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37 Jahre Tschernobyl: Stadt Wien fordert Sicherheitszone um ukrainische Reaktoren

37 Jahre nach der verheerenden Nuklearkatastrophe von Tschernobyl ist aufgrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine das Risiko einer weiteren nuklearen Katastrophe so hoch wie schon lange nicht mehr.

Zum ersten Mal in der Geschichte ist es dazu gekommen, dass direkt an einem Kraftwerksstandort Kampfhandlungen ausgetragen wurden und ein Atomkraftwerk sogar besetzt worden ist (AKW Saporischschja). "Wien hat Tschernobyl nicht vergessen - deshalb fordern wir die unmittelbare Errichtung einer Schutzzone um alle Kernkraftwerke der Ukraine und ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen", so Wiens Stadtrat und Präsident des Städtebundes "Cities for Nuclear Free Europe" (CNFE) Jürgen Czernohorszky.

Zwtl.: Besetztes AKW Saporischschja bereits zum 6. Mal im Notkühlmodus

Aufgrund der Kampfhandlungen wurde bereits sechs Mal die Stromversorgung des AKW Saporischschja beschädigt. Jedes Mal musste die Notkühlung des Reaktors über Notstromdieselaggregate hergestellt werden. Notstromdieselaggregate stellen einer der letzten Sicherheitsmaßnahmen dar, die einem Reaktor bleiben, um eine mögliche Kernschmelze zu verhindern. Nuklearkraftwerke sind grundlegend nicht dafür ausgelegt, kriegerischen Handlungen widerstehen zu können. Daher gibt es internationale Konventionen, die gewährleisten sollen, dass AKW nicht zu Kriegsschauplätzen werden. Allerdings wird durch die gegenwärtige Situation verdeutlicht, dass diese Konventionen nicht in der Lage sind, AKW ausreichend zu schützen.

Zwtl.: 8. Wiener Atomgipfel

Um dieses und andere aktuelle Themen im Nuklearbereich debattieren zu können, lädt Wiens Stadtrat Jürgen Czernohorszky anlässlich des 45. Jahrestages der Abstimmung über das Atomkraftwerk in Zwentendorf im Herbst 2023 zum 8. Atomgipfel ein. Zu der Veranstaltung werden alle politischen Fraktionen, NGOs und Experten eingeladen. Für CNFE Präsident Czernohorszky ist klar: "Das Thema der nuklearen Sicherheit hat in den letzten Jahren leider wieder stark an Relevanz gewonnen. Umso wichtiger ist der österreichische Schulterschluss gegen Nuklearkraft über alle Fraktionen hinweg".

Energiekrise bewirkt Bestrebungen, neue Reaktoren zu bauen

Aufgrund der aktuellen Energiekrise haben mehrere Länder in Europa angekündigt, wieder vermehrt auf Nuklearkraft zu setzen. Es ist allerdings sehr fraglich, ob alle angekündigten Kraftwerksprojekte tatsächlich realisiert werden können. Bereits in der Vergangenheit wurden zu Zeiten erhöhter Strompreise nukleare Neubauprojekte angekündigt, die im Endeffekt nicht gebaut wurden. "Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass manche Nationen aktuell darüber debattieren, wieder vermehrt auf Nuklearstrom zu setzen, während in der Ukraine ein Atomkraftwerk zum Kriegsschauplatz wird", betont Stadtrat Czernohorszky. Iris Tichelmann, Wiens Umweltanwältin fügt hinzu: "Atomkraft ist absolut nicht geeignet, die globalen Probleme der Energie- und Klimakrise zu lösen."

Zahl an AKW geht in westlichen Ländern stark zurück

Zwischen 2000 und 2023 wurden in Europa und den (USA) weniger als fünf neue AKW fertiggestellt, während gleichzeitig über 20 Reaktoren abgeschaltet wurden. Darüber hinaus kommt es bei Neubauprojekten von AKW immer wieder zu längeren Verzögerungen. Bauzeiten von mehr als 15 Jahren sind inzwischen eher der Standard als die Ausnahme (siehe Flamenville, Mochovce, Hinkley Point C, Vogtle). Stadtrat Czernohorszky betont: "Die Zahlen sprechen für sich selbst - wenn man zusätzlich bedenkt, wie lange der Bau eines Atomkraftwerks in Anspruch nimmt, kann von einer nuklearen Renaissance keine Rede sein".

Gefahren der Laufzeitverlängerung alternder Atomkraftwerke

Aufgrund des schleppenden AKW-Ausbaus, wollen viele Betreiber die Laufzeit von alten AKW über die ursprüngliche Lizenz hinaus verlängern. Aktuell lässt Ungarn prüfen, ob die Laufzeit des AKW Paks ein weiteres Mal verlängert werden kann. Diese Reaktoren wären somit 70 Jahre in Betrieb, obwohl die ursprüngliche Auslegung nur für 30 Jahre anberaumt war. Iris Tichelmann, Wiens Umweltanwältin, betont: "Der über die ursprüngliche Laufzeit eines Reaktors hinausgehende Einsatz von Atomkraftwerken birgt viele Risiken mit sich - viele Sicherheitssysteme, die für einen neuen Reaktor Standard sind, können bei alten Reaktoren einfach nicht mehr nachgerüstet werden."

Quelle: Wiener Umweltanwaltschaft



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /