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VIRUS zu Deregulierung: Juristischer "Hau-Ruck-Kahlschlag" kontraproduktiv

Gesetzgeber bleibt im vorprogrammierten Chaos wieder nur Statistenrolle

Wien - Kritisch äußert sich die vielfältig mit Rechtsfragen befasste Umweltorganisation VIRUS zu den Deregulierungsplänen von Justizminister Moser. "Der normale Gesetzgebungsprozess zeigt bereits jede Menge Fehlerquellen und Überforderung, wenn jetzt alle Gesetze und Verordnungen, die vor dem Jahr 2000 erlassen wurden, binnen weniger Monate aufgehoben werden sollen oder die zu erwartenden zahllosen Ausnahmen Massenbearbeitung erfordern, sind Chaos und Rechtsunsicherheit vorprogrammiert", so Sprecher Wolfgang Rehm.

Die Ankündigungen seien schwammig formuliert und so werde nicht klar, ob etwa das Wasserrechtsgesetz von 1958, die Straßenverkehrsordnung von 1960 oder das Reichsgesetzblatt #49 von 1868 über den Austritt aus der römisch-katholischen Kirche oder das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 davon betroffen sein sollen. Erst alle Bestimmungen in Frage zu stellen aber dann erwartbar Ausnahmelisten "epischen Ausmaßes" auszulösen sei insbesondere dann ineffizient, wenn sich ohnehin die meisten Rechtsmaterien unverzichtbar erweisen würden. Es handle sich beim System von schichtweise aufgebauten und novellierten und vielfach miteinander vernetzten Rechtsvorschriften um ein sehr komplexes System. "In krassem Missverhältnis dazu stehen die in österreichischen Ministerien, bei gleichzeitiger Fortsetzung des sonstigen Betriebes vorhandenen Bearbeitungskapazitäten. Der zwangsläufig fehlende Durchblick wird sich auf die Treffsicherheit der Folgenabschätzung ebenso auswirken, wie er Polit-Missbrauch durch in diesem Schwarm an Rechtsvorschriften verborgene trojanische Pferde begünstigen wird", kritisiert Rehm. VIRUS gibt weiters zu bedenken, dass der Rechtsprechung der Höchstgerichte, die sich nicht nur auf einzelne Rechtsvorschriften sondern auf den systematischen Zusammenhang vieler Normen beziehe, auf diese Weise in noch ungewissem Ausmaß der Boden entzogen werden könnte. "Muss sich erst neue Rechtsprechung etablieren, dauert dies Jahre und ist zwangsläufig von Rechtsunsicherheit begleitet," warnt Rehm.
Bedenklich sei weiters, dass der Legislative trotz weit reichender Eingriffe ins Rechtssystem keine zentrale, sondern lediglich eine Statistenrolle zugedacht sei, und das Parlament offenbar nur dafür vorgesehen sei, die vom Justizressort koordinierten Ergebnisse am Ende durchzuwinken. "Soll es nicht nur um Kosmetik gehen, dann braucht es statt einer Hau-Ruck-Aktion einen - was Kollateralschäden betrifft - risikoarmen aber nachhaltig wirksamen Diskussionsprozess unter Einbeziehung des verfassungsgemäßen Gesetzgebers und eine effiziente Vorgangsweise bei der Identifizierung zu novellierender oder nicht mehr benötigter Rechtsnormen," fordert Rehm abschließend.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /