© Sharon Ang / Burger
© Sharon Ang / Burger

Appell zum Tag der Lebensmittelverschwendung: Essen darf nicht für den Mist sein

Alle seit Jahresbeginn produzierten Lebensmittel landen rechnerisch im Müll – WWF Österreich fordert Aktionsplan der Bundesregierung und gibt Tipps für Konsumenten und Handel

Wien - Der 2. Mai ist Tag der Lebensmittelverschwendung: Alle Lebensmittel, die seit Jahresbeginn produziert wurden, landen rechnerisch ungenutzt im Müll. „Essen darf nicht für den Mist sein. Das ist eine skandalöse Verschwendung von Ressourcen“, warnt Julia Haslinger, WWF-Expertin für nachhaltige Ernährung. Eine Studie des WWF zeichnet ein klares Bild der aktuellen Situation und liefert neue Daten und Fakten. Von der Bundesregierung fordert der WWF Österreich einen konkreten Aktionsplan, um die Zahl der vermeidbaren Lebensmittelabfälle zu halbieren.

Ein Drittel der produzierten Lebensmittel geht entlang der gesamten Wertschöpfungskette verloren, vom Feld bis zum Teller. Global gesehen entspricht das ca. 1,3 Milliarden Tonnen. In Österreich fallen jährlich rund 577.000 Tonnen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen an. „Österreich schmeißt jährlich so viel an genießbaren Lebensmitteln weg, wie die gesamte Kärntner Bevölkerung isst“, erläutert Expertin Haslinger unter Verweis auf das Studienupdate des WWF, „Frisch verfault: Lebensmittelverschwendung in Österreich“, abrufbar unter: www.wwf.at/presse.

Die meisten noch genießbaren Lebensmittel werden mit 206.000 Tonnen in den Haushalten weggeworfen. Aufgrund von falscher Lagerung und Fehlinterpretationen des Mindesthaltbarkeitsdatums kommt es hier zu enormen Verschwendungen. Dicht gefolgt mit insgesamt 175.000 Tonnen liegt die Außer-Haus-Verpflegung, also Betriebskantinen, Restaurants und Caterer. In der Produktion fallen jährlich 121.800 Tonnen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen an. Fast ein Drittel davon ist hier dem Handel zuzurechnen, da es sich dabei um Retourware handelt, die nicht verkauft und an die Produktion zurückgestellt wird. Der Einzelhandel selbst belegt mit 74.100 Tonnen nur Platz 4, was Lebensmittelverschwendung betrifft. Für die Bereiche Landwirtschaft und Großhandel sind nach wie vor keine gesicherten Zahlen und Studien vorhanden. „Die tatsächlichen Lebensmittelabfälle sind daher noch deutlich höher“, warnt Haslinger.

Lebensmittelverschwendung ist nicht nur teuer, sondern hat auch Folgen für die Umwelt. „Für Produktion, Transport und Verpackung von Lebensmitteln werden beispielsweise Böden ausgelaugt, wird Wasser verbraucht und viel CO2 emittiert, nur damit diese dann ungenutzt wieder im Müll landen“, zeigt Haslinger das Problem auf. Dabei ist Verlust ist nicht gleich Verlust. Die Ökobilanz einer entsorgten Ananas aus Costa Rica, die mit großem Energieaufwand eingeflogen wurde, ist natürlich deutlich schlechter als jene einer entsorgten Birne aus dem eigenen Garten. Bis ein Kilo Bohnen aus Kenia auf unseren Tellern landet, werden fast fünf Liter Erdöl verbraucht. Am stärksten belastet die Umwelt das Wegwerfen von Fleisch, weil dessen Produktion besonders viele Ressourcen braucht: In einem Kilo Fleisch stecken zwischen sechs und 16 Kilo Futtermittel. „Eine Reduktion des Fleischkonsums und ein gleichzeitiger Umstieg auf qualitativ hochwertigeres Fleisch – am besten bio und regional - wäre dringend notwendig“, erklärt Haslinger.

„Es ist ein Skandal, dass der Tag der Lebensmittelverschwendung so weit im Jahr liegt. Daher sollten wir alle gemeinsam anpacken und diesen Tag weiter nach vorne rücken“, sagt Haslinger, die alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette zum Handeln aufruft.

Für Landwirtschaft und Großhandel braucht es dringend gesicherte Zahlen und Studien, die das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung aufarbeiten.

Im Einzelhandel müssen Handelsklassen und Normen flexibler als bisher gehandhabt werden und freie Retourwaren abgeschafft werden. In Richtung Ladenschluss helfen kleinere Gebäcksortimente gegen Lebensmittelverschwendung, wobei dies auch von den Konsumenten stärker akzeptiert werden sollte. Ware vom Vortag sollte öfter vergünstigt verkauft und nicht mehr verkäufliche Lebensmittel an soziale Einrichtungen weitergeben werden.

In der Produktion muss mehr Bewusstsein für die Lebensmittelverschwendung beim Personal geschaffen werden und müssen Rohstoffe und Nebenprodukte weiterverarbeitet werden.

In der Außer-Haus Verpflegung muss die Menügestaltung flexibilisiert werden und braucht es variable Portionsgrößen im Angebot. Wer zum Beispiel anstatt auf Buffets auf à la carte setzt, vermeidet Lebensmittelabfälle. Auch das Küchenpersonal muss besser auf effiziente Verarbeitung und alternative Verwertungsmöglichkeiten geschult werden.

Im Haushalt kann jeder Konsument einen Beitrag leisten und Lebensmittel bewusster einkaufen und verwerten. Die WWF-Tipps sind:

Bewusst Einkaufen: Im Voraus überlegen, welche Lebensmittel tatsächlich benötigt werden. Bei Großpackungen und Mengenrabatten lieber zweimal nachdenken, ob der Kauf wirklich Sinn macht.

Richtig lagern: Lebensmittel sollten entsprechend den Empfehlungen gelagert werden. Neue Einkäufe werden im Kühl- und Küchenschrank am besten hinten verstaut. Essensreste halten in luftdichten Behältern länger frisch. Nicht jedes Gemüse muss in den Kühlschrank.

Haltbarkeit beachten: Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bereits abgelaufen ist, können oft noch problemlos konsumiert werden. Zuerst testen, ob abgelaufene Produkte wirklich nicht mehr genießbar sind, bevor sie im Müll landen.

Kreativ verwerten: Aus Essensresten können neue Gerichte kreiert werden. Auch überreife Früchte oder altbackenes Brot lassen sich weiterverarbeiten. Viele Reste eignen sich zum Einfrieren und Wiederauftauen.

Von der Bundesregierung fordert der WWF einen konkreten österreichweiten Aktionsplan, damit die vermeidbaren Lebensmittelabfälle bis 2030 tatsächlich um die Hälfte reduziert werden können.

Klare Strategien: Verbindliche Maßnahmenpakete und Reduktionsziele für alle betroffenen Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette („vom Feld bis zum Teller“), sowie die Evaluierung bestehender Gesetze und Fördersysteme.

Klare Daten: Flächendeckende regelmäßige Datenerhebung sowie ein jährlicher Bericht zur Einhaltung der Reduktionsziele.

Klare Zuständigkeiten statt Zersplitterung: eine einzige verantwortliche Koordinierungsstelle anstatt der jetzigen Aufteilung des Bereichs auf mehrere Ministerien.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /