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Standortentwicklungsgesetz: Regierung will auch Gerichte entmündigen

Ministerialentwurf viel schlimmer als bisher bekannt

Wien - Die Umweltorganisation VIRUS verstärkt ihre Warnungen vor dem geplanten Standortentwicklungsgesetz. UVP-Experte Wolfgang Rehm: "Nach wiederholtem großen Trara in mehreren Ministerratssitzungen liegt jetzt endlich der eigentliche Gesetzesentwurf vor. Es stellt sich nun heraus, dass sich die Bundesregierung nicht nur einen Ausschaltknopf mit Genehmigungsgarantie für UVP-Verfahren verschaffen, sondern neben den Behörden auch die Gerichte entmündigen will. Der Zugang zum Bundesverwaltungsgericht soll faktisch abgeschafft und der Rechtsschutz ausgehebelt werden"

Davon sei im Ministerratsvortrag keine Rede gewesen. "Geht es nach der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, Frau Schramböck, so würde das Beschwerderecht gegen einen Bescheid, der nach den Bestimmungen des Standortentwicklungsgesetzes zustandegekommen ist, an das Vorliegen einer Rechtsfrage grundlegender Bedeutung geknüpft und damit faktisch ausgeschaltet, so etwas gibt es bisher nur auf höchstgerichtlicher Ebene beim Verwaltungsgerichtshof dort aber unter nicht übertragbaren Voraussetzungen", kritisiert Rehm. Wird eine Beschwerde eingebracht, dann dürfte das Bundesverwaltungsgericht keine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen, und müsste nach spätestens drei Monaten über Beschwerden entscheiden. "Dies bedeutete in der Praxis, dass das Bundesverwaltungsgericht in derartigen Fällen nicht mehr ermitteln, keine Nachforderungen an Projektwerber stellen und dazu Sachverständigengutachten einholen kann, vom erforderlichen Parteiengehör gar nicht zu reden. Damit könnte das Bundesverwaltungsgericht die Funktion, zu der es geschaffen wurde, nämlich Behördenentscheidungen inhaltlich zu überprüfen, nicht mehr ausüben", erläutert Rehm. Dieser § 12 sei ebenso rechtswidrig, wie der gesamte mit weiteren Rechtswidrigkeiten gespickte Entwurf selbst. Mit dem § 11 des Gesetzesentwurfs werde nicht nur die von der Bundesregierung angestrebte Genehmigungsautomatik in Textform gegossen, sondern auch entgegen den öffentlich und in den Erläuterungen vorgenommenen Ankündigungen massiv in Parteienrechte eingegriffen. Obwohl das StEG nur für UVP Projekte gelten soll, sei es nicht im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz implementiert, sondern als eigenes Gesetz. Damit wird der schon vorher in Begutachtung befindliche UVP-Gesetzesentwurf, der mit dreijähriger Verspätung auch die neue EU-Richtlinie zur UVP umsetzen soll, auf das Abstellgleis geschoben. "Es wäre also höchste Zeit für die zuständige Bundesministerin Köstinger im Sinne des Umweltschutzes diesem Übergriff Einhalt zu gebieten", fordert Rehm.

An weiteren Ingredienzien enthalte der Entwurf eine von sechs Ministern bestellte Standortentwicklungskommission, die an das Amtsgeheimnis gebunden sei es gebe aber keine klaren Entscheidungsgrundlagen. " So kann jedes Wunschprojekt geheim auf die Diplomatenspur gehoben werden, eine Obergrenze für die Zahl der Projekte ist nicht vorgesehen die Ausnahme soll also bei den zahlreichen Prestigeprojekten zur Regel werden," kritisiert Rehm.

Das Standortentwicklungsgesetz sei somit wohl der größte Anschlag auf die Rechtsstaatlichkeit den die Zweite Republik erlebt habe. "Ich fühle mich durch die dahinterstehende plump-perfide Vorgangsweise an meinen Einstieg in den Umweltschutz zu Hainburg-Zeiten erinnert", so Rehm. Offenbar wolle die Bundesregierung Österreich in die längst überwunden geglaubte Zeit zurückbeamen, wo mit der Erklärung zum "bevorzugten Wasserbau" Parteienrechte ausgeschaltet wurden und 1984 ein Landesrat, der per Weisung entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung die Ausstellung eines positiven Bescheides erzwungen hatte, als "Umweltverbrecher" tituliert worden sei. Dies sei nicht der erste Versuch ein Konstrukt wie den "bevorzugten Wasserbau" wieder heraufzubeschwören aber das Standortentwicklungsgesetz könnte, weil es neben Parteien auch Behörden und die mittlerweile geschaffenen Verwaltungsgerichte ausschalten noch viel schlimmere Auswirkungen zeitigen. "Aufgrund der Rechtswidrigkeiten wird dieses Gesetz früher oder später der Bundesregierung um die Ohren fliegen, aber bis die zuständigen Höchstgerichte darüber entscheiden können vergeht eine lange Zeit der Rechtsunsicherheit. Vorher die Vernunft wieder einzuschalten und auf die Umsetzung des Entwurfs zu verzichten wäre der bessere Weg", appelliert Rehm abschließend.


Artikel Online geschaltet von: / stevanov /