Reaktivierung des KKWs Bohunice - Reaktionen immer heftiger

Vertragsverletzung der Slowakei eindeutig - Gaskrise als Vorwand? - Sanktionen sind notwendig

Die Slowakei hat unter dem Vorwand des Gasstreits der Ukraine mit Russland beschlossen den Block V1 des KKW Bohunice wieder in Betrieb zu nehmen. Damit verstößt die Slowakei gegen die vertraglich festgelegten und verbindlichen Vereinbarungen im Rahmen des EU-Beitritts.

Für die Wiener Umweltanwaltschaft (WUA) in ihrer Funktion als Atomschutzbeauftragte für Wien ist daher die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 EG-Vertrag unumgänglich. Wien fordert von der Slowakei die sofortige Rückkehr auf den Boden des EU-Rechts.

Da die beiden hochgefährlichen Reaktoren Bohunice V1 ausschließlich Elektrizität herstellen und die Slowakei nur etwa 8 Prozent ihrer Elektrizität aus Gas gewinnt, ist der Gasstreit der Ukraine mit Russland nicht mehr als ein Vorwand zur Wiederaufnahme des Betriebs der Risikoreaktoren. Zum Argument der Unabhängigkeit von russischen Energiequellen ist zu bemerken, dass das Uran zum Betrieb der slowakischen Atomkraftwerke ausschließlich aus Russland kommt.

Laut einstimmiger Expertenmeinungen entsprechen die beiden Reaktoren nicht den gängigen Sicherheitsstandards und sind auch nicht sanierbar. Da die beiden Reaktoren von V1 ein beträchtliches Risiko darstellen, wurde die Stilllegung im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Slowakei vereinbart. Der erste Reaktor wurde dementsprechend am 31.12.2006 stillgelegt der zweite Ende 2008.

Die Wiederinbetriebnahme verstößt gegen geltendes EU-Recht, ist sachlich nicht gerechtfertigt und stellt ein besorgniserregendes Sicherheitsrisiko für ganz Mitteleuropa dar. Ein sofortiges Tätigwerden der Bundesregierung in diesem Sinn ist nicht nur im Rahmen einer glaubwürdigen Antiatompolitik Österreichs, sondern vor allem zum Schutz der Bevölkerung notwendig.

"Die Slowakei muss jedenfalls den vertragsmäßigen Zustand von Bohunice V1 sofort wieder herstellen. Der Risikoreaktor darf nicht reaktiviert werden", fordert Dr. Andrea Schnattinger, Wiener Umweltanwältin, am Montag nachdrücklich.

"Es gibt einen gemeinsamen Kurs der beiden Regierungsfraktionen gegen die
Wiederinbetriebnahme von Bohunice", so die außenpolitische Sprecherin der SPÖ Elisabeth Grossmann anlässlich der Aussagen von Außenminister Spindelegger in der ORF-Pressestunde am Sonntag, der sich ebenfalls gegen die Inbetriebnahme ausgesprochen hat.

Swoboda fordert Eingreifen der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft

Die beabsichtigte Inbetriebnahme des slowakischen Atomkraftwerks Bohunice widerspricht eindeutig der Rechtslage in der EU", erklärt auch SPÖ-Europaabgeordneterund Vizepräsident der SPE-Fraktion im Europäischen Parlament, Hannes Swoboda. Die verständnisvolle Stellungnahme der Ratspräsidentschaft könne jedoch als Ermunterung aufgefasst werden, den AKW-Betrieb für längere Zeit wiederaufzunehmen. Zudem würden üblicherweise Reaktoren nicht nur für ein paar Tage hochgefahren, gibt der Europaabgeordnete zu bedenken. "Die Vorgangsweise der tschechischen Ratspräsidentschaft in dieser Frage ist völlig inakzeptabel", betonte Swoboda.

Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft habe in den letzten Tagen "keine Glanzleistung" hingelegt, so der SPÖ-Europaabgeordnete weiter. "Erst sehr spät nahm man den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine und die Konsequenzen für die Bürgerinnen und Bürger ernst. Dadurch wurde kostbare Zeit verloren. Zuletzt wurde auch noch nach- und fahrlässig verhandelt und den Ukrainern ein Zusatz ermöglicht, der Moskau einen Vorwand gab, seine Unterschrift zurückzuziehen", so Swoboda.

Protest von Umweltorganisationen und von den Grünen

Die beiden Umweltschutzorganisationen Greenpeace und GLOBAL 2000 wollen morgen vor der slowakischen Botschaft gegen die geplante Wiederinbetriebnahme der slowakischen Atomreaktoren V1 protestieren und meinen, die behauptete Notwendigkeit zur Energieversorgung sei nur ein Deckmantel für die Pro-Atom-Strategie der Slowakei.

Ähnliche Pläne gaben für morgen auch die Grünen bekannt, sie wollen im Rahmen ihrer Protestaktion eine Protestnote an den slowakischen Botschafter übergeben.

"Seit 2004 hätte die slowakische Regierung an einem nachhaltigen Ersatz für Bohunice durch erneuerbare Energien arbeiten können - doch die Slowakei plant nur neue Atomkraftwerke, wohl wissend, dass weder mit Gas, noch mit Atomenergie eine Unabhängigkeit in der Stromerzeugung erreicht werden kann", so die Grüne Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum.

Die Aussage des slowakischen Regierungschefs Robert Fico "man solle den Standpunkt Österreichs in dieser Frage nicht überschätzen" zeige aber leider auch die Unzulänglichkeit der Österreichischen Anti-Atompolitik. "Stille Proteste im Inland und Schweigen zum Thema bei bilateralen Gesprächen, Säumigkeit in der eigenen Energiepolitik und die Abhängigkeit von (Atom)Stromimporten schwächen den österreichischen Standpunkt in der EU! Um ernst genommen zu werden, muss Österreich endlich selbst mit gutem Beispiel vorangehen und Energieautarkie anstreben", ist Kerschbaum überzeugt.

Der Umweltsprecher der Grünen Wien, Rüdiger Maresch, fordert, dass ausnahmslos alle österreichischen Energieversorgungsunternehmen auf Profite durch Atomstrom verzichten sollen. "Es besteht der berechtige Verdacht, dass einige Landesenergieversorgungsunternehmen in Österreich Profite mit Atomstrom machen. ", so Maresch. "Der Unsitte, dass österreichische Energieversorgungsunternehmen mit Atomstrom Geld machen, muss jetzt ein Riegel vorgeschoben werden, sonst ist Österreichs Anti-Atom-Linie unglaubwürdig."

Die slowakische Regierung begründet das Anfahren mit einem drohende Blackout - also einem Totalausfall des slowakischen Stromversorgungssystems. "Das muss von Seiten der EU jedenfalls überprüft werden", fordert Eva Glawischnig, Grüne Bundessprecherin. Schließlich gäbe es auch ein europäisches Strom-Verbundnetz (UCTE), das bei einem Kraftwerksausfall Reserven zur Verfügung stellt und so einem
drohenden Blackout entgegensteuere.
Sollte es sich tatsächlich um einen akuten Versorgungsengpass handeln, müssen die EU-Staaten Solidarität üben, fordert Glawischnig. "Dann braucht es einen Notfallplan der EU. Ich schlage vor, dass Österreich diesen koordiniert. Wenn ein Mitgliedstaat durch die Gasversorgungskrise in eine akute Notlage gerät, muss er aktiv unterstützt werden."




Mehr Informationen zum KKW Bohunice: www.wua-wien.at/home/atomschutz/akw-in-europa/kkw-bohunice

Sanktionen und Strafzahlungen gegen die Slowakei unausweichlich - Euromillionen für Schließung von Bohunice sofort stoppen

"Will die EU-Kommission nicht der völligen Lächerlichkeit preisgegeben werden, so muss sie von sich aus unverzüglich Sanktionen gegen die Slowakei setzen", erklärt Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes. "Es ist einfach unerträglich, wenn ein Mitgliedsstaat der EU erklärt, er verstoße bewusst - wenn auch nur kurzfristig - gegen geltendes EU-Recht und den Beitrittsvertrag und die Verantwortlichen der EU schauen einfach untätig zu. Das schafft kein Vertrauen", so Heilingbrunner. Der Umweltdachverband fordert die Bundesregierung auf, Maßnahmen Richtung EU zu setzen, damit der rechtmäßige Zustand wiederhergestellt wird. Der Umweltdachverband appelliert daher, unverzüglich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Slowakei einzuleiten, da die EU-Kommission diesen unausweichlichen Rechtsakt wegen ihrer Atomhörigkeit bis dato nicht gesetzt hat. "Die EU-Kommission als Hüterin der EU-Verträge droht durch ihre Untätigkeit völlig zu versagen. Der Vertrauensschaden würde immens sein", meint Heilingbrunner.

Für die Stilllegung der zwei Bohunice-Reaktoren hat die EU Finanzhilfen von 20 Millionen Euro jährlich über einen Zeitraum von mehreren Jahren zugesichert. Der Umweltdachverband fordert, dass diese Geldmittel sowie auch sämtliche Euratom-Kredite sofort gestoppt werden müssen.



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /