© Elisabeth Berger oekonews
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öko & fair ernährt mehr!

Wer hätt`s vor 30 Jahren vermutet? Im Jahr 2011 sind Welthunger und globale Agrarpolitik noch immer brandheiße Eisen.

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© Weltladen
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Wien- Die Podiumsdiskussion im C3 –(Centrum für Internationale Entwicklung) am Mittwoch, den 13. April 2011, beleuchtete das dringliche Thema der globalen Ernährungssicherung aus den Perspektiven: Entwicklungszusammenarbeit, Internationale Vernetzung der Bauern und Bäuerinnen und den heimischen Möglichkeiten eine eigene Biolandwirtschaft (bzw. Kleinbetrieb) zu führen.

Die TeilnehmerInnen waren

- Dr. Petra Gruber, Geschäftsführerin des Interdisziplinären Forschungsinstituts für Entwicklungszusammenarbeit
- Maria Vogt, Biobäuerin, Mitglied des ÖBV-Frauenarbeitskreises, Kabarettistin, Delegierte der Via Campesina Frauenkommission
- Vitoon Panyakul, Vorstandsmitglied des ’International Organic Accreditation Service”, Gründer der Earth Net Foundation (Thailand)

- Moderation: Mag. Annette Scheiner, ehemalige Ressortleiterin der ‘Zib 1’, von 2002 bis 2008 Moderatorin und Stv. Sendungsverantwortliche des ORF-Auslandsmagazins ‘Weltjournal’, freie Journalistin und Medientrainerin

5 globale Megatrends

Vitoon Panyakul, der seit 1991 in Thailand in der Bio/Ökobewegung arbeitet, hat mit KollegInnen die Green Net Coop, den ersten Bio- und Fairtrade- Nahrungsmittelverteiler im asiatischen Raum geleitet. Green Net hat für und mit den Farmern Pionierarbeit in Thailand geleistet, die Vermarktung angekurbelt und die Zertifizierungsstelle ‘Organic Agriculture Certification Thailand –ACT’ in`s Leben gerufen. Nun wird das Wissen im asiatischen Raum verbreitet und Länder wie etwa China, Hong Kong, Indonesien, Indien, die Philippinen, Laos, Cambodia und Vietnam eingebunden.

Seine Prognose für die Zukunft der Biolandwirtschaft fasst er mit 5 Megatrends zusammen:

1. Die Farmer werden immer älter. Junge Leute wandern in die Städte ab und die Generation 50+ bestreitet die Landwirtschaft mit eher kleinen Betrieben. Das führt zu stärkerer Mechanisierung und dem Bedarf an zusätzlichen ausländischen Arbeitskräften weltweit. Durch die familiäre Aufteilung der Landfläche wird Anteil an Boden für einzelne LandwirtInnen dann immer kleiner und unrentabel. Es muss dazugepachtet werden. Da halten aber die Konzerne dann wieder die Hand drauf usw. usf.

2. ProduzentInnen für Safer/Greener-Food werden zwar gefordert und gefördert, die Nachfrage nach billigem Essen, das in großen Einheiten produziert und vermarktet wird, steigt gleichzeitig enorm. Der Weg der kürzesten Zulieferketten ist, so gesehen, nicht immer der Beste, wenn man bedenken muss, wie die Lebensmittel gemacht wurden.

3. Bio-Standards und Zertifikate sind extrem uneinheitlich. Es grassiert der Witz ‘Vermische Bio-Reis aus USA und Europa und du hast Reis aus konventioneller Landwirtschaft.’ meint Panyakul bitter lächelnd.

4. Die künftige Herstellung von Treibstoffen aus Getreide und organischem Material treibt weltweit die Preise für GRUNDNAHRUNGSMITTEL (!!!) in die Höhe und führt schon jetzt zu Ankäufen von riesigen Landmengen und weiteren, wahnsinnigen Wald/Urwald-Rodungen durch Großkonzerne.

5. Der Klimawandel ist für die konventionelle Landwirtschaft nicht handhabbar. Die Technologien können den häufigen Wetterfluktuationen nicht folgen, da sie eben prinzipiell nicht ökologisch (immer an die Naturgegebenheiten angepasst) angelegt sind. Kleinere und ökologisch geführte Landwirtschaften, die auf manpower setzen, können und werden dahingehend in Zukunft flexibler sein. Dazu muss der Lebensmittelpreis aber seinem Wert angeglichen werden und für faire Arbeitsbedingungen gesorgt werden, was bei Bio heutzutage nicht der Fall sein muss.

Weltagrarbericht gibt Richtungswechsel vor

‘In der Landwirtschaft haben sich leider die Fronten zwischen den AnhängerInnen der bedingungslosen Produktivitätssteigerung mittels Technologien und den BefürworterInnen von Ökologie und sozialer Fairness in den letzten 10 Jahren verhärtet.’ meint Dr. Gruber und ‘Der Begriff der Landwirtschaft ist in die Wörter Land und Wirtschaft bis auf weiteres entkoppelt.’ Bis 2050 ist eine Steigerung der Nahrungsproduktion um 70% avisiert. Riesige Konzerne lenken solche Prozesse. Schon jetzt sind ca. 0.5% der Unternehmen weltweit Großbetriebe, die jeweils oft sogar mehr als 100 ha Ackerland besitzen, sprich ganz viel Land und Ressourcen sind in ganz wenigen Händen – die eh schon gewohnte Verteilungsungerechtigkeit auf dieser Welt. Kleinbetriebe, mit nur geringen Landflächen, können dagegen schwer bestehen.

Frau Dr. Gruber erzählt, dass 2002 das Erstellen eines Weltagrarberichts in Auftrag der Weltbank initiiert wurde, um Armut, Hunger etc. zu bekämpfen. Im Laufe der Jahre wiesen die Ergebnisse dann immer mehr in die Richtung, dass die Weltprobleme nachhaltig nur durch ökologische Landwirtschaft und die Förderung von Kleinbetrieben gelöst werden können. Daraufhin zogen viele Staaten, als es zur Unterzeichnung und dem Erstellen von Regeln gemäß dieses Berichts kam, ihre Unterschrift zurück. Die USA, Deutschland und Österreich haben zum Beispiel nicht unterschrieben. ‘Der Hunger vor Ort kann nur durch Kleinbäuerinnen (sic!) bekämpft werden.’ bekräftigt Dr. Gruber und setzt ihre Hoffnungen in das Einbringen des Weltagrarberichts in die kommenden UN-Verhandlungen.

Und wie schaut`s in Österreich aus?

Die niederösterreichische Biobäurin Maria Vogt hat den Input von Herrn Panyakul mehrmals zustimmend bekräftigt. Auch in Österreich gibt es, nicht zuletzt Aufgrund der Agrarpolitik der EU, den (Förder-)Vorteil für große, landwirtschaftliche Einheiten. Das sind große, überschaubare, effiziente, wettbewerbsfähige, von nur wenigen (oft nicht qualifizierten) BäuerInnen betriebenen und nur durch enormen (kostspieligen), technisch-chemischen Aufwand handhabbaren, Betriebe.

Kleinbäuerliche Betriebe sind gegen den EU-Trend. Auch in Österreich werden Flächen von 100 ha oft von einigen wenigen Menschen gemanagt, die auch große Förderungen vom Staat bekommen. Für Biokleinbetriebe gelten die gleichen hochtechnischen Hygiene- und Schlachtungsregeln wie für die Massenproduktion. Eine Tatsache, die in der Praxis den BiobäuerInnen ein hohes Arbeitspensum an der Grenze zur Selbstausbeutung abverlangt. Immerhin kann Maria Vogt auch von einem neuen Trend berichten, bei dem es um immer mehr junge Leute geht, die für sich eine Perspektive bei der Bewirtschaftung von eigenen kleinen Höfen zum Zweck der Selbstversorgung sehen. Ein durchaus positives Signal und ein Signal, dass wir langsam darüber nachdenken, uns aus unseren Megaabhängigkeiten zu befreien. Und sei es durch die Bewirtschaftung von Feldern durch Interessensgemeinschaften oder durch den Eigenbau auf angemieteten Feldern auf Biohöfen. Hingehen, reden und vernetzen ist da die Devise. Frau Vogt bietet auf ihrem Hof in Wolkersdorf auch die Selbsternte an.

Was kann ich tun?

1. Noch bewusster essen und einkaufen. Sich über Herkunft, Entstehungsweise und echte Umweltkosten der Lebensmittel zu Informieren, wird eine wert-schätzende Verpflichtung in Zukunft. Wegschauen, bitte nicht mehr! Am Besten immer mehr Essen ab Hof einkaufen oder HändlerIn und landwirtschaftliche Betriebsgemeinschaften des Vertrauens suchen. Vernetzen in Gemeinschaften und Sammelbestellungen aufgeben. Es gibt inzwischen genug Klein- und Bioanbieter in Österreich.

2. Weltladen, FIAN und ÖBV/Via Campesina haben politische Forderungen ausgearbeitet, die sie mit einer Postkartenaktion unterstreichen möchten. Nähere Informationen unter www.weltlaeden.at

LINKS:
http://www.grolink.se/Contacts/Vitoon.htm
http://www.claroweltladen.ch/library/produzenten/html/greennet.html
http://www.greennet.or.th/e0000.htm
http://www.weltagrarbericht.de
http://www.agassessment.org/
http://www.ochsenherz.at/
http://www.oekoweb.at/73/sw/Bioh%F6fe
http://www.adamah.at/
http://www.biowichtl.at/

GastautorIn: Dr. Elisabeth C. Berger für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /