© ziesel.org / Zieselwanderung beim Heerespital in Wien
© ziesel.org / Zieselwanderung beim Heerespital in Wien

Zögerliches Naturschutz-Mikado statt dringend notwendigem Ziesel-Schutz

Das Ziesel-Vorkommen nördlich des Wiener Heeresspitals, das einem profitablen Bauprojekt weichen soll, ist erneut deutlich angewachsen.

Erstmals ist nun auch klipp und klar nachgewiesen, dass die herbeigeredete Abwanderung nicht stattfindet. Die streng geschützten Tiere wandern lieber in die Projektfläche hinein.

Freilich sind diese, an sich erfreulichen, Fakten nicht aufopfernden Pflegemaßnahmen der Bauträger zu verdanken. Und schon gar nicht den zuständigen Behörden. Denn seit heuer wird rund die Hälfte des Areals vorsätzlich nicht mehr gemäht, wodurch für die Ziesel ein Anreiz zum Abwandern gesetzt werden sollte.

Obwohl die Projektbetreiber kraft eines gültigen Bescheids zur regelmäßigen Mahd des Lebensraums verpflichtet wären, werden die Wiener Behörden nicht aktiv. Es scheint als praktiziere man, vielleicht aus Rücksicht auf höhere Interessen, lieber Artenschutz-Mikado, dessen Motto da laute könnte: ‘Wer sich bewegt, hat verloren.’

Zuletzt haben im Juni rund 400 besorgte Bürger und zahlreiche lokale Politiker gegen die drohende teilweise Lebensraumzerstörung einer der letzten großen Ziesel-Vorkommen Österreichs protestiert und den Verantwortlichen energisch die rote Karte gezeigt. Die Bürgerinitiative IGL-Marchfeldkanal dankt sehr herzlich für die zahlreiche Teilnahme!

Für besonderes Aufsehen sorgte die Ansprache des Gemeinderats und Umweltsprecher der Wiener Grünen, Rüdiger Maresch. Er kündigte an, die Einrichtung eines Naturdenkmals beim Heeresspital zum Schutz der Ziesel wäre Bedingung zur Fortsetzung der Rot/Grünen-Koalition nach der nächsten Wiener Wahl.



Aber schon jetzt müssen seiner Botschaft dringend Taten folgen! Denn sollte der Wiener Ziesel-Skandal nicht bald ein für die Tiere glückliches Ende finden, droht den österreichischen Steuerzahlern enormes Ungemach. Eine Verurteilung durch den EuGH hätte eine hohe Millionenstrafe und sündteure Wiederansiedelungs-Programme zur Folge. Anders als in der Hypo-Causa, stünden die Verantwortlichen auch ohne Untersuchungsausschuss schon jetzt fest.

Massiver Absiedlungs-Flop nun Schwarz auf Weiß !

Bericht der ökologischen Baufsicht vom Juli 2014 an die MA 22: "Noch kann die Ziesel-Population beim Heeresspital, entgegen der intensiven Bemühungen der Bauträger und ihrer Auftragsexperten, der Umlenkungsmaschinerie trotzen."

In einem aktuellen Bericht an die Naturschutzbehörde musste man das erneute Anwachsen des Vorkommens eingestehen:

‘Im Vergleich zum Maximalbestand 2013 (Quartalsbericht Jänner 2014: Tab. 1) entspricht dies einem Populationswachstum von insgesamt 6%.’

Ausgewertete Bewegungsdaten von Fang und Wiederfang markierter Zieseln zeigen ebenso ein eindeutiges Bild. Die Tiere wandern weiterhin in die Projektfläche hinein, während umgekehrt kein Nachweis für die Abwanderung auch nur eines einzigen Ziesels existiert.

‘Dies weist auf Ortstreue und Langlebigkeit vor allem der männlichen Ziesel auf der Projektfläche hin. Was die in sechs Fällen nach Westen (Anm: in das Bauland) tendierende Verlagerung der individuellen Fangorte betrifft …’

Notwendige Fanggenehmigung im Juni 2014 abgelaufen !

Das absurde Theater am Marchfeldkanal ist zudem um eine Facette reicher. Den Bauträgern ist das Fangen und Markieren von Zieseln nicht mehr möglich, denn die dafür notwendige behördliche Erlaubnis war nur bis zum 30. Juni 2014 erteilt.

Um überhaupt Lenkungsmaßnahmen beginnen zu können, bedarf es der nachgewiesenen Akzeptanz der Ausgleichsflächen durch die Ziesel. Dazu müssten dort aber vom Feld nördlich des Heeresspitals stammende Tiere wiedergefangen werden – was nun mangels Genehmigung grob gegen das Wiener Naturschutzgesetz verstoßen würde.

Fortan muss also die Expertin der Uni Wien, Dr. Ilse Hoffmann, Wanderungen der Ziesel mit anderen Methoden belegen. Ob sie dabei auch auf Befragungen von Tieren mittels Imitierung ihrer Pfeiflaute zurückgreift, ist vorerst nicht bestätigt.

’Teilweise Bescheid-Konsumation” als zweifelhafte Rechtfertigung

Ebenso eigenartig erscheint die auf der Facebook-Seite ‘Rettet die Ziesel’ gegebene Rechtfertigung der Forscherin, warum die Mahd auf der halben Projektfläche unterbleibt. Dies gehe für ihre Auftraggeber in Ordnung, da man den Bescheid der Naturschutzbehörde nur teilweise konsumiere.

Warum es allerdings in einem funktionierenden Rechtsstaat möglich sein sollte, aus einem behördlichen Bescheid zwar sämtliche erteilten Rechte zu konsumieren, ohne dabei alle auferlegten Pflichten zu erfüllen, bleibt von ihrer Seite leider vielsagend offen.


Zur Erinnerung: Die Naturschutzbehörde gab die Umlenkung der Ziesel nur unter der Auflage frei, dass diese gemäß den eingereichten Unterlagen durchgeführt wird. Die Einreichung sah jedoch vor, erst dann die Mahd einzustellen, wenn die Akzeptanz der Ausgleichflächen durch die Ziesel nachgewiesen ist. Bekanntlich existiert dafür bis dato kein Beleg.

Zaudernde Umweltanwaltschaft sieht keine rechtliche Handhabe

Trotz Aufforderungen vom Floridsdorfer Bezirksparlament und von Bürgern verharren MA22 und Wiener Umweltanwaltschaft in selbst auferlegter Tatenlosigkeit.

In einem Brief an den Floridsdorfer Bezirksvorsteher führt die Wiener Umweltanwältin aus, ‘keine ausreichende Grundlage’ zur Durchsetzung der zieselgerechten Pflege des Feldes nördlich des Heeresspitals zu sehen.

Anders als ihr Name vermuten lässt, geht die Umweltanwaltschaft Naturschutz-Konflikten offenbar leider lieber aus dem Weg.

Dabei wäre für die zaudernde Behörde gewichtige Rückdeckung gegeben. Denn wiederum auf Facebook hält Ilse Hoffmann nämlich fest:

‘aus Sicht der Ziesel wäre eine zieselgerechte Pflege naturgemäß wünschenswert’

Wiener Grüne: Naturdenkmal für Ziesel als Koalitionsbedingung

Schon mit Bekanntwerden der gefährdeten Ziesel-Population beim Heeresspital hat sich die Mehrheit der Wiener und der lokalen Floridsdorfer politischen Kräfte für den Schutz der Tiere stark gemacht. FPÖ, ÖVP und Junge ÖVP, NEOS sowie das Floridsdorfer WIFF unterstützen mit zahlreichen Initiativen.

Ebenso traten die Floridsdorfer Grünen von Beginn an energisch für den vollständigen Erhalt des bedrohten Ziesel-Lebensraums ein. Nun hat sich auch erstmals der Umweltsprecher der Wiener Grünen, Gemeinderat Rüdiger Maresch, mit deutlichen Worten positioniert.

Anlässlich der Zieselwanderung im Juni 2014 erklärte Maresch vor etwa 400 Teilnehmern, dass die Fortsetzung der rot-grünen Koalition nach der Wien-Wahl im Jahr 2015, an die Einrichtung eines Naturdenkmals, das den Schutz der Ziesel sicherstellen solle, geknüpft ist:

‘Bei den nächsten Koalitionsverhandlungen, so die SPÖ mit uns wieder koalieren möchte im Jahr 2015, werden wir diese Geschichte so erledigen, dass hier nie wieder gebaut wird, sondern ein Naturdenkmal kommt. Das ist und muss unser Ziel sein.’

Jetzt Zieselschutz statt immenser Millionenstrafe!

Keine heimische Tierart ist so massiv vom Aussterben bedroht wie das Ziesel. Wie der Naturschutzbund gegenüber dem ’Kurier” betont, befindet sich die einzig wirklich stabile Population Österreichs im Raum Krems.

Beim Wiener Heeresspital geht es, entgegen beharrlich lancierter PR-Märchen, um weit mehr als um eine Handvoll Ziesel. Vielmehr ist das Vorkommen, dass schon vor den im Rahmen des Bauprojekts getätigten Investitionen und Planungen amtsbekannt war, mit in Summe fast 1.000 Tieren eines der letzten nationalen Großvorkommen.

Eine Verurteilung der Republik Österreich durch den EuGH wegen groben Zuwiderhandelns gegen europäisches Naturschutzrecht steht im Raum.

Dem unschuldigen Steuerzahler käme das Debakel teuer zu stehen. Ein hoher zweistelliger Millionenbetrag und kostspielige Wiederansiedlungsprogramme drohen.

Petition zum Schutz der Ziesel beim Heeresspital Wien

Daher fordert die Bürgerinitaitive IGL-Marchfeldkanal, so wie das Bezirksparlament Floridsdorf und viele Bürgerinnen und Bürger, die Realisierung des Bauprojekts an einem anderen Standort und die Festsetzung eines Naturschutzgebietes auf den Grünflächen in und umliegend des Wiener Heeresspitals.

Wenn Sie Ihren Hauptwohnsitz in Wien haben, können Sie die Petition nach dem Wiener Petitionsgesetz unterstützen.

Umfassende Details: ZIESEL.org

GastautorIn: BB für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /