© PHI / Profö Wolfgang Feist
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"Wir können das noch schaffen!"

Richtige Entscheidungen sind notwendig: Verbesserte Energieeffizienz bei Gebäuden, Wandel bei Mobilität und Energie

Darmstadt - „Wir können die Klimakrise noch aufhalten. Dazu müssen wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen und dann auch danach handeln,“ so Prof. Wolfgang Feist am Start eines Online-Pressegesprächs, das vom Passivhaus Institut gemeinsam mit den Netzwerken IG Passivhaus, Passivhaus Austria und international Passive House Association abgehalten wurde. Der Gründer des Passivhaus Instituts wies dabei auch auf Parallelen zwischen der Coronakrise und der Klimakrise hin.

Feist zeigte auf, wie eine verbesserte Energieeffizienz bei Gebäuden sowie ein deutlicher Wandel in den Bereichen Mobilität und Energie die gefährlichen Ausmaße des Klimawandels noch aufhalten können. „Business as usual, so weitermachen wie bisher, das geht nicht! Das CO2, das die Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten ansteigen lässt, ist schon vor vielen Jahren emittiert worden.“

Wie bei einer Infektion mit dem COVID-19-Virus treten auch in der Klimakrise die Symptome mit Verzögerung auf. Im Gegensatz zur Coronakrise, bei der „nur“ vier oder fünf Prozent der Bevölkerung ernsthaft betroffen seien, werde der Klimawandel jedoch über 60 Prozent der Bevölkerung negativ betreffen und die gesamte Zivilisation gefährden, erläuterte Feist.„Katastrophalste Auswirkungen vermeiden!“„Die Vergangenheit können wir nicht ändern, aber die Zukunft! Daher müssen wir jetzt starten, um die katastrophalsten Auswirkungen des Klimawandels noch zu vermeiden. Wir müssen uns wirklich anstrengen,aber wir können das noch schaffen!“

Positiv beurteilte Feist, dass in Deutschland mit einer bedeutend gewachsenen Wirtschaftsleistung seit 1990, auch bei wesentlich mehr Flügen, gefahrenen Kilometern etc. der Verbrauch an Primärenergie gesunken ist, vor allem seit dem Jahr 2000. „Das ist primär einErgebnis verbesserter Effizienz. Und das muss auch positiv kommuniziert werden.“

Erneuerbare Energie ausbauen

Feist ermunterte dazu, diese positive Entwicklung zu intensivieren, unter anderem den Ausbau erneuerbarer Energie. Der größte Anteil an Energie werdefür Gebäudeheizung und den Verkehr verbraucht. „Daher sind die Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektrotraktion sowie energieeffiziente Gebäude entscheidender Teil der Lösung für mehr Klimaschutz“.

Positiv überrascht habe ihn der European Green Deal der Europäischen Union: „Die EU hat offensichtlich verstanden, dass im Klimaschutz und dem Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft auch ein großes wirtschaftliches Potentialsteckt. Das ist eine große Chance für Europa!“, sagte Feist.

„Wärme im Passivhaus hält 14 Tage!“

Der Physiker zeigte am Beispiel des weltweit ersten Passivhauses in Darmstadt auf, wie drastisch der Bedarf für Heizwärme sinkt, wenn das Gebäude effizient gebaut wird. Durch di efünf Prinzipien –gute Dämmung, dreifach verglaste Fenster, Vermeidung von Wärmebrücken, luftdichte Gebäudehüllesowie die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung – benötigt ein Passivhaus im Winter nur extrem wenig Energie zum Heizen. „In einem Passivhaus hält sich die Wärme 10 bis 14 Tage, weil sie nur ganz langsam entweicht. Analog dazu sinkt in warmen Klimaten der Bedarf an Kühlenergie“, erläuterte Feist.

Weniger Energie nötig

Der Gründer des Passivhaus Institutse entwickelte Ende der meuzehnhundertachtziger Jahre den Passivhaus-Standard undbaute daraufhin 1991 mit seiner Familie das weltweit erste Passivhaus in Darmstadt. Messungen im Objekt belegen, dass dieses Passivhaus mit einem jährlichen Heizwärmeverbrauch von durchschnittlich 8,4 kWh pro Quadratmeter und Jahr rund 87 Prozent weniger Energie verbraucht als ein herkömmliches Gebäude. Auch nach über 25 Jahren noch. „Das spricht für die Langlebigkeit der Komponenten, die auch in einer Studie belegt wird“, erklärte Feist.

Die Wärmerückgewinnung macht‘s
Es gebe noch immer Vorurteile gegen eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, da diese angeblich viel Strom verbrauche. „Doch der Einsatz von 10 oder 20 Watt für die Lüftungsanlage, die frische und vorgewärmte Luft ins Haus bringt, ist nur ein Bruchteil dessen, was an Energie wieder zugeführt werden muss, wenn der Luftaustausch ohne Wärmerückgewinnung geschieht. Das sind mehrere Hundert Watt“,erläuterte Feist.Zudem erhöhe eine Lüftungsanlage den Wohnkomfort.

Lüftungsanlage vorteilhaft

Aus dem Kreis der internationalen Teilnehmer der Pressekonferenz kam die Frage, ob eine Lüftungsanlage auch in Zeiten von Corona Vorteile bedeute. Feists Antwort: Ein eindeutiges „Ja!“

Zur Erläuterung: Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung bringt frische, hygienische Luft ins Haus, keine umgewälzte Umluft. Zudem sind für Passivhäuser zertifizierte Anlagen grundsätzlich mit einem hocheffizienten Feinstaubfilter ausgerüstet. „Der hält sogar deutlich mehr Keime zurück als übliche Gesichtsmasken.Passivhäuser sind daher auch gut für die Gesundheit!“, erklärte Feist .Angeboten wurden die internationalen Pressekonferenzen vom Passivhaus Institut zusammen mit den Netzwerken IG Passivhaus, Passivhaus Austria undinternational Passive House Association.

Effizienz und Erneuerbare

Als Traumpaa rbezeichnete Feist die Kombination von Energieeffizienz des Gebäudes mit der Erzeugung erneuerbarer Energie. „Wenn die Gebäude nur nochsehr wenig Energie verbrauchen, dann kann ein so geringer Energiebedarf leicht mit regenerativer Energie gedeckt werden.“ Auch das Pilotprojekt in Darmstadt, in dem Feist bis heute mit seiner Familie wohnt, erhielt vor vier Jahren nachträglich eineMini-Split-Wärmepumpe zum Heizen und Kühlen sowie eine Photovoltaikanlage. Bilanziell gesehen produziert das weltweit erste Passivhaus übers Jahr gesehen mehr Energie, als das Gebäude und seine Bewohner benötigen.

Zukunft nachhaltig bauen
Allgemein anerkannt ist die Tatsache, dass für einen klimaneutralen Gebäudebestand die Sanierungsrate gesteigert werdenmuss. Feist stellte ein Mehrfamilienhaus in Nürnberg vor, das nach dem vom Passivhaus Institut entwickelten Ener PHit-Standard mit Passivhaus-Komponenten modernisiert wurde. „Die sanierten Wohnungen haben anschließend nur noch einen Heizwärmebedarf von rund 25 kWh/(m² a) anstatt zuvor über 200 kWh/(m² a). Wenn dann noch vermehrt Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen zum Einsatz kommen, dann wird die Zukunft nachhaltig gebaut“, so Feist.

In allen Klimaten umsetzbar

Er erläuterte weiter, dass der Passivhaus-Standard in allen Klimaten umgesetzt werden kann. Auf große Nationen wie China könne dabei nicht verzichtet werden. Erfreulicherweise werden gerade in China ganze Viertel im Passivhaus-Standard gebaut, darunter auch die Bahnstadt in Gaobeidian mit mehr als einer Million Quadratmeter an zertifizierter Passivhaus-Wohnfläche.

Feist verdeutlichte in den internationalen Pressegesprächen, dass es auf jeden Fall einen Klimawandel geben wird. "Die Vergangenheit können wir nicht ändern, aber die Zukunft! Daher müssen wir jetzt starten, um die katastrophalsten Auswirkungen des Klimawandels noch zu vermeiden. Wir können das noch schaffen!“ Der Physiker legte zudem dar, wie eine verbesserte Energieeffizienz bei Gebäuden sowie ein deutlicher Wandel in den Bereichen Mobilität und Energie die gefährlichen Ausmaße des Klimawandels noch aufhalten können.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /