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Atomunfälle bedeuten langfristige Folgen und hohe Kosten

Zahl der Tschernobyl-Opfer steigt immer noch an

UKRAINE/EUROPA/OSTSEE - Vor kurzem fanden anlässlich des 28. Jahrestages der Atomkatastrophe in Tschernobyl 1986 Gedenkveranstaltungen und Anti-Atom-Proteste in verschiedenen europäischen Städten statt. Obwohl es nahezu drei Jahrzehnte her ist, dass Block 4 des Atomkraftwerk Tschernobyl explodierte und das Leben von Tausenden Menschen unwiderruflich veränderte, steigt die Zahl der Opfer weiter an. Informationen der zwischenstaatlichen Helsinki Kommission (HELCOM) zufolge stellen die Auswirkungen des Tschernobyl-Desasters eine der wichtigsten Quellen dafür dar, dass die Ostsee der radioaktivste Inland-Wasserkörper der Welt geworden ist.

Ein Netzwerk betroffener Organisationen hat außerdem zu den Dritten Europäischen Aktionswochen "Für eine Zukunft nach Tschernobyl und Fukushima" aufgerufen, während gleichzeitig Demonstrationen und Aktionen in verschiedenen Hauptstädten und vielen weiteren Orten stattfanden. Zeitzeug*innen-Gespräche mit Opfern der Tschernobyl-Katastrophe erfolgten in diesem Zusammenhang beispielsweise in Belarus, BRD, Österreich, Polen und Ukraine. Ein Überblick Tschernobyl-bezogener Veranstaltungen wurde auf der Internetseite des Nuclear Heritage Network zusammen gestellt: http://www.nuclear-heritage.net/index.php/Chernobyl_Disaster_Remembrance_2014

Infolge der Explosion in Reaktor 4 von Tschernobyl in der Ukraine verbreitete sich die Strahlung zunächst durch eine radioaktive Wolke. Kontaminationen wurden nicht nur in Nord- und Südeuropa festgestellt, sondern auch in Kanada, Japan und den USA. Desweiteren wurde Radioaktivität durch Tiere verbreitet, denen es gelungen war aus der verseuchten Zone zu entkommen. Aber auch Waren, die aus der kontaminierten Region entnommen wurden, verteilten radioaktives Material quer über Europa. Selbst Kinder, die heute in den betroffenen Gegenden aufwachsen, erfahren schwere Krankheiten durch die kontaminierte Nahrung, die sie zu sich nehmen.

Die unabhängige Vereinigung besorgter Ärzt*innen, Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), berechnete, dass es an besonders strahlenbelasteten Personen infolge des Tschernobyl-Unfalls etwa 830.000 Liquidatoren, mehr als 350.000 Evakuierte, 8.300.00 Einwohner*innen der am meisten belasteten Gebiete Russlands, der Ukraine und Belaruses, sowie 600.000.000 europäische Bürger*innen, die in den weniger kontaminierten Gebieten Europas leben, gebe. Die meisten Gesundheitsauswirkungen der Katastrophe lassen sich naturbedingt nicht direkt als Folge des Atomunfalls nachweisen. Beispiele statistisch signifikant in Zusammenhang damit stehender Krankheiten sind Leukämie, Schilddrüsenkrebs, Brustkrebs und verschiedene weitere Krebsarten, Hirntumore, genetische Missbildungen, Totgeburten, Fehlfunktionen des Gehirns, beschleunigte Alterung, geistige Störungen. Es muss darauf hingewiesen werden, dass viele Krebsarten eine Latenzzeit von 25-30 Jahren haben - daher steht ein Höchstwert festgestellter Erkrankungen gerade bevor.[1]

"Tschernobyl hat uns gelehrt, dass selbst Jahrzehnte nach einer Atomkatastrophe immer noch neue Erkrankungen auftreten und große Gebiete weiterhin zu verseucht sind, um wieder bewohnt zu werden", sagt Anti-Atom-Organisator*in Hanna Poddig. "Millionen Menschen sind von der Atomkatastrophe betroffen, hunderttausende leiden an schweren Erkrankungen. Die Ostsee ist nur eine von vielen von Tschernobyl betroffene Regionen, aber selbst heute ist sie radioaktiver belastet als andere Wasserkörper der Welt, wie HELCOM-Wissenschaftler*innen veröffentlicht haben. Wir können nicht warten bis die nächste Atomkatastrophe geschieht - alle Atomanlagen müssen sofort und weltweit stillgelegt werden!"

Das Tschernobyl-Desaster ist einer der Hauptgründe dafür, dass die Ostsee als der am meisten radioaktiv belastete Wasserkörper der Welt gilt. Die radioaktive Wolke des Unfalls in Tschernobyl bewegte sich 1986 entlang Luftströmungen geradewegs zur Ostsee und ließ den Fallout ungleichmäßig auf deren Einzugsgebiet niederschlagen. In der Ostsee regnete mehr Fallout ab als in anderen Meeren, wie z.B. dem Schwarzen Meer, Mittelmeer, der Nordsee oder dem Nordost-Atlantik.[2]

Der Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe ist für Anti-Atom-Organisator*innen aus dem Ostseeraum und anderen Regionen außerdem Anlass sich zu versammeln. Morgen findet das Europäische Anti-Atom-Forum 2014 mit dem Titel "Ökonomische Grenzen der Atomindustrie" in Prag, Tschechien, statt. Internationale Expert*innen werden über Themen wie die Energiewirtschaft im Jahr 2030, Quo vadis Atomkraft?, Risikovergleiche von Investitionen in Kohle, Atomkraft und Gaskraftwerke, sowie die Wirtschaftlichen Risiken des Baus von Atomkraftwerken in Tschechien diskutieren. Mehr Details zur Konferenz sind hier zu erfahren: http://www.nec2014.eu

Demnächst, vom 5.-11. Mai, findet das vierte Arbeitstreffen des Projekts "Atomic Threats In The Baltic Sea Region" (Atomgefahren im Ostseeraum) in Döbeln, BRD, statt. Es wird eine Gelegenheit sein, sich an dem Netzwerk/-projekt zu beteiligen, Projektaktivitäten fortzuführen, Aufgaben zu übernehmen und sich mit anderen Aktivist*innen zu vernetzen. Weitere Informationen zum Projekt gibt es im Internet: atomicbaltic.nuclear-heritage.net


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /