Flussbau nach Schauberger – mit der Natur statt gegen sie - an der Großen Tulln

Der erst jüngst gegründete Verein Interessensgemeinschaft „campus lengbach“ setzt sich dafür ein, einen neuen, zukunftsfähigen Wasserbau zu betreiben

Hochwasserschutz im Einklang mit der Natur: Im Unterschied zu herkömmlichen Flussbau-Projekten wird bei dem Projekt in der Großen Tulln nicht gegen, sondern mit dem Wasser – der Fließenergie – gearbeitet. Anstatt sich auf den Uferschutz alleine zu beschränken, werden zusätzlich im Fluss Veränderungen vorgenommen. ‘Ich habe in meiner langen Tätigkeit im Hochwasserschutz gelernt, dass man sich nie gegen das Wasser stellen darf, sondern die Energie dorthin lenken muss, wo sie nicht schädlich, sondern sogar nützlich ist’, erklärt Otmar Grober von der Baubezirksleitung Bruck an der Mur. Er wird dem gesamten Projekt Große Tulln beratend zur Seite stehen. Gerade die Große Tulln ist mit ihrer Einbettung in die Flyschzone eine große Herausforderung: Sie ist durch niedere Niederwasser- und hohe Hochwasserstände charkterisiert.

Grober ist der Spezialist im deutschsprachigen Raum, was die praktische Umsetzung der Erkenntnisse Viktor Schaubergers betrifft. Er hat bereits mehrere Projekte (u.a. Mürz bei Langenwang, Salza, Mur und an der Url in Niederösterreich) erfolgreich realisiert. Das Mürz-Projekt hat bereits zwei hundertjährliche Hochwasser schadlos überstanden und es konnte eine Eisenbahnbrücke entlang der Südbahn vor schwerwiegenden Verklausungen bewahrt werden. Das Besondere am Projekt Große Tulln ist, dass der gesamte Fluss in Betracht gezogen wird und vor allem, dass erstmals mit dem Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU Graz auch eine Universität mit einem Modellversuch direkt eingebunden ist. In den Filmen ‘Die Wassermeister’ und ‘Die Wasserheiler’ stand Grober zweimal im Mittelpunkt von Produktionen, die unter anderem auch vom ZDF ausgestrahlt wurden. Seine Arbeit und Projekte wurden unter anderem mit dem Steirischen Umweltschutzpreis und dem Neptun-Wasserpreis des Umweltministeriums prämiert.

Wie alles begann …

2002 initiierte Prinz Gundakar von und zu Liechtenstein das ökologische Hochwasserschutzprojekt Große Tulln. Wenige Wochen später kam es zu einer der schlimmsten Hochwasserkatastrophen in der Geschichte des Landes. ‘Ich beschäftigte mich seit Jahrzehnten mit dem Gedankengut Viktor Schaubergers, das für mich immer plausibel war. Deshalb verwunderte es mich, warum seine Erkenntnisse nicht in die Praxis umgesetzt werden’, erzählt Liechtenstein, der im Raum Neulengbach einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb führt. Doch eines Tages erwischte er den ‘letzten Zipfel’ einer Fernsehsendung, in der der Name eines Mannes fiel, die Umsetzung in die Praxis beherrschte: Otmar Grober. ‘In detektivischer Kleinarbeit’ schaffte es Liechtenstein, den Angestellten der Baubezirksleitung Bruck an der Mur ausfindig zu machen und konnte ihn für das Projekt gewinnen. Ebenso gelang es rasch, den betroffenen Gemeinden – insbesondere Neu- und Altlengbach – die Vorteile eines Hochwasserschutzes nach Schauberger näherzubringen. Sowohl der Neulengbacher Bürgermeister Johann Kurzbauer, der inzwischen sein Amt an Franz Wohlmuth übergeben hat, als auch der Altlengbacher Bürgermeister Wolfgang Luftensteiner waren dem Projekt gegenüber von Anfang an positiv eingestellt.

Wer war Viktor Schauberger?

Viktor Schauberger wurde 1885 als Sohn eines Forstmeisters im nördlichen Mühlviertel, in Holzschlag am Plöckenstein, geboren. Schon in früher Jugend zog es ihn bei jeder Gelegenheit in die Natur des fast urwaldähnlichen Gebietes rund um den Plöckensteinersee hinaus. Entgegen dem Wunsch seines Vaters, wollte er sich nicht zum akademischen Forsttechniker ausbilden lassen, sondern zog eine praktisch orientierte Forstschule vor. Schauberger war überzeugt, dass eine akademische Ausbildung im Widerspruch zum naturrichtigen Denken stehe. Anschließend prägte ihn die Zeit als Aufseher eines 21.000 Hektar großen Jagdreviers in der Bernerau bei Steyrling, wo er fast unbeschränkt die Gesetze der Natur in einem beinahe unberührten Urwald mit dementsprechend naturbelassenen Bächen studieren konnte.

„Die Natur kapieren und kopieren“

In den 1920er-Jahren begann er, eine neue Art von Holzschwemmanlagen zu bauen, die erstmals mit einem Minimum an Wasser Holz vom Berg ins Tal transportieren konnten. Die Lösung lag darin, dem Wasser die richtige Bewegung und richtige Temperatur zu geben. Es sei die Aufgabe der Technik, die Natur nachzubauen und sie nicht zu korrigieren, war sein lebenslanges Motto. Schauberger: ‘Zuerst müssen wir die Natur kapieren und dann kopieren.’ Die erste Anlage in Steyerling/Oberösterreich fuktionierte so gut, dass er vom österreichischen Landwirtschaftsminister als Reichskonsulent für Holzschwemmanlagen angestellt wurde.

Intensiv widmete er sich der Wasser- und Flussregulierung. ‘Einen Fluss reguliert man nicht von seinen Ufern aus, sondern von innen her, vom fließenden Medium selber’, war einer der wichtigsten Leitlinien. Gleichzeitig warnte er eindringlich vor Flussbegradigungen und Kahlschlägen. Ein gesunder Fluss fließe nie gerade, sondern in Schlangenlinien (Mäandern). Nach einer gewaltigen Überschwemmung des Rheins 1935, bot Schauberger an, das Rheinbett mit einfachen Maßnahmen und geringen Kosten deutlich tieferzulegen. Obwohl er für eine erfolgreiche Regulierung garantierte, wurde sein Angebot nicht angenommen. Die Folgen der naturfernen Maßnahmen waren insbesondere bei der Überschwemmungskatastrophe des Rheins im Jahr 2002 zu sehen.

Der Naturforscher beschäftigte sich unter anderem auch mit der Elektrizitätserzeugung, mit der Herstellung von ‘Edelwasser’ und entwickelte für die Landwirtschaft Kupferpflüge, die dem Bodenleben besonders zuträglich waren. Oft scheiterte er am Widerstand der Wissenschaft, Politik oder Wirtschaft. Als alter, kranker Mann reiste er 1958 mit seinem Sohn Walter in die USA, wo er hoffte, dass seine Erfindungen zum Wohle der Menschheit verwertet werden könnten. Stattdessen wurde er gezwungen, alle Forschungsunterlagen den Amerikanern zu überlassen. Fünf Tage nach der Rückkehr nach Österreich starb Schauberger als gebrochener Mann.

Verein IG campus lengbach – für einen neuen Wasserbau

Der erst jüngst gegründete Verein Interessensgemeinschaft ‘campus lengbach’ setzt sich dafür ein, einen neuen, zukunftsfähigen Wasserbau zu betreiben. Er ist aus dem Arbeitskreis der Stadterneuerung hervorgegangen, wobei damals in erster Linie die Revitalisierung des Laabenbaches bei Neulengbach angestrebt wurde. Aufgrund von Hochwässern war auch der Hochwasserschutz hinzugekommen.

‘Der von uns angestrebte zeitgemäße Wasserbau soll auf Erkenntnissen aus nationaler und internationaler Forschung beruhen’, erklärt Martin Poller, Obmann der IG campus lengbach. Ein Schwerpunkt liegt auf den Überlegungen des österreichischen Wasserforschers Viktor Schauberger (1885 – 1958). ‘Aufgrund dieser Aktivität streben wir auch im Rahmen eines Regionen-übergreifenden LEADER-Projektes die Zusammenarbeit mit dem Mürzer Oberland an’, so Poller – das Mürzer Oberland mit dem Schwerpunkt Wald- und die Region rund um Neulengbach mit dem Schwerpunkt Wasserwirtschaft.

Für den Verein ergibt sich die einmalige Chance am Gewässer auch Forschung zu betreiben.
Die Forschung soll einerseits dazu dienen, bei gleichzeitiger Betrachtung der ökologischen Zusammenhänge die zerstörerische Kraft des Wassers zu analysieren und zu minimieren sowie andererseits Hochwasserschutz kostengünstiger als bisher zu betreiben.

‘Schöpfungstag’

Die TU Graz als Partner untersucht derzeit die von Schauberger dargestellte Pendelrampe. Die Untersuchung erfolgt mit modernen, neuen Messmethoden. Weiter Forschungsarbeiten sollen auch an der Große Tulln beispielsweise mittels Frequenzanalyse erfolgen.

Die IG campus lengbach ist auch in der Schulung sowie Wissensbildung tätig. Ein Beispiel war der Schöpfungstag am 18. September dieses Jahres, an dem Schulen aus der gesamten Region Laabenbach/Große Tulln teilnahmen. Dabei erhoben die Schüler zur gleichen Zeit den Gewässerzustand entlang des gesamten Flusses. Dieser Schöpfungstag wurde durch die Schulleitung größzügig unterstützt, wobei auch Mittel des Vereins, die wiederum von den Gemeinden Neu- und Altlengbach bedeckt wurden, in die Aktion geflossen sind.

Wasserkompetenzzentrum

‘Die Region Neulengbach will sich als Wasserkompetenzzentrum etablieren und sich ganz besonders den Themen zukunftsfähiger Wasseraufbereitung und Wasserbehandlung widmen’, betont Poller. Auch ist ein Schauberger-Park und -Pavillion geplant, in dem die Ideen Schaubergers dargestellt werden. Damit soll gleichzeitig auch die touristische Facette angesprochen werden und die Region gestärkt werden. Mit dem Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) wurde Kontakt aufgenommen, um in Zukunft einen Gewässermeisterkurses installieren zu können. ‘Wir streben auch eine enge Zusammenarbeit mit dem neu gegründeten Oberstufenrealgymnasium Neulengbach an.’. Es hat mit Beginn dieses Schuljahres seinen Betrieb aufgenommen und legt seine Schwerpunkte auf Umwelt und Energiewirtschaft sowie Sozialkompetenz und humanitäre Orientierung. ‘Hier können Synergieeffekte geschaffen werden, die heute noch nicht absehbar sind.’ So könnte beispielsweise die Miteinbeziehung eines biologischen Labors im neuen Gebäude, das 2010 fertiggestellt wird, wichtige Impulse setzen.

Sponsoren gesucht

Immer wieder finden Informationsabende statt, über die sowohl die betroffene Bevölkerung als auch darüber hinaus Interessierte angesprochen werden sollen. Ein Ziel ist es, Sponsoren für die großen Vorhaben der Zukunft zu gewinnen. ‘Vorzugsweise sprechen wir natürlich die Öffentliche Hand an, die Wasserbau vorzugsweise betreibt. Aber auch private Sponsoren sollen, im Hinblick darauf angesprochen werden, dass der Raum Neu- und Altlengbach ein Zentrum für Wasserfragen – ein Campus – werden soll’, kündigt Poller an.

‘Keine Frage, die Ziele sind hochgesteckt. Als Obmann unseres Vereins, unserer Interessengemeinschaft, kann ich nur jeden empfehlen und auffordern, bei der Suche nach neuen Erkenntnissen mitzumachen. Die Erweiterung des Wissenstandes lohnt sich für uns alle.’

Planungsstand Projekt Große Tulln

Beim ökologischen Hochwasserschutzprojekt Große Tulln wird so gut wie der gesamte Fluss betrachtet, die Möglichkeiten eines umfassenden Hochwasserschutzes modellhaft durchgerechnet, um dann die am besten geeigneten Maßnahmen in die Praxis umzusetzen.

Länge des Projektgebietes: ca. 38,8 km
Größe des Einzugsgebietes:. ca. 288 km²
Zeitraum für die Durchführung des Auftrages max. 24 Monate

Konkret handelt es sich um den Anzbach im Abschnitt zwischen Fluss-km 0,0 – 6,7 und die Große Tulln im Abschnitt zwischen Fluss-km 7,8 – 39,9.

Eingereicht wurde das Projekt im Zeitraum Jänner bis Juni 2006 vom Wasserverband Grosse Tulln für die Gemeinden Judenau-Baumgarten, Sieghartskirchen, Asperhofen, Neulengbach, Altlengbach, Maria Anzbach, Neustift-Innermanzing, Brand-Laaben. Ausgeschrieben wurde es laut Vorgaben des Bundesministeriums und der NÖ Landesregierung EU-weit durch das BÜRO Dr. LENGYEL ZT GmbH und erging im Dezember 2006 nach einem zweistufigen Verfahren an die Bietergemeinschaft DonauConsult Zottl & Erber / Pieler / ezb Wien (TB Eberstaller), Klopstockgasse 34, 1170 Wien.

Die begleitende Kontrolle führt für den gesamte Projektdauer DI Roland Hohenauer, Geschäftsführer der ‘BÜRO Dr. LENGYEL ZT GmbH’, durch.

Erledigt: Befliegung und Modellerstellung

Seit Dezember 2006 wurden vom Planungsteam folgende Arbeiten durchgeführt :

• Laserscanbefliegung und Vermessung des oben angeführten Flusslaufes
• Erstellung eines digitalen Niederschlag-Abfluss-Modelles mit der Modelleichung, wobei HQ30- und HQ100-Wellen berechnet wurden
• Berechnung der 30- und 100-jährlichen Überflutungsflächen mit einem hydraulischem 2D-Modell, wobei die Berechnungsergebnisse mit den vorliegenden Dokumenten (Berichte, Fotos, Film etc.) zu den letzten HW-Ereignissen verglichen werden.

Offen: Risikoanalyse und Festlegung von Einbauten

Nach Abschluss aller Berechnungen und Modellierungen werden in den nächsten Wochen mögliche Rückhaltebecken simuliert, eine Risikoanalyse erstellt, die Auswirkung verschiedener Einbauten (u.a. nach Schauberger) erhoben und die Untergrunderkundung durch Bohrungen sowie Analysen durchgeführt.

Im Anschluss wird dann bis Ende Jänner 2008 ein erstes Maßnahmenkonzept erstellt und den Gemeinden bzw. den Anrainern im Frühjahr 2008 vorgetragen.
Mit dem Abschluss der Planungsarbeiten ist mit Ende 2008 zu rechnen.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /