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Bürger, an das Atom sollst du glauben!

Das Energiemonopol von CEZ wird auch zu einem Informationsmonopol über die Entwicklungen im Energiewesen, sodass Tschechien in diesem Bereich den Anschluss verliert

Ich höre relativ häufig den tschechischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und sehe (eher fallweise) auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen.

Dabei wurde mir bewusst, ähnlich wie vielen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürgern, dass das kostenlose Gesundheitswesen, welches bis vor Kurzem durch die Verfassung garantiert war, unter den Händen der letzten Regierungen das Zeitliche gesegnet hat. Auch ein kostenfreier Schulbesuch (wenn Sie einen Schulanfänger an den Ort seiner Bildung begleiten, dann wissen Sie, was ich damit meine) gehört bei uns (in Tschechien) der Vergangenheit an, ebenso wie z.B. die Sicherheit eines würdigen Übergangs in die Pension.

Die öffentlich-rechtlichen Medien und die BürgerInnen registrieren auch, dass die größten ‘Korruptionisten’ der Korruption den Kampf ansagen und dass das eigentlich dessen Karikatur ist, oder dass die sogenannten Regierungsreformen bislang die Bevölkerung nur ärmer machen und die Wirtschaft ruinieren, statt irgendwo etwas zu verbessern.

Es gibt jedoch einen Bereich, in dem die tschechischen Bürgerinnen und Bürger und die Medien der Necas-Regierung und den Herren Kalousek (Finanzminister) und Vaclav Klaus (Präsident) maßlos und vorbehaltlos vertrauen. Und zwar im Bereich des Energiewesens. Dieses Gebiet ist aber eines, welches jetzt und in Zukunft eine langfristig relevante Auswirkung auf die Haushaltsbudgets der Familien hat und haben wird. Allerdings auch auf die Tschechische Außen- und Innenpolitik, sowie perspektivisch betrachtet, genauso auf die Qualität der Demokratie in unserem Land.

Der Energiebereich ist ein Gebiet, über das die öffentlich-rechtlichen Medien des Landes und leider auch eine Reihe von anderen Medien souverän und tagtäglich die Bürgerinnen und Bürger belügen. Wie im vergangenen Regime werden bei uns wesentliche Tatsachen verschwiegen, Fakten werden verzerrt dargestellt sowie zusammengelogene Thesen und betrügerische Absichten von ‘höchster Stelle aus’ verbreitet. In diesem Fall vor allem von Industrie- und Handelsministerium und von der Prager Burg.

Der tschechischen Öffentlichkeit wird so zum Beispiel nicht mitgeteilt, dass neben Deutschland mittlerweile auch die Schweiz, Belgien, Schweden, Italien und andere Länder beschlossen haben, die überteuerte und nach allen Seiten hin gefährliche Atomenergie aufzugeben- oder dass zum Beispiel in Frankreich (traditionell eine Bastion der Atomenergie) sich kürzlich bereits 56 % der EinwohnerInnen gegen diese Technologie ausgesprochen haben.

Der Tschechische Bürger soll selbstverständlich auch nicht erfahren, dass z.B. in Großbritannien (einer weiteren atomare Weltmacht) - ähnlich wie in Frankreich – allein im abgelaufenen Jahr insgesamt Leistungskapazitäten von 1000 MW an neu installierten Windkraftwerken hinzu kamen.

Als ‘fait accompli’ und ‘europaweiter Stopp der Dynamik hin zu einer Ökologisierung des Energiewesens’ wird dann von den tschechischen und slowakischen Medien wiederholt ein isolierter Ausspruch einer einzigen Beraterfirma zitiert, die in ihren pro-atomaren und kohleorientierten Prognosen mit ihren Ansichten in Deutschland oder Großbritannien im Gegensatz zu anderen etwa 80 Agenturen allein auf weiter Flur blieb.

Und schon gar nicht soll der tschechische Bürger darüber nachdenken, dass ein Atomreaktor etwa eine Woche Zeit braucht, um hochgefahren werden zu können und für seine sichere Abstellung in etwa die selbe Zeit beansprucht. Dabei wird aber auch von der Tschechischen Republik erwartet, dass die Durchlässigkeit und Flexibilität des Energieübertragungsnetzes in Mitteleuropa sichergestellt wird. Die Tatsache, dass das größte Hindernis für diese Durchlässigkeit und Flexibilität des Stromnetzes in Mitteleuropa die ‘unabstellbaren’ und ‘unausschaltbaren’ Blöcke in Dukovany und Temelin sind und daher keineswegs die Windräder in Norddeutschland, soll der tschechische Bürger nie aus dem Tschechischen Rundfunk und Fernsehen erfahren.

Dieses faktische Vasallentum der tschechischen Medien gegenüber einigen Regierungsakteuren, die sich möglicherweise schon die Provisionen von Atomstrojexport und Westinghouse aufteilen, war jedoch bereits bei der Havarie der Atomreaktoren in Fukushima offenbar. Damals wurde zum Beispiel in den meisten westlichen Ländern das reguläre Fernseh- und Radioprogramm unterbrochen, und in den Studios diskutierten langjährige Atomkraftgegner gemeinsam mit Politikern, Gesetzgebern und weiteren Persönlichkeiten, um die gesamte Situation rund um das Atom uns seine Spaltung neuerlich zu beurteilen und verantwortlich zu lösen.

Bei uns - nach vielen Versicherungen von Fernsehen und Radio, dass eigentlich nichts passiert sei – informierte Frau Drabova (die Chefin der Atomaufsichtsbehörde, Anm.d.Ü.) mit etwa dreitägiger Verspätung nur, dass die Situation ‘im Wesentlichen bewältigt’ sei. Wie in einer richtigen Atomsatrapie (die Situation hat sich, wie offensichtlich ist, bei uns seit Tschernobyl nicht geändert) sind natürlich weder zur Zeit der Atomhavarie mit globalen Auswirkungen noch nach ihr irgendwelche Atomgegner in die Radiostudios und vor die Fernsehkameras gekommen. Auch wurde über Probleme in einer Reihe von weiteren japanischen Atomkraftwerken taktvoll geschwiegen.
Und damit mit dieser Gehirnwäsche der Bevölkerung und der Loyalität von Radio und Fernsehen die Wünsche unserer (aber, wie offensichtlich ist, auch jener der amerikanischen und russischen) "Atomfanatiker" auch ausreichend berücksichtigt wurden, setzte man auch nach Fukushima die geschmacklose Kampagne gegen eine auf heimische und ökologische Energiequellen gestützte Energiewirtschaft fort.

Bei uns wurde und wird verschwiegen, dass die erneuerbaren Energiequellen – indesondere die Nutzung von Wind und Sonne – weltweit Wachstumsraten zwischen 20 und 30 % pro Jahr zu verzeichnen haben. Die aufgeschreckten tschechischen Beamten untersuchen daher wieder und wieder und versuchen schließlich auch unter Einsetzung der Drohung, z.B. dass man ja die Arbeit verlieren könne, jegliche Absicht, neue Windkraftwerke, Biogasanlagen, Sonnenenergie- oder Wasserkraftwerke zu errichten, zu unterbinden oder verlangen von den Baubetreibern weitere Gutachten und Gutachten von Gutachten, nur um den Weg für weitere Temelin-Kraftwerke vorzubereiten und damit auch Milliardenprovisionen für ein paar Auserwählte.

Die Bürgerinnen und Bürger werden nicht daran erinnert, dass das AKW Temelín ursprünglich 4 Blöcke haben und insgesamt 30 Milliarden Kronen kosten sollte und dass uns versprochen worden war, dass nach dem Fertigbau (wie uns auch damals praktisch die selben Firmen und die selben Menschen wie heute das weismachen wollen!) die elektrische Energie bei uns billiger werden würde. Ginge es nach dem Tschechischen Fernsehen und Radio, dann sollten wir auch darauf vergessen, dass in Temelin letztlich nur zwei Blöcke und zwar um 130 Milliarden Kronen errichtet wurden.

Wahrscheinlich nur aus Versehen erwähnte Frau Drabová als Chefin der Atomaufsichtsbehörde kürzlich in einer privaten TV-Station, dass weitere zwei Blöcke in Temelin (etwa mit derselben Leistungskapazität wie die beiden schon bestehenden Reaktoren) "vermutlich nur" 300-350 Milliarden Kronen kosten sollten. ... Diese klare "Verbilligung" der ohnehin schon "sehr billigen und hoffnungsvollen Atomtechnologie", wie die tschechischen Medien der Bevölkerung wiederholt einzuimpfen bemüht sind, darf der tschechische Bürger jedoch nie und nimmer mit der Photovoltaik vergleichen – diese Energietechnologie ist nämlich in den letzten 10 Jahren tatsächlich um das etwa 10-fache billiger geworden.

Ebenso soll der Bürger nicht erfahren, dass das für CEZ bis vor Kurzem noch ‘moderne’ und ‘sehr erfolgreiche’, allerdings einzige europäische Atombauprojekt in Finnland (in Europa wurden schon mehr als 10 AKWs außer Betrieb genommen) gegenüber dem Plan bereits mit 5 Jahren im Rückstand ist und dass es bei diesem Projekt für Finnland nur (bisher) zu einer Verteuerung um 100 % gekommen ist. Aus den unikaten tschechischen ‘Statistiken’, welche der Atomkraft eine große Zukunft signalisieren, geht selbstverständlich auch nicht hervor, dass einige amerikanische AKW-Projekte schon seit 40 Jahren gebaut werden und ihre Fertigstellung immer noch nicht abzusehen ist.

Für den gefährlichsten Aspekt dieser ganzen Pro-Atom-Kampagne halte ich allerdings die Tatsache, dass die tschechischen Medien in ihrem Auftrag der Öffentlichkeit gegenüber vergessen, der Bevölkerung mitzuteilen, dass die erneuerbaren Energiequellen auch in unserem Land dazu in der Lage sind, die fossilen Energiequellen in einem recht kurzen Zeithorizont komplett zu ersetzen (d.h. keineswegs erst in 20 oder 30 Jahren).

Weiters ist in diesem Zusammenhang ein wahrlich himmelschreiendes Verbrechen, dass durch die faktische Einstellung aller ökologischen Energieprojekte bei uns die Sanierung der Luft und damit auch ein Zurückdrängen von Erkrankungen sowie von vorzeitigen Todesfällen besonders dort, wo (...) große Heizkraftwerke mit Braun- und Steinkohle betrieben werden, um ganze Jahrzehnte hinausgeschoben werden.

Ein ökonomisches und in gewissem Sinne auch soziales Verbrechen (Gefährdung eines Teils der Mittelschicht) dieser medialen Kampagne ist weiters das Faktum, dass die im Dienste der Öffentlichkeit stehenden Medien heute bei uns offen der Monopolisierung und Zentralisierung des Ernergiewesens dienen und damit der Zentralisierung und dem anschließenden Missbrauch der ökonomischen Macht eines energetischen Monopols über die verarmenden Bürgerinnen und Bürger.

Von einer Verantwortlichkeit für das globale Klima wird in den tschechischen Medien, belehrt durch den Vater des tschechischen Wegs der Privatisierung und derzeitigen Präsidenten Václav Klaus, schon gar nichts erwähnt. Das ist jedoch schon ein anderes Kapitel, welches die tschechischen Verfechter der Atomkraft in keinster Weise interessiert.

Die im öffentlichen Dienst stehenden Medien vertrauen der Regierung im Gebiet des Energiewesens und der Energiepolitik grenzenlos und ohne Vorbehalte (oder erwecken zumindest diesen Eindruck), auch wenn sie relativ objektiv darüber informieren, wie die derzeitige Regierung das Schulwesen, den Gesundheitsbereich, die sozialen Pflegestrukturen, die Arbeitsplätze, Kultur und Wissenschaft sowie die Haushaltsbudgets der tschechischen Familien ruiniert.
Die Folgen dieses blinden Glaubens an die nukleare Vergangenheit - keineswegs also an die Zukunft der Atomkraft – werden für unser Land und letztlich für viele unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger natürlich traurig und langfristig sein. Die hoffnungslose Rückständigkeit hinter Europa und der Welt im Bereich der Einführung von modernen und sauberen Energietechnologien wird ebenso weitergehen wie die Verstärkung unserer bereits jetzt massiven Abhängigkeit vom Import von Energieträgern (insbesondere aus Russland), das Ansteigen der Kosten für Externalitäten, die mit der nötigen Bewachung und der Infrastruktur von Atomstromanlagen und gesundheitsrelevanten Fragen verbunden sind. Und fortsetzen wird sich vor allem die katastrophale Abhängigkeit der Bürger vom Energiemonopol, welche selbstverständlich mit einem noch konsequenteren Druck dieser Monopolstrukturen auf Medien und Politiker einhergeht.

Das kürzlich von der Regierung beschlossene Verbot von selbständigen Inselanlageninstallationen auf Basis von erneuerbaren Energiequellen (also das Verbot von selbst angefertigten Baukonstruktionen auch für Anlagen ohne Lieferungen ins öffentliche Energienetz) zeigt klar, wie in der Regie der Erbauer von bereits "mehreren Temelínen" die zukünftige energetische und ökonomische Freiheit von uns allen eigentlich aussehen soll.
Es ist in diesem Zusammenhang interessant, dass im benachbarten Deutschland, wo die Bevölkerung im Gegensatz zur Tschechischen Republik sich schon seit Längerem des Wertes und des Preises der energetischen (und der sich aus ihr ergebenden politischen, ökonomischen und medialen) Unabhängigkeit und Freiheit bewusst ist, die Bestrebungen eines Übergangs hin zu einer dezentral und ökologisch organisierten Energiewirtschaft und zwar trotz des letzten Preisanstiegs bei Strom auch weiterhin einer Unterstützung von bis zu 93 % der Bevölkerung erfreut.


Tschechisches Original: www.denikreferendum.cz/clanek/14257-obcane-atomu-ver


Autor: Mag. Roman Juriga, aus der Slowakei stammender Theologe ist Direktor der "Orthodoxen Akademie Vilémov" in Mähren und Gründer des "Zentrums für die Applikation erneuerbarer Energiequellen (www.orthodoxa.cz). Er ist leitendes Mitglied im Team des Europäischen Christlichen Umweltnetzwerkes (www.ecen.org). Im Rahmen der Orthodoxen Kirche in den Tschechischen Ländern und der Slowakei ist er auch als Chefredakteur des Monatsmagazins der Orthodoxen Kirche "Hlas pravoslaví" tätig. Er beschäftigt sich mit Bildungsprogrammen, Beratungen und der Einführung von Technologien zur Anwendung von erneuerbaren Energiequellen in der Praxis.

Übersetzung: Bernhard Riepl, www.sonneundfreiheit.eu

GastautorIn: Mag. Roman Juriga, Übersetzung Bernhard Riepl für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /