© johann neumayer  /Wiesenhummeln
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Höchste Zeit für Bundeskompetenz bei Biodiversität

Fehlende Implementierung des Nagoya Protokolls zeigt die Probleme des Kompetenz-Wirrwarrs – Österreich wird zur Oase für Bio-Piraten

Schiltern/Wien - Arche Noah hat am 27. Juli ein Positionspapier aus Anlass der fehlenden Implementierung des Nagoya Protokolls veröffentlicht und fordert die Klarstellung einer uneingeschränkten Bundeskompetenz für die Erhaltung und Nutzung der Biodiversität. ‘Die Bundesverfassung sieht momentan keine klare Zuständigkeit für Biodiversität vor. Stattdessen gibt es eine komplexe Aufsplitterung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern, die zu einer realen Bedrohung der biologischen Vielfalt sowie einer Vernachlässigung internationaler und europäischer Verpflichtungen durch Österreich führt’, warnt Katherine Dolan, Bereichsleiterin Politik bei ARCHE NOAH.

Ein aktuelles Beispiel der Probleme, die der Kompetenz-Wirrwarr verursacht, ist das Nagoya Protokoll zur Biodiversitätskonvention, das Bio-Piraterie verhindern soll. Infolge der unklaren und komplexen Kompetenzverteilung sehen sich weder das Umweltministerium (BMLFUW) noch die Bundesländer in der Sache zuständig. Somit herrscht Stillstand: Österreich hat bis dato weder das Protokoll ratifiziert noch eine entsprechende EU-Verordnung (511/2014) implementiert. Aufgrund dieses Nichtstuns hat die EU-Kommission im Februar einen sogenannten ‘blauen Brief’ –  der letzte Schritt vor einem offiziellen Vertragsverletzungsverfahren – an die Bundesregierung geschickt.

In Österreich wurde – fast drei Jahre nach dem Inkrafttreten der EU-Verordnung – immer noch keine zuständige Behörde benannt. Es gibt somit keinerlei Kontrollen, ob die Nutzer*innen genetischer Ressourcen (Pflanzen, Tiere, Mikroben, usw.) diese rechtskonform erworben haben und die sich aus der Nutzung ergebenden Vorteile mit dem Ursprungland bzw. den Bereitsteller*innen der Ressource ausgewogen und gerecht teilen. ‘Die fehlende Umsetzung des Nagoya Protokolls ist eine ernste Sache’, sagt Dolan. ‘Somit wird Österreich zu einer Oase für Bio-Piraten und vernachlässigt seine moralischen und rechtlichen Verpflichtungen gegenüber anderen Staaten in der EU und internationalen Partnern vor allem im Süden, wo die meiste biologische Vielfalt zu Hause ist’.

Um ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich zu verhindern und auch für zukünftige Belange der Biodiversität endlich Klarheit zu schaffen, muss die Politik nun Taten setzen. ‘Die nächste Bundesregierung muss Biodiversität als reine Bundeskompetenz durchsetzen, um Österreichs Reichtum an biologischer Vielfalt geplant schützen, erhalten und nutzen zu können’, empfiehlt Dolan. ARCHE NOAH wünscht sich auch ein Bundesbiodiversitätsgesetz, welches die Rahmenbedingungen für den effektiven Erhalt und die nachhaltige und gerechte Nutzung genetischer Ressourcen festlegt, sowie ein wirksames Kontrollsystem in Bezug auf das Nagoya Protokoll etabliert.

Link zum Positionspapier der ARCHE NOAH

Hintergrund: Das Nagoya Protokoll wurde 2011 von Österreich unterschrieben. Das Protokoll trat ebenso wie die EU-Verordnung im Oktober 2014 in Kraft, seit Oktober 2015 sollte alles umgesetzt sein. Das Abkommen betrifft ein breites Spektrum von Akteuren – von multinationalen Pharmakonzernen über Joghurthersteller bis hin zu botanischen Gärten und privaten Sammler*innen – und soll sicherstellen, dass Staaten und Gemeinschaften als Erhalter von biologischen Ressourcen von den Vorteilen profitieren, die sich durch ihre kommerzielle Nutzung in einem anderen Land ergeben.

Der Verein ARCHE NOAH und seine 14.000 Mitglieder setzen sich seit über 25 Jahren für die Erhaltung und Verbreitung der Kulturpflanzenvielfalt ein. Erfolgreich wird daran gearbeitet, traditionelle und seltene Sorten wieder in die Gärten und auf den Markt zu bringen.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /