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Deutsche Umwelthilfe startet Kampagne: ’Get Real – Für ehrliche Spritangaben’

Falsche Spritverbrauchs- und CO2-Angaben der Automobilhersteller führen zu erhöhten Tankkosten von bis zu 7.000 Euro pro Fahrzeug

Berlin - Autokäufer können immer weniger den amtlichen Spritverbrauchs- und CO2-Angaben der Hersteller trauen. Aus diesem Grund startet die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gemeinsam mit dem europäischen Verband Transport und Environment (T&E) nun die auf drei Jahre angelegte Verbraucherinformationskampagne ‘Get Real – Für ehrliche Spritangaben’. Während strenge Kontrollen und im Verstoßfall hohe Strafen durch amerikanische Behörden in den USA zu Abweichungen in Höhe von nur 3 Prozent führen, erreichen diese in Europa 42 Prozent. In einer ersten Auswertung der Realverbräuche der 30 zulassungsstärksten Neufahrzeuge dokumentiert die DUH über eine angenommene Laufzeit von 200.000 Kilometern Mehrkosten von bis zu 7.000 Euro. Die amtlichen Verbrauchsangaben wurden dabei mit den nach Herstellern differenziert dargestellten Ergebnissen der jüngsten Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) abgeglichen.

‘Die Autokonzerne setzen verbotene Abschalteinrichtungen nicht nur zur Manipulation der Stickoxid-Werte sondern auch bei den CO2-Angaben ein. Wir werden im Rahmen dieser Kampagne besonders dreiste Betrugsfälle dokumentieren, vor Gericht bringen und die Verbraucher informieren,’ sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. ‘Das verantwortliche Kraftfahrt-Bundesamt hat in der Vergangenheit die Angaben der Hersteller ungeprüft übernommen und so den Betrug billigend in Kauf genommen. Was wir brauchen, sind behördliche Nachmessungen und wirksame Sanktionen bei dokumentierten Verstößen. Nur so können die rechtswidrigen Manipulationen der Autoindustrie beendet werden.’

Wie in den USA sollen nach Ansicht der DUH in Zukunft bei konkreten Verdachtshinweisen sowie nach dem Zufallsprinzip 20 Prozent der neu zugelassenen Pkw amtlich nachgeprüft werden. Bei Abweichungen ab vier Prozent vom Realverbrauch muss zukünftig eine Korrektur der amtlichen Verbrauchswerte erfolgen. Aktuell weigert sich das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), solche Nachmessungen durchzuführen bzw. die Ergebnisse zu veröffentlichen.

Die DUH hat erstmals 2007 den Betrug der Automobilhersteller mit Abschalteinrichtungen und manipulierten Prüffahrzeugen dokumentiert. Gemeinsam mit T&E fordert sie ein Ende der Verbrauchertäuschung. ‘Die EU-Kommission sendet mit der Förderung dieser Kampagne ein klares Signal an die Autokonzerne, dass die falschen Angaben nicht länger akzeptiert werden,’ so Resch.

Das zuständige KBA bleibt seit Jahren untätig, obwohl die zugrundeliegende EU-Verordnung Kontrollen an Serienfahrzeugen seit 2007 vorschreibt und bei festgestellten Falschangaben Sanktionen vorsieht, die ‘wirksam, verhältnismäßig und abschreckend’ sein müssen (VO (EG) 715/2007). Im Frühjahr 2016 hat die DUH ein Rechtsverfahren gegen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt eingeleitet, da dieser sich weigert, die seinem Haus bzw. dem KBA vorliegenden erhöhten CO2-Werte aus der Abgasuntersuchung ‘Dieselgate’ zu veröffentlichen.
 
Die immer noch anwachsende Abweichung ist nicht das Ergebnis legaler Schlupflöcher, sondern eindeutig rechtswidrig. Beim Test auf dem Rollenprüfstand schalten beispielsweise Hersteller wie BMW die Lichtmaschine ab. In der Folge wird die Autobatterie während des Prüfzyklus nicht mehr geladen. Die Hersteller Porsche und Audi stehen im Verdacht, Verbrauchswerte mit einer Lenkraderkennung manipuliert zu haben. Demnach aktiviert sich ein Schaltprogramm für das Getriebe des Prüffahrzeugs, wenn das Lenkrad nach dem Start – wie auf dem Prüfstand – nicht bewegt wird. Dadurch werden geringere CO2-Emissionen gemessen. Sobald das Lenkrad um mehr als 15 Grad gedreht wird, aktiviert sich ein anderes Schaltprogramm und das Fahrzeug verbraucht wieder mehr Kraftstoff.

‘Die Autoindustrie trickst weiterhin nicht nur bei den NOx- sondern auch bei den CO2-Angaben. So werden auch geschönte Prüfstandparameter benutzt, um geringere Werte zu erzielen. Nur durch die Prüfung der Verbrauchs- und CO2-Werte auf der Straße kann dieser Missbrauch beendet werden,’ so Axel Friedrich, Internationaler Verkehrsexperte.

Zukünftig sollen Verbraucher wieder eine fundierte Kaufentscheidung treffen und sich gegen die nicht offengelegten Spritverbrauchswerte wehren können. Dabei wird im Rahmen der Kampagne eine vergleichende Studie über Verbraucherrechte in verschiedenen EU-Staaten erarbeitet. DUH und T&E fordern u.a. eine offizielle Anlaufstelle, die festgestellte Abweichungen des Spritverbrauchs sammelt und bei der Durchsetzung der Verbraucherrechte hilft. In Deutschland kann nach einem Grundsatzentscheid des Bundesgerichtshofes jeder Autohalter mit nachweislich erhöhtem Spritverbrauch von über zehn Prozent auf Basis von Labormessungen die Rückabwicklung des Kaufs und Schadenersatz einfordern. In der Realität müssen sich jedoch die betroffenen Autohalter bislang auf einen mehrjährigen Rechtsstreit mit spezialisierten Konzernanwälten und hohen Gutachterkosten einstellen, ohne dass sie eine Unterstützung durch die Behörden erhalten. 

Die DUH wird in den nächsten Jahren regelmäßig neueste auf dem deutschen Markt zugelassene Diesel- und Benzin-Pkw auf deren Spritverbrauchsangaben hin prüfen und ein Tool einrichten, in dem sich Verbraucher über den realen Spritverbrauch neuer Pkw informieren können. Zudem werden eigene Emissions- und Spritverbrauchstests mit repräsentativen Neuwagen durchgeführt und die Ergebnisse veröffentlicht.
 
Die Kampagne ‘Get Real – Für ehrliche Spritangaben!’ wird im Rahmen des LIFE-Programms der EU-Kommission gefördert und läuft bis Anfang 2020.


Kampagnenwebseite: www.get-real.org


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /