© Bernd Lauter / Greenpeace  - Protestaktion gegen den weiteren Kohleabbau
© Bernd Lauter / Greenpeace - Protestaktion gegen den weiteren Kohleabbau

Offener Brief an den deutschen Botschafter in Wien

In Solidariät mit den Aktivist_innen im Hambacher Forst - Klima retten statt Bäume roden!

Sehr geehrter Herr Botschafter,

von Österreich aus betrachten wir mit größter Sorge den brutalen Polizeieinsatz gegen friedliche Bürger_innen im Hambacher Forst, die sich für etwas einsetzen, das letztlich die Zukunft von uns allen und damit auch von Ihnen betrifft: Klimaschutz und intakte alte Wälder. Es ist die Braunkohle, die dort abgebaut wird, deren Verbrennung eine der Hauptquellen jenes CO2 darstellt, das den Klimawandel hervorruft. Es sind die alten Wälder, die dort abgeholzt werden, die das CO2 aus der Luft holen, das die Menschheit in der Atmosphäre fahrlässig in unfassbarem Ausmaß deponiert. In Hambach bei Köln soll wird wahnwitziger Weise tatsächlich ein alter Wald abgeholzt, um Platz für den Abbau von Braunkohle zu schaffen! Und das zu einer Zeit, in der längst den verbohrtesten Neoliberalen klar sein muss, dass CO2 einen Klimawandel verursacht, der uns alle in den Abgrund reißen wird. Und deshalb geht dieses Vorgehen der deutschen Behörden im Hambacher Forst auch uns in Österreich an. Das CO2 von dort wird an der Grenze nicht halt machen.

Die Auswirkungen des Klimawandels sind überall zu spüren. Sie betreffen auch in großem Ausmaß Tiere, deren Schutz wir vom Verein Gegen Tierfabriken uns verschrieben haben. Ich bitte Sie daher sehr, Ihren Einfluss zu nutzen, diese Aktion abzublasen und dem Klimaschutz Vorrang zu geben. Und 350 Jahre alte Wälder wachsen nicht in wenigen Jahren nach. Sie brauchen 350 Jahre dafür. Diese Abholzung ist an sich also schon keine Kleinigkeit. In Deutschland gibt es praktisch keine so alten Wälder mehr, damit wird also ein Naturerbe zerstört, das man den nächsten Generationen einfach raubt, ohne sie vorher zu fragen. Auch die Wildtiergemeinschaften, die in diesem Wald leben, werden getötet und ausgerottet, um Braunkohle Platz zu machen! Selbst in China geht man mit großen Schritten von der Braunkohle ab. Es darf doch nicht wahr sein, dass Deutschland da hinterher hinkt!

Als Obmann einer NGO, die sich seit 3 Jahrzehnten aktivistisch für die Tiere einsetzt, habe ich aber noch ein weiteres Anliegen in dieser Sache. Menschen, die sich für Tier- und Naturschutz engagieren, sind unsere große, vielleicht letzte Hoffnung für die Zukunft. Das sind Menschen, die ihre eigenen persönlichen Interessen zurückstellen, um das Allgemeinwohl nicht nur ihrer eigenen Art zu fördern. Solche Menschen sind in Zeiten rechtspopulistischen, nationalistischen Gegröhles ein unbezahlbares Gegengewicht, das mit allen Mitteln gefördert werden muss. Und versetzen Sie sich nun bitte in die Situation der Bewohner_innen dieser Baumhäuser im Hambacher Forst. Einige dieser mutigen Menschen leben dort schon Jahre unter diesen alten Bäumen, sie halten in völlig altruistischer Weise ihren Kopf hin und riskieren ihre körperliche und finanzielle Sicherheit für eine sehr wichtige und gute Sache, nämlich für die Rettung von uns und letztlich auch Ihnen, Herr Botschafter, vom Klimakollaps. Und gegen diese Menschen werden nun Polizeikräfte mit Wasserwerfern und Reizgas aufgefahren, diesen Menschen wird ihr Hab und Gut zerstört, ihr Zuhause genommen. Sie werden festgenommen, weg gesperrt und bestraft. Was macht das mit einem, wenn das Gewaltmonopol des Staates so brutal vorgeht? Haben Sie sich das schon einmal gefragt, Herr Botschafter?

In Österreich wollte im Jahr 1984 eine Firma ein Wasserkraftwerk mitten in einen alten Wald stellen, in die Stopfenreuther Au 50 km östlich von Wien an der Donau. Damals habe auch ich mich an der Besetzung dieses Waldes beteiligt, um ihn zu retten. Auch dort haben wir Lager gebaut, Blockaden errichtet und zu wohnen begonnen, etwa 7000 Menschen. Damals kam auch die Staatsmacht und versuchte, uns aus dem Wald zu prügeln. Doch dann kehrte Vernunft ein. Der damalige Bundeskanzler Sinowatz zeigte sich diskussionsbereit und heute ist der Wald als Nationalpark geschützt. Diese Besetzung war der Beginn einer neuen Einstellung zu Natur und Umwelt in Österreich, die uns allen große Vorteile gebracht hat. Warum soll Ähnliches nun nicht auch im Hambacher Forst möglich sein? Man darf derartige Anliegen und ein derartiges Engagement niemals mit Brachialgewalt zerschlagen. Es muss eine einvernehmliche Lösung gesucht werden, immerhin geht es einerseits um ein 350 Jahre altes Naturerbe, das niemand das Recht hat zu zerstören, und es geht andererseits um die Klimazukunft letztlich der gesamten Erde.

Bitte setzen Sie sich für ein Ende des Polizeieinsatzes und für eine friedliche und einvernehmliche Lösung im Sinne der heutigen aber auch zukünftiger Generationen ein!

Hochachtungsvoll,

DDr. Martin Balluch, Obmann des VGT Österreich


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /