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Japan: Schilddrüsenkrebsfälle nehmen weiter zu

7 Jahre Super-GAU von Fukushima: Gesundheitliche Folgen bei Kindern besonders dramatisch

Sieben Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima werden die gesundheitlichen Folgen für die Menschen in den verstrahlten Gebieten immer deutlicher. Darauf weist die Ärzteorganisation IPPNW anlässlich des siebten Jahrestages hin. Seit dem Jahr 2011 stellte die Fukushima Medical University (FMU) in Reihenuntersuchungen bei 194 Kindern in der Feinnadelbiopsie Krebszellen fest. 159 von ihnen mussten aufgrund eines rasanten Tumorwachstums, einer ausgeprägten Metastasierung oder einer Gefährdung vitaler Organe mittlerweile operiert werden. In 158 Fällen bestätigte sich die Verdachtsdiagnose „Schilddrüsenkrebs“, in nur einem Fall lag ein gutartiger Tumor vor. 35 Kinder warten weiterhin auf eine Operation.

Besorgniserregend ist vor allem die Tatsache, dass zwischen Erst- und Zweituntersuchung, also in einem Zeitraum von nur zwei Jahren, 50 neue Krebsfälle detektiert wurden. Bei einer bislang untersuchten Bevölkerung von rund 270.000 Kindern entspricht dies einer Neuerkrankungsrate von etwa 9 Fällen pro 100.000 Kindern pro Jahr. Noch stehen rund 30% aller Ergebnisse aus; sollte sich dieser Trend jedoch bestätigen, würde dies einem rund 26-fachen Anstieg der Neuerkrankungsrate entsprechen. Dieses Ergebnis lässt sich aufgrund der eindeutigen Voruntersuchungen aller Patienten nicht durch einen Screening-Effekt erklären oder relativieren. Auch zeigt sich mittlerweile eine geographische Verteilung der Schilddrüsenkrebsfälle in Fukushima, mit den höchsten Raten an Neuerkrankungen in den Regionen, die 2011 am stärksten radioaktiv verstrahlt wurden.

Der Kinderarzt und IPPNW-Vorsitzende Dr. Alex Rosen weist angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklungen darauf hin, dass Schilddrüsenkrebs trotz der relativ guten Behandlungsmöglichkeiten keine Bagatellerkrankung ist und mit schwerwiegenden Einschränkungen der Lebensqualität und der Gesundheit einhergehen kann. Laut einer Studie der japanischen Stiftung für Kinder mit Schilddrüsenkrebs hatten zudem bereits knapp 10% der operierten SchilddrüsenkrebspatientInnen Rezidive, also neue Krebsgeschwüre, die erneut operativ entfernt werden mussten: bei 8 von 84 betreuten Kindern aus der Präfektur Fukushima kam der Krebs innerhalb weniger Jahre wieder.

Dr. Rosen kritisiert zudem die aktuellen Bestrebungen in Japan, die Schilddrüsenuntersuchungen zu reduzieren und ggf. ganz einzustellen. So sollen die Untersuchungsintervalle entgegen ursprünglicher Pläne und Ankündigungen ab dem 25. Lebensjahr von 2 auf 5 Jahre ausgeweitet werden. Zudem wurde bekannt, dass MitarbeiterInnen der Fukushima Medical University Schulen besuchen, um dort Kinder über deren „Recht auf Nichtteilnahme“ und „Recht auf Nichtwissen“ aufzuklären. Rosen dazu: „Es wird neben Schilddrüsenkrebs auch mit einem Anstieg weiterer Krebsarten und anderer Erkrankungen gerechnet, die durch ionisierte Strahlung ausgelöst oder negativ beeinflusst werden. Die Schilddrüsenuntersuchungen der FMU stellen die einzigen wissenschaftlichen Reihenuntersuchungen dar, die überhaupt relevante Aufschlüsse über die gesundheitlichen Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima liefern können. Und sie laufen derzeit Gefahr, von den Befürwortern der Atomenergie in Japan unterminiert zu werden.“

Einen ausführlichen Artikel von Dr. Alex Rosen zu Schilddrüsenkrebs in Fukushima finden Sie hier


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /