© Schopf, TU Wien, IVV
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Zukunft der Mobilität - rasch, sicher, bequem, umwelt-freundlich?

Mobilität, Verkehr, Zersiedelung und mehr im Mittelpunkt

© Weber, BOKU Wien, IRUP
© Weber, BOKU Wien, IRUP
© Vogel, KLI.EN
© Vogel, KLI.EN

Mobilität und Verkehr

Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer und überaus prominente Vortragende konnte Prof. Dr. Reinhold Christian, Geschäftsführer von Umwelt Management Austria, am 22. Oktober bei der Veranstaltung ‘Zukunft der Mobilität - rasch, sicher, bequem, umwelt-freundlich?’ erfreut begrüßen.

‘Mobilität ist notwendig, um die Grundbedürfnisse der Menschen (Arbeit, Einkaufen, Schule, Freizeit, …) zu befriedigen. Das Auto stellt dazu eine bequeme Möglichkeit dar, allerdings mit einer Reihe problematischer Auswirkungen verbunden (individuelle und gesellschaftliche Kosten, Klimawirkung und Umweltbelastung, Energieverbrauch, Flächenbedarf, Sicherheitsrisiko, …).

Der Verkehr der Zukunft muss also anders aussehen. Ziel ist, die gewünschten Dienstleistungen mit möglichst geringem Aufwand und minimalen negativen Auswirkungen bereitzustellen. Vermeidung (des ‘Zwangs zum Auto’), Verlagerung (auf öffentliche Verkehrsmittel, Umweltverbund) und Verbesserung (der Technik, der Infrastruktur, …) des Verkehrs sind daher aktuelle Grundsätze zur Gestaltung’, so Christian. Er wies auf die große Aktualität und Bedeutung des Themas hin - unabhängig von aktuell sichtbar gewordenen Skandalen.

Univ. Prof. DI Dr. techn. Josef Michael Schopf, Technische Universität Wien, IVV, meinte, dass sich an der Mobilität nicht viel ändern wird, weil Bedürfnisse befriedigt werden müssen. Mobilität ist die Ursache für Verkehr und dort gibt es Probleme, die bewältigt werden müssen. ‘Im Märchen hat man von Siebenmeilenstiefeln geträumt, mit dem Auto hat man diese bekommen. Der Mensch ist bequem und nutzt dieses. Der Verkehr kann aber durch Maßnahmen gestaltet werden. Lobbyismus ist die Ursache für den weiteren Straßenbau,’ hielt Schopf fest, und weiter ‘Von 1961 bis heute gibt es etwa 77.153 Tote durch Verkehr. Wenn das eine Seuche wäre, hätte man längst konsequenter reagiert.’

Die Attraktivierung des Zufußgehens und des Radfahrens sind alt bekannte Maßnahmen für umweltfreundlichen Verkehr, so Schopf. Gleiches gilt für den ÖPNV. In Hinblick auf die Debatte um zukunftsfähige Antriebe merkte er an, dass es auch in der Vergangenheit bereits Fahrzeuge mit E-Antrieb gab. Letztendlich kann davon ausgegangen werden, dass sich diese Technologie durchsetzen wird. Negative Wirkungen durch Fahrzeuge auf die Gestaltung des öffentlichen Raumes bleiben allerdings auch mit E-Antrieb (Platzverbrauch, Barriere, …) aufrecht. ‘In Zukunft muss es um die intelligente und einfache Verknüpfung umweltfreundlicher Verkehrsträger (Stärkung des Umweltverbundes; attraktive Gestaltung von Tarifen; Verknüpfung von Angeboten, wie CarSharing, Leihrad, ÖPNV, Taxis, …), hin zur Multimodalität gehen’, merkte Schopf an.

Bei Verkehrsplanungen muss nach seiner Meinung darauf geachtet werden, ob die notwendigen Klima- und Energieziele erreicht werden können. Schopf unterstrich, dass Tanktourismus und Flugverkehr große Beiträge zur Emission von Treibhausgasen und damit große Probleme darstellen. Verbrauche werden dort angerechnet, wo getankt wird. Die Belastung findet aber oft anderswo statt.

Dekonzentrierte Zersiedlung

O.Univ.Prof.in Dipl.-Ing.in Dr.in Gerlind Weber, Universität für Bodenkultur IRUB, machte darauf aufmerksam, dass die ‘Zauberformel’ der Raumplanung immer das Leitbild der ‘konzentrierten Dezentralisierung’ war und ist. ‘Damit verbindet sich die fachliche Vorstellung, dass mit einer gestreuten Verteilung zentraler Orte auf regionaler Ebene und kompakten Siedlungskörpern auf lokaler Ebene verkehrsvermeidende Strukturen geschaffen werden können. Die ‘dekonzentrierte Zentralisierung’ mit fortlaufenden Funktionsverlusten vieler Kleinstädte zugunsten der Mittel- und Großstädte auf regionaler Ebene und die totale Zersiedlung auf lokaler Ebene ist allerdings die Praxis’, was zu immer höheren Verkehrsaufkommen führt’, erläuterte sie und zeigte Fehlentwicklungen am Beispiel der Straßenerschließung des ländlichen Raumes auf.

‘Je nach Bebauungsstruktur unterscheide sich der Bodenverbrauch in ländlichen Regionen Österreichs mit jenen in Deutschland bis zu einem Faktor 7! Arbeitsplätze gibt es in solchen schütter bebauten Regionen kaum noch. Viele Grundbedürfnisse können nicht mehr vor Ort befriedigt werden. Große Orte schwächen kleine Orte und saugen Arbeitsplätze, Einkaufsgelegenheiten und öffentliche Einrichtungen ab. In der Realität kämpfen wir so mit immer weiteren Wegen und dementsprechend einem Ansteigen des motorisierten Individualverkehrs am Land’.

Milliardengräber gebaut, Tunnelbau ist Lobbying und der Bürger zahlt

‘Das Auto ist zugleich Ursache und Antwort auf solche Probleme: ohne Autos und günstige Treibstoffe gäbe es keine Zersiedlung, ohne Zersiedelung müssten nicht so viele Wege mit dem Auto zurückgelegt werden.’ so Weber, ‘Zersiedeln heißt das Bauen am ökonomisch und ökologisch falschen Platz. Umso kleiner die Gemeinde, desto höher ist der Motorisierungsgrad, desto länger sind die täglich zurückgelegten Wege, ... Durch die fortgesetzte Schaffung neuer Straßenzüge haben wir Millionen-, wenn nicht Milliardengräber gebaut (Straßen mit darin verlegten Infrastrukturen, …). Die Freiheit der Verkehrsmittelwahl gibt es auf dem Land durch die Zersiedlung nicht mehr. Es besteht ein ‘Zwang zum Auto.’ Alternativen zum Autofahren (wie Mitfahrsysteme, Rufbusse) verfolgen prioritär einen sozialpolitischen Auftrag (‘Mobilität für Alle’), können aber dem Mehr an täglichen Fahrleistungen im strukturschwachen ländlichen Raum nichts entgegensetzen.’

‘Der Güterverkehr wird zudem bei den oft bürgerschaftlich entwickelten und durchgeführten Initiativen aus den Augen verloren: nur 7% der Waren eines Lebensmittel-Supermarkts kommen noch aus der Region. Solange der Technologiesprung beim Antrieb nicht vollzogen ist, kann der Karren nicht aus dem Dreck gezogen werden’, machte Weber deutlich.

Zum Bau von großen Tunnelprojekten hielt sie in der Diskussion fest: ‘Derartige Vorhaben sind schon in der Bauphase finanziell und ökologisch eine große Bürde. Sie sind Wasser auf die Mühlen eines Systems, das immer mehr fehlsteuert. Bevor wir über Jahre ein immens teures Loch bauen, sollten Beförderungsalternativen überlegt werden, die zukunftsfähiger sind.’ Auch Schopf stimmte dem zu und ergänzte: ‘Tunnelbau ist Lobbying einflussreicher Gruppen - und der Bürger zahlt.’

Der Klimawandel fordert Veränderung - Reduktion der Emissionen ist eine Notwendigkeit

Dipl.-Ing.in Theresia Vogel, Geschäftsführerin Klima- und Energiefonds (KLI.EN) informierte über die Aufgaben sowie Projektes des KLI.EN.

Vogel hob die Dramatik des Klimawandels, die deshalb sehr hoch anzusetzenden Ziele von Treibhausgasreduktionen zwischen 80 und 95% bis zur Mitte des Jahrhunderts hervor und betonte die enorme Herausforderung, die deshalb zu bewältigen wäre, was keinesfalls mit Einzelmaßnahmen gelingen könne. Hauptthema des KLI.EN ist die Reduktion der THG-Emissionen. Verkehr, Industrie, Steigerung der Gebäudeeffizienz, … sind wichtige Bereiche. Mobilität muss sicher (verlässlich), sauber (klimaverträglich) und leistbar sein. Die soziale Komponente ist dabei wichtig: Der Tesla S, die Elektroauto-Limousine, kostet ab 70.000 € aufwärts: als ‘normal Sterblicher’ wird man sich mit diesem Preis schwer tun, erläuterte Vogel und weiter ‘Lösungsansätze haben sich an zahlreichen politischen Vorgaben, Klimazielen, Programmen, Strategien, Roadmaps und dergleichen zu orientieren.’

Sie hob hervor, dass das Motto ‘Zero Emission Austria’ bei Mobilität auf neue Systeme, neue Angebote, neue Antriebe, neue Dienstleistungen, neue Finanzierungen und Gemeinschaftsmodelle abzielt. Allerdings gebe es noch keine wirklich zufriedenstellenden Lösungen. Sie veranschaulichte die enormen Zielkonflikte zwischen Umweltschutz und anderen gesellschaftlichen Zielen und verwies auf die prekäre Finanzsituation.

‘Der KLI.EN setzt auf Pioniere für intelligente Veränderungen, wie z.B. bei Smart Cities und E-Mobilitätsregionen, … Dinge, die in die Fläche gehen, brauchen eine starke Bottom-up-Unterstützung. Richtiges Bewusstsein und Engagement sind sehr wichtig. Sie müssen von unten kommen. Verhaltensänderungen sind extrem schwierig. Sie können nur schwer von oben verordnet werden und sollen das auch nicht’, wie Vogel klar machte.

Seit 2009 hat der KLI.EN fast 40 Mill. € in E-Mobilitäts-Projekte (Zusammenwirkung mit Nutzern, Infrastruktur, …) investiert. Dazu gehören beispielweise:

• CMO – Clean Motion Offensive (www.cleanmotion.at)
• Crossing Borders - Projekt mit Schnellladetankstellen für E-Autos zwischen Bratislava – Wien – Salzburg – München
• Smile - Prototyp für einheitliche multimodale Mobilitätsplattform; Kooperation ganz unterschiedlicher Anbieter, dennoch einfache Nutzung: Information, Buchung, Bezahlung und Nutzung verschiedenster Verkehrsmittel (www.smile-einfachmobil.at).

‘Das Mobilitätsbedürfnis in ausgedünnten ländlichen Bereichen muss auch befriedigt werden. Hier gab es Unterstützungen im Mikro-ÖV-Systembereich. 70 Projekte sind bereits entstanden. Hier zeigt sich aber, dass ländliche, entleerte Bereiche langfristige Unterstützung brauchen und auf laufende Unterstützung angewiesen sind.’, so Vogel. ‘Der KLI.EN ist ansonsten um Lösungen bemüht, die sich nach einer Anschub- Finanzierung eigenständig erhalten und weiter entwickeln.’

Spannende Diskussion

Die Diskussion brachte eine enorme Bandbreite an Themen und Vorschlägen: von der Problematik der Landflucht über Praxis und Rechtslage der Flächenwidmung bis zu Ökosteuern und notwendigen Verboten (ein Diskussionsteilnehmer wollte Flüge unter 1000 Kilometern verbieten). Finanzielle Anreize wurden mehrfach vorgeschlagen und gefordert: eine attraktive Tarifgestaltung (und Organisation!) für den multimodalen Verkehr, eine Preisbildung orientiert an den Umweltwirkungen, Steuern wo Energie zu billig ist, um das gewünschte Verhalten auszulösen, Förderung der Entwicklung innovativer zukunftsweisender Verkehrslösungen …

Festgehalten wurde, dass die Klimawirkungen des Luftverkehrs bereits schlimmer sind als jene des Personenverkehrs am Boden, wenn man den Verbrauch der tatsächlichen Flugbewegungen über Österreich und die oft vielfache Klimawirkung der Emissionen in Flughöhe mit berücksichtigt.

Vortragende und Moderator hielten fest, dass die oft als vehemente Forderung vorgetragenen Vorschläge nicht an die Wissenschaft, sondern an die politischen Entscheidungsträger zu richten wären. Nur von dort können Änderungen der Rahmenbedingungen auch wirklich veranlasst und durchgesetzt werden. Voraussetzung dafür sei es allerdings, durch einschlägige überzeugende Information zunächst das Problembewusstsein der Entscheidungsträger zu stärken. Erst darauf aufbauend könnten dann Lösungen für spezifische Probleme (Nischen) und weiter reichende Änderungen erfolgen. Die Trägheitskräfte der Bequemlichkeit einerseits, der Lobbyismus der Exponenten des ‘weiter wie bisher’ andererseits seien auf diesem Weg große Hindernisse.

Notwendig seien in jedem Fall große Anstrengungen, wobei nach Meinung der Experten das Ziel – ein zukunftsfähiger Lebensstil – auch die große Mühe lohnt. Als besonders vielversprechend wurde die Entwicklung ‘von unten’ mit guten örtlichen und regionalen Lösungen empfunden.

Vorträge, Mitschrift sowie die Presseaussendung stehen zur Verfügung unter:
www.uma.or.at/fachdialog-22.10.2015-zukunft-der-mobilit%C3%A4t-rasch,-sicher,-bequem,-umweltfreundlich.html


Artikel Online geschaltet von: / wabel /