vertrieb, Produktion und Verwaltung", so Elmar Kades.

Die Studienautoren sehen die Chance, Nachhaltigkeitsziele jetzt nicht zu vernachlässigen, sondern staatliche Subventionen und Regulierungen gezielt dafür einzusetzen. "Die Regierungen in Europa spielen eine verantwortungsvolle Rolle. Das am 3. Juni verabschiedete Konjunkturpaket in Deutschland setzt mit einer Prämie für E-Autos wichtige Impulse. Eine Subvention alter Technologien wäre ein Fehler gewesen", sagt Marcus Kleinfeld, Managing Director bei AlixPartners. Würde Elektromobilität nicht gefördert, kaufen Verbraucher kurzfristig preiswerte Verbrenner. Diese sind derzeit noch günstiger in der Anschaffung und der derzeit niedrige Ölpreis beeinflusst ebenfalls das Kaufverhalten. Finanzielle Anreize müssen diesen Nachteil ausgleichen, um Käufer zu überzeugen.

Mit dem European Green Deal hat die Europäische Kommission das Ziel gesetzt, in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen bis 2050 auf null zu reduzieren. Wenn Strafen für zu hohe CO2-Werte krisenbedingt ausgesetzt werden, kann dies umfangreiche Auswirkungen auf das Verhalten der Hersteller haben. Nach aktuellem Stand wäre es für die meisten Hersteller unmöglich, die Ziele für 2021 zu erreichen - der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro Fahrzeug wäre um 21% zu senken. Die für 2020 bis 2024 angekündigten Investitionen in Elektromobilität in Höhe von 234 Mrd. USD erscheinen in einem Markt massiv geschrumpfter Umsätze und geringerer Liquidität unwahrscheinlich. Gerade OEMs werden Investitionen hinauszögern, da ein geringes Volumen pro E-Modell die Rentabilität beeinträchtigt. Da die staatlichen CO2-Sanktionen mittelfristig in Kraft treten, kann die Krise den Elektrotrend jedoch nur verzögern, nicht stoppen. Der Anteil der E-Autos am globalen Markt wird von 3% 2019 auf 25% im Jahr 2030 steigen.

Eine beschleunigte Digitalisierung legt den Grundstein für neue Geschäftsmodelle der Hersteller. Zudem sind weitere Fusionen und Übernahmen sowie Partnerschaften notwendig. 2019 wurden beispielsweise 141 neue Partnerschaften in der Branche bekannt gegeben. Das entspricht einer Steigerung von 26% im Vergleich zum Vorjahr. Davon fanden mit 137 die meisten Kooperationen im Bereich der CASE-Technologien statt.

"Die Automobilbranche steht vor einem tiefgreifenden Wandel, der mit der Entwicklung von E-Autos allein nicht abgeschlossen ist. Produzenten müssen dorthin gehen, wo es 'schmerzt' und zusätzlich zum akuten Krisenmanagement Entscheidungen für die Zukunft ihrer Unternehmen treffen. Jetzt werden alle Fehlentscheidungen der Vergangenheit und verkrustete Strukturen aufgedeckt. Die Überlebenden der Krise gehen mit neuen, oftmals digitalen Geschäftsmodellen und schlanken Produktportfolios voran. Für die nahe Zukunft bedeutet das eine beschleunigte Transformation und Kostendisziplin", so Kades.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /