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"Weil´s eh schon egal ist"

Tiroler Tageszeitung Leitartikel, Ausgabe vom 27. März 2023, von Manfred Mitterwacher

Einen neuen, nachhaltigen Weg im Tourismus predigt sie, auf mehr Gletscherschutz pfeift sie: Die schwarz-rote Koalition (in Tirol) übt sich in Sachen Klima- und Naturschutz in Klientel-Politik. Angekündigten Reformen droht deshalb der Rückwärtsgang.

Grünes Licht für alle (Aus-)Baupläne auf den Tiroler Gletschern. Durchwinken aller Projekte, solange Skigebiets- und Bahnbetreiber aus den Eisriesen noch wirtschaftlichen Profit schlagen können. Die paar Pisten- und Liftkilometer mehr werden den Gletschern nicht den Todesstoß versetzen. Die Ostalpengletscher werden so oder so wohl schon im Jahre 2050 Geschichte sein, sagen Glaziologen. Dem Klimawandel sei Dank. Also, was soll die Aufregung über neue Liftprojekte am Pitztaler und Kaunertaler Gletscher? Was soll der Ruf nach einem absoluten Gletscherschutz bringen? Mit viel Fatalismus ließe sich so argumentieren. Aber genau das wäre fatal. ÖVP und SPÖ wollen nicht mehr die "Oberbetonierer" mimen. Umwelt- und Naturschutzpolitik hat sich auch bis in ihre Kernwähler-Klientel durchgesprochen. Zum Gletscherschutz steht die Neuauflage der "Großen Koalition" in Tirol. Selbstverständlich! Freilich zu jenem Schutz, den noch eine VP/SP-Landesregierung im Jahre 2005 nachhaltig verwässert hat. Und den auch ein grünes Regierungsintermezzo nicht wieder reparieren konnte. Im Gegenteil. Aktuell reicht ein simples, von der Regierung zu erlassendes Raumordnungsprogramm, um den Gletscherschutz auszuhebeln. Das machte Pläne wie jene für die "Gletscher-Ehe" von Pitztal und Ötztal erst möglich. Dass letztlich die Bevölkerung dagegen aufbegehrte, war nicht Teil der Rechnung. Erschließungsfreundliche Paragrafen im Tiroler Seilbahn- und Skigebietsprogramm (TSSP) sind weitere nützliche Helferlein, um strittige Skigebiets-Erweiterungen rechtlich am Leben zu halten. Hauptsache "don’t call it" Neuerschließung. Lange vor Corona wurde hierzulande gegen den "Over-Tourism" aufbegehrt. Die schwindende Tourismusgesinnung in der Bevölkerung führte zum VP-Versprechen eines "neuen Tiroler Weges". Das Credo der Nachhaltigkeit wurde und wird seither wie die sprichwörtliche Sau durchs Tourismusdorf Tirol getrieben. Immer und immer wieder. Aktuell juchzt die Branche, wieder fast auf Vor-Corona-Niveau zu sein. Mehr Qualität nur da, wo der Peak an Masse längst erreicht ist, also in der Hauptsaison. Die Nebensaison hingegen vertrage noch Quantität. So tönt es aus der Tourismusbranche in die ORF-Mikros. Der Lerneffekt geht gen null. LH Anton Mattle (VP) und LHStv. Georg Dornauer (SP) haben bei Amtsantritt eine Überarbeitung des TSSP und eine Novelle des Naturschutzgesetzes angekündigt. Zu befürchten ist ob der jüngsten Aussagen und Handlungen eine Verschlimmbesserung. Mehr Gletscherschutz wird´s auf alle Fälle nicht geben. Da winken VP und SP schon ab. Weil´s eh schon egal ist.

Quelle: Tiroler Tageszeitung


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /