© Pok Rie- pexels.com
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Energiesysteme müssen gesamtheitlich betrachtet werden

Forum Versorgungssicherheit: Energiewende braucht Rahmenbedingungen, die mit technologischer Weiterentwicklung Schritt halten

"Wie steht es um die Versorgungssicherheit in Österreich? Mit welchen Herausforderungen sind die Stromnetze der Zukunft konfrontiert und welche Rahmenbedingungen muss die Politik dafür schaffen?" Diese Fragen diskutierte Brigitte Ederer, Sprecherin und Vorstandsvorsitzende des Forums Versorgungssicherheit mit Expertinnen und Experten aus dem Energiebereich im Rahmen von "Standpunkte: Energienetze der Zukunft - Voraussetzungen, Forderungen, Visionen", einer Diskussionsveranstaltung des Forum Versorgunssicherheit in Kooperation mit der Tageszeitung Der Standard.

Der gesamte Energiebereich befindet sich in einem grundlegenden Umbruch, die technologischen Entwicklungen verändern das Energiesystem weitreichend. Es ist kaum abschätzbar, wie es sich in 10 Jahren verändern wird. Daher muss das Energiesystem auch gesamtheitlich betrachtet werden, herrschte Einigung am Podium. Für Ederer kann die Bedeutung der Versorgungssicherheit für den Wirtschaftsstandort Österreich nicht genug betont werden, auch die Netze müssten auf die Veränderungen reagieren können. "Erneuerbare Energieträger machen das Netz volatiler. Darum sollten die Netzbetreiber auch selbst Strom speichern dürfen - nicht um Strom zu handeln, sondern, um im Fall einer Dunkelflaute die Netzstabilität aufrechterhalten zu können."

Neue Technologien sind eine Chance

Das Netz werde komplexer, betonte auch Peter Weinelt, Generaldirektor-Stellvertreter der Wiener Stadtwerke GmbH, "und wir haben vergessen, dass auch die Infrastruktur mitwachsen muss". Anfang der 1990er-Jahre habe es im Bereich der Wiener Netze zwischen 15 und 20 Einspeiser gegeben, mittlerweile gingen die Einspeisungen bereits in das Tausendfache. Für eine gesamtheitliche Herangehensweise sei die Sektorenkoppelung daher unverzichtbar, so Weinelt, Gas und Wärme müssten daher mit betrachtet werden. "Wir müssen die Lücken schließen. So ist juristisch immer noch nicht klar, wer für die übergreifende Versorgungssicherheit mit neuen Playern am Markt überhaupt zuständig ist."

Josef Plank, Generalsekretär des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus, ist sich dessen bewusst, "dass die regulatorischen Bestimmungen aus der Vergangenheit kommen und der Realität immer hinterher hinken". Bei der integrierten Klima- und Energiestrategie, die derzeit von der Regierung erarbeitet wird, sei daher ein gesamtheitlicher Blick notwendig, denn alle Beteiligten würden sehr schnell nur jeweils den eigenen Bereich sehen - es gelte jedenfalls, auch den Gesamtenergieverbrauch zu senken. Hinzu kommt: "Unser Energiesystem ist extrem abhängig von politisch instabilen Regionen, dazu kommt, dass diese Energiegewinnung weit entfernt von Nachhaltigkeit ist", so Plank. Die dramatische Klimaveränderung erfordert engagiertes Handeln. Neue Technologien - insbesondere erneuerbare Energien - tragen gut geplant und optimal eingesetzt zur Problemlösung bei."

Dezentrale Stromerzeugung - eine Herausforderung

Eine mögliche Lösung für die Probleme, die durch die massive Integration dezentraler Stromerzeugung entstehen, beschrieb Albana Ilo, die als Assistenzprofessorin für Energietechnik an der TU Wien eine neue technische Gesamtlösung für die Stromversorgungsnetze entwickelt hat. Die "LINK"-Lösung organisiert die Verwaltung von Netzen, Stromerzeugung, Energiespeichern und Verbrauchern neu, indem das gesamte System in klar definierte Einheiten ("Links") unterteilt wird, die jeweils ein eigenes Steuerungssystem und klar definierte Schnittstellen zu ihrer Nachbareinheit aufweisen. "Dies sollte zu einer einfacheren und automatisierten Elektrizitätswirtschaft führen, die Stabilität erhöhen und Datenschutzprobleme lösen", erläutert Ilo.

Die einzelnen LINKs fügen sich wie Glieder in eine Kette zusammen, die je nach Anforderung miteinander verknüpft oder getrennt betrieben werden können. Die absolut notwendigen auszutauschenden Daten sind klar definiert, daher entfällt die Notwendigkeit, große Datenmengen auszutauschen. Als Folge teilt jeder LINK nur ein kleines Set von unbedingt nötigen elektrischen Daten mit den Nachbareinheiten - die restliche Information wird lokal verwendet. Datenschutz und die Gefahr von Cyberattacken von außen wird dadurch drastisch verringert. In einem Modellversuch auf kleinerer Skala in einer Testregion in Salzburg wurde bereits gezeigt, dass das Konzept funktioniert. "Ein allmählicher Übergang vom aktuellen System zur LINK-Lösung ist möglich, und wenn wir den Schritt zur Energiewende machen wollen, sollten wir jetzt beginnen", erläuterte Ilo.

Langfristige Planbarkeit ist für Weinelt jedenfalls ausschlaggebend, um die Herausforderungen der Energiezukunft bereits jetzt anzugehen: "Wenn man die künstlich angezogene Handbremse löst, muss man sich nicht fürchten. Man muss die Netzunternehmen arbeiten lassen und die Rahmenbedingungen müssen halten." Ederer zeigte sich abschließend hinsichtlich der Versorgungssicherheit optimistisch, vermisst aber eine gemeinsame europäische Industriepolitik. "Wenn etwa Photovoltaik-Module nur noch in China produziert werden, entsteht eine neuerliche Abhängigkeit. Für Generalsekretär Plank ist es "notwendig, dass wir den Raum schaffen, um Dinge auszuprobieren", denn immer nur zu sagen, was nicht gehe, "wird nicht zielführend sein". Die Herausforderung ist riesig, das stimme, doch wir bräuchten uns nicht zu fürchten, denn "wenn es nicht ein Land wie Österreich schaffen kann, wer dann?"

Das Forum Versorgungssicherheit ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für die langfristige Sicherung und Erhaltung der hohen Qualitätsstandards der österreichischen Energieversorgung einsetzt. Für das Forum stellt die Energieinfrastruktur einen Schlüsselfaktor für den Wirtschafts- und Lebensstandort Österreich dar.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /