© Michał Jamro
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Viktor Kaplan-Lecture bringt Speicherrevolution vor den Vorhang

Kleine Batteriespeicher halten immer mehr Einzug in Haushalte und Gewerbe

Die 8. Viktor-Kaplan-Lecture von Oesterreichs Energie und FH Technikum Wien am 7.6.2017 thematisierte moderne Technologien zur dezentralen Stromspeicherung und deren Integration in die Netze

In Österreich sind derzeit etwa 2.400 private PV-Speicher mit einer nutzbaren Gesamtkapazität von etwa 16 Megawattstunden (MWh) installiert, in Deutschland, das über eine Förderschiene für Kleinspeicher verfügt, wurden allein 2016 rund 20.000 neue private Stromspeicher in Betrieb genommen, 60.000 Speicher sind bereits aktiv. Damit wächst die Speicherflotte aktuell wesentlich rascher als die Flotte der E-Mobile. So wird auch ihre Netzintegration mittelfristig zu einem wichtigen Thema für die Netze.

Die Zukunft der Energieversorgung werde "elektrisch sein, davon zeigte sich Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, überzeugt. Allerdings macht Strom aktuell nur etwa ein Fünftel der gesamten Energiebereitstellung aus". Um diesen Anteil zu erhöhen, müssten neue Erzeugungsanlagen ebenso errichtet werden wie zusätzliche Stromleitungen. Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit sind aber auch Stromspeicher unverzichtbar. Zurzeit sind Pumpspeicherkraftwerke die einzige wirtschaftlich rentable Technologie, notwendig sind aber auch dezentrale Speicher unterschiedlichster Arten und Größen, die derzeit entwickelt und erprobt werden. Schmidt: "Wir stehen deshalb vor einer wahren Speicherrevolution."

Zahl der Kleinspeicher wird deutlich wachsen

In Österreich sind derzeit etwa 2.400 private PV-Speicher mit einer nutzbaren Gesamtkapazität von etwa 16 Megawattstunden (MWh) installiert, berichtete Kurt Leonhartsberger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Erneuerbare Energie der FH Technikum Wien. Ihm zufolge lassen sich Heimspeicher für Strom aus PV-Anlagen derzeit auch mit Förderungen nicht wirtschaftlich betreiben - und das, obwohl die Systempreise allein von 2015 auf 2016 um 8,55 Prozent sanken. Meist würden die Speicher dazu genutzt, um den Eigenverbrauch zu optimieren. Dies trage allerdings nicht zur Entlastung der Stromnetze bei. Um eine solche Entlastung zu erzielen, müsste die maximale Einspeiseleistung der PV-Anlagen "dauerhaft reduziert" werden, betonte Leonhartsberger. Dies gewinnt immer mehr an Bedeutung, nicht zuletzt, weil die Zahl der Wärmepumpen zunimmt, mit denen Strom zur Raumheizung und Warmwasserbereitung bereitgestellt wird.

Sinnvoll wäre laut Leonhartsberger, die Stromspeicher "präventiv" aufzuladen und zum Decken von Bedarfsspitzen zu nutzen. Dies ist indessen nicht trivial, weil es solide Prognosen über die Stromerzeugung der jeweiligen PV-Anlage sowie über den zu erwartenden Strombedarf voraussetzt. Wie das "präventive" Aufladen gelingen könnte, untersuchen Leonhartsberger und seine Kollegen derzeit im Rahmen des Forschungsprojekts "Spin.Off". Dabei soll die Reduktion von Last-und Erzeugungsspitzen in einem in Errichtung befindlichen Bürogebäude im 21. Wiener Gemeindebezirk mit Hilfe eines selbstlernenden künstlichen neuronalen Netzwerks (KNN) erfolgen. In der zurzeit laufenden Simulation gelingen die Prognosen laut Leonhartsberger "schon recht gut". Nach Fertigstellung des Gebäudes im Herbst 2017 wird die Software dort installiert und 12 Monate lang erprobt. Sinnvoll wäre laut Leonhartsberger, die Stromspeicher einer mehr oder weniger großen Zahl von Haushalten zusammenzufassen und bedarfsgerecht für das Stromnetz einzusetzen. Dies müsste durch eine "koordinierende Instanz" erfolgen, etwa einen Stromversorger oder den Netzbetreiber in dem betreffenden Gebiet. Auf diese Weise entstünde ein virtueller Großspeicher, der sich für die Netzentlastung nutzen ließe.

Speicherbetrieb benötigt bessere Steuerung um Netze zu unterstützen

Laut David Haberschusz vom Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA) an der Rheinisch-westfälischen Technischen Hochschule Aachen wurden in Deutschland im Jahr 2016 rund 20.000 neue private Stromspeicher installiert. Das übertraf die etwa 11.410 Neuzulassungen von Elektroautos bei weitem. Wie Haberschusz erläuterte, fördern die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und das Wirtschaftsministerium (BMWi) netzdienliche Photovoltaikspeicher seit 2013 bis Ende 2018 mit insgesamt 30 Millionen Euro. Die Förderung bezieht sich auf die Investitionskosten und sinkt alle sechs Monate um 3 Prozent. Anspruchsvoll sind laut Haberschusz die Förderbedingungen: Unter anderem müssen sich die Inhaber der Photovoltaikanlagen verpflichten, ihren Strom mit nicht mehr als 50 Prozent der maximalen Anschlussleistung ins Netz einzuspeisen, um dieses nicht zu belasten.

Das ISEA ist für die wissenschaftliche Begleitforschung zu dem Förderprogramm zuständig. Haberschusz' Schätzungen zufolge sind derzeit in Deutschland insgesamt rund 60.000 private Batteriespeicher für Strom aus Photovoltaikanlagen (PV-Speicher) installiert, von denen knapp 25.000 Förderungen der öffentlichen Hand erhalten. Die Käufer nennen vor allem drei Gründe für die Installation solcher Anlagen: erstens die Absicherung gegen steigende Strompreise, zweitens die Möglichkeit, einen eigenen Beitrag zum Gelingen der Energiewende zu leisten und drittens technologisches Interesse. Weniger wichtig sind dagegen die Absicherung gegen Stromausfälle - Stichwort "Energieautarkie" - und der Wunsch nach einer sicheren Geldanlage. Haberschusz ergänzte, die Systemkosten sanken seit 2013 um rund 18 Prozent pro Jahr, wobei Bleibatterien immer mehr durch Lithium-Ionen-Batterien ersetzt werden.

Speicherpraxis wissenschaftlich untersucht

Um herauszufinden, was die Speicher in der Praxis leisten, führt das ISEA seit nunmehr zwei Jahren eine hochauflösende Messung durch. Dafür wurden 20 privat betriebene PV-Speicher mit modernstem Messequipment ausgerüstet. Dieses misst 64 unterschiedliche Parameter in sekündlicher Auflösung, womit pro Tag rund 110,6 Millionen Datensätze anfallen. Grundsätzlich zeigten sich bisher zwei Betriebsweisen: die Eigenverbrauchsoptimierung und der netzdienliche Betrieb. Bei der Eigenverbrauchsoptimierung lädt der Betreiber seinen Speicher, bis dieser voll ist. Der überschüssige Strom wird ins Netz eingespeist. Laut Haberschusz lässt sich der Batteriespeicher damit optimal nutzen. Für den Netzbetreiber dagegen ist diese Fahrweise weniger vorteilhaft, weil keine Rücksicht auf die Netzstabilität genommen wird. Die netzdienliche Betriebsweise dagegen passt sich bewusst an den jeweiligen Netzzustand an und verwendet den Stromspeicher unter anderem dazu, um Bedarfsspitzen zu decken und damit zeitweilig den Strombezug aus dem Netz zu vermeiden.

Aspern Smart City Research erforscht Einsatz von Speichern in der Stadt

In Wien wird der Einsatz von Stromspeichern derzeit im Stadtentwicklungsgebiet Aspern umfassend untersucht, berichtete Robert Grüneis, der Geschäftsführer der Aspern Smart City Research GmbH (ASCR). Bis dato investierte die ASCR in Projekte rund um das Thema "Smart City" rund 38,5 Millionen Euro. In diesem Kontext ist auch die Verwendung von dezentralen Stromspeichern zu sehen. Unverzichtbar für diese Art modernen Energiemanagements sind Daten. Pro Tag sammelt die ASCR rund eine Million Datensätze, deren Auswertung nun beginnt. Erste tragfähige Ergebnisse werden laut Grüneis um die Mitte des kommenden Jahres vorliegen. Auf längere Sicht könnten diese auch im Bestandsgebiet der Stadt Wien zur Anwendung gelangen.

Welche Arten von dezentralen Stromspeichern sinnvoller Weise zum Einsatz kommen und wie deren Nutzung erfolgt, hängt vom jeweiligen Fall ab, erläuterte Robert Hammerling von der ASCR, der bei Wien Energie für erneuerbare Energien zuständig ist. Gewissermaßen als technischer Standard haben sich Lithium-Ionen-Batterien etabliert. Deren Hersteller garantieren mittlerweile die Haltbarkeit von über rund 5.000 Ladezyklen, was einer Lebensdauer von etwa 10 Jahren entspricht. Ein Nachteil sind die immer noch "relativ hohen Investitionskosten".

Für den Einsatz der Batteriespeicher bestehen laut Hammerling mehrere Optionen. Die eine Möglichkeit ist, dass der Kunde, der Energieanbieter oder der Netzbetreiber den Speicher jeweils nach seinen eigenen Erfordernissen und Strategien nutzt. Alternativ dazu können Energieanbieter Speicher für ihre Kunden betreiben. Denkbar ist auch der Einsatz durch einen Netzbetreiber und einen Energieanbieter gemäß einem gemeinsamen Konzept. Je nach Strategie kann der Speicher beispielsweise zur Verminderung des Strombezugs aus dem Netz dienen, aber auch zur Begrenzung der Einspeisung in das Netz, um die vertraglich vereinbarte maximale Anschlussleistung einzuhalten. Möglich sind ferner alternierende Betriebsweisen zu unterschiedlichen Zeiten. Weiters kann der Speicher der Reservehaltung für den Notstrom-Betrieb dienen. Wie Hammerling betonte, erhöht der Stromspeicher die Flexibilität seines Nutzers. Aus Kostengründen empfiehlt es sich jedoch, auch andere Möglichkeiten zur Steigerung der Flexibilität des Energiebedarfs in Betracht zu ziehen. Gut geeignet sind laut Hammerling "elektrisch-thermische" Geräte, etwa Blockheizkraftwerke, die sowohl Strom als auch Wärme erzeugen können. Sie sind grundsätzlich auch für Privathaushalte tauglich und lassen sich mit Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen sowie Elektroheizstäben kombinieren. Für Privathaushalte ist die Wirtschaftlichkeit von Stromspeichern allerdings nach wie vor nur schwer darstellbar, so Hammerling.

Mit den Viktor-Kaplan-Lectures bieten Oesterreichs Energie und die FH Technikum Wien eine Plattform zur offenen Diskussion über die technische sowie organisatorische Bewältigung der Umgestaltung des Energiesystems. Die Viktor-Kaplan-Lectures finden zwei Mal pro Jahr statt.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /