© Parlamentsdirektion/Johannes Zinner - Besuch von EU-Kommissarin Cecilia Malmström im österreichischen Parlament
© Parlamentsdirektion/Johannes Zinner - Besuch von EU-Kommissarin Cecilia Malmström im österreichischen Parlament

TTIP: Österreichische Abgeordnete pochen auf Sicherung der heimischen Standards

EU-Kommissarin Cecilia Malmström sieht Fortschritte bei Transparenz und Streitbeilegung

Wien- Die Europäische Kommission ist sich der Sensibilität des Themas TTIP und der diesbezüglichen Sorgen der Bevölkerung bewusst. Bei einem Treffen mit österreichischen Abgeordneten im österreichischen Parlament sprach EU- Kommissarin Cecilia Malmström von Fortschritten in den Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen und betonte, vor allem in den Bereichen Transparenz und Investitionsschutz konnten Verbesserungen erzielt werden. Sie bekräftigte zudem einmal mehr, dass es im Zuge von TTIP zu keinerlei Schmälerung der hohen österreichischen Standards kommen werde.

Für die österreichischen Abgeordneten ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Bedenken bestehen nach wie vor in Sachen Investitionsschutzklauseln und Schlichtungsmechanismus, Sorgen wurden auch bezüglich der Beibehaltung des Schutzniveaus in Landwirtschaft, Umwelt und im Arbeitsrecht laut. Insgesamt machte das vom Zweiten Nationalratspräsident Karlheinz Kopf geführte Gespräch deutlich, dass TTIP auch weiterhin auf der politischen Tagesordnung bleiben wird.

Schiedsgerichtsbarkeit bleibt umstritten

SPÖ-Mandatar Christoph Matznetter, der ebenso wie seine Fraktionskollegin aus dem Europäischen Parlament Karoline Graswander- Hainz den Investorenschutz thematisierte, ortete gewisse Fortschritte in der Frage des Schlichtungsmechanismus, schränkte aber ein, man sei auf halbem Wege stehen geblieben. Er regte eine Konstruktion an, bei der grundsätzlich die nationalen Gerichte in der Sache entscheiden und erst dann die Befassung eines internationalen Gerichtshofs nach dem Vorbild des EuGH in Frage kommt. Ähnlich sah dies auch Axel Kassegger von der FPÖ. Es bestehe kein Grund, Investitionsstreitigkeiten einem eigens eingerichteten Tribunal zu übertragen, wo es doch europäische Mechanismen gibt, argumentierte er. Aus europäischer Sicht brauche man keine Investitionsschutzklauseln, pflichtete Werner Kogler (G) bei, der überdies auch Zweifel an der Unabhängigkeit der Richter des vorgesehenen Schiedsgerichts anmeldete. Kein Verständnis für Sonderklagsrechte von Konzernen zeigte auch Grünen-Agrarsprecher Wolfgang Pirklhuber, dem es vor allem an der Gegenseitigkeit fehlt. Es gehe nicht an, dass Konzerne Staaten klagen können, umgekehrt diese Möglichkeit aber nicht besteht, gab er zu bedenken. Die Großkonzerne können es sich richten, die Kleinen müssen die Zeche zahlen, setzte Waltraud Dietrich vom Team Stronach nach. Überwiegend positiv beurteilte hingegen ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker die Investitionsgerichte. Ein Wechsel von der nationalen zur internationalen Gerichtsbarkeit sollte allerdings nur vor der erstinstanzlichen Entscheidung vorgenommen werden können, schlug sie vor.

Abgeordnete fordern Sicherung der heimischen Standards

Die Einhaltung der diversen Schutzbestimmungen - vom Arbeitsrecht über den Konsumentenschutz bis hin zu den Bereichen Umwelt und Lebensmittel - bereitet den Abgeordneten nach wie vor Grund zur Sorge. ÖVP-Mandatar Franz Eßl trat für eine Regelung ein, die es den einzelnen Mitgliedstaaten ermöglicht, ihr Schutzniveau nach eigenem Ermessen festzulegen. Es sei zu befürchten, dass die heimischen kleinbäuerlichen Strukturen durch ungebremsten Freihandel unter Druck geraten, warnte er. Österreichs Landwirtschaft werde gegenüber den USA nicht konkurrenzfähig sein, schlug Waltraud Dietrich (T) Alarm. Maximilian Unterrainer (S) wiederum will die österreichische Industrie vor Sozialdumping schützen, Petra Bayr (S) sah noch offene Fragen rund um das öffentliche Beschaffungswesen. Die europäischen Standards sind nach wie vor nicht gesichert, stand für Axel Kassegger (F) fest. Für die Bedürfnisse der heimischen KMU im transatlantischen Freihandel machte sich ÖVP-Mandatarin Angelika Winzig stark, während Claudia Gamon von den NEOS dafür plädierte, dem österreichischen Mittelstand die Vorteile von TTIP zu sichern.

Abgeordnete wollen TTIP-Lesesaal im Parlament

Was die Transparenz betrifft, zeigten sich die Abgeordneten noch nicht voll zufrieden. Die Unterlagen sollten jedenfalls im Parlament aufliegen, betonten Christine Muttonen (S) und Wolfgang Pirklhuber (G). Axel Kassegger von den Freiheitlichen reagierte überdies mit Befremden auf den Umstand, dass er als Parlamentarier die Materialien zwar lesen, nicht aber kopieren darf.

Malmström sieht Fortschritte bei Transparenz und Streitbeilegung

Die Kommission habe gelernt, die Transparenz zu wahren, entgegnete Cecila Malmström. So seien das Verhandlungsmandat und die Änderungsvorschläge nun online abrufbar, Regierung und ParlamentarierInnen wiederum können in Leseräumen Einschau in den Text des Vertragsentwurfs halten. Kopien seien aufgrund der Vertraulichkeit der Unterlagen aber nicht möglich. Die Einrichtung eines Leseraums in den nationalen Parlamenten scheitere am fehlenden Einverständnis der amerikanischen Seite, erklärte sie.

Von einem Fortschritt sprach die EU-Kommissarin in Zusammenhang mit dem Schlichtungsmechanismus bei Investitionsstreitigkeiten. An die Stelle des bisherigen Schiedsgerichtssystems, das in zahlreichen Investitionsschutzabkommen geregelt war, tritt nun ein mit unabhängigen RichterInnen besetzter internationaler Investitionsgerichtshof. Dabei werden für einen Streitfall jeweils drei RichterInnen aus einem Pool ausgewählt. Die Unternehmen haben aber auch die Möglichkeit, vor ein ordentliches Gericht zu ziehen. Die Staaten wiederum können nach wie vor ihre Belange - sei es ein Rauchverbot oder die Gentechnikfreiheit - frei regeln, ohne Klagen von Konzernen befürchten zu müssen, stellte sie klar. Es dürfe nur niemand diskriminiert werden.

EU-Kommissarin schließt Aufweichung der hohen heimischen Standards aus

Mit Nachdruck betonte Malmström, dass es im Zuge von TTIP zu keinem Abbau von nationalen Schutzstandards kommen werde. Vielmehr gehe es darum zu prüfen, inwieweit in bestimmten Bereichen mit hohem Schutzniveau die jeweiligen Tests und Untersuchungsmethoden eines Vertragspartners durch den anderen Vertragspartner anerkannt werden können, um den Unternehmen Doppelgleisigkeiten und bürokratischen Aufwand zu ersparen. Für die Landwirtschaft schloss die Kommissarin eine Aufweichung des hohen österreichischen Schutzniveaus dezidiert aus. Auch Kontingente für einige Produkte können beibehalten werden, teilte sie mit. Gesichert bleibt überdies die geografische Ursprungsbezeichnung, dies etwa für Tiroler Speck. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen wiederum sind nach den Worten Malmströms die großen Gewinner von TTIP.


Quelle: Parlamentsdirektion


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /