© Alstom / Euroduplex in Spanien
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Shinkansen, der japanische Schnellzug: „‚Zu spät‘ beginnt mit der ersten Sekunde Abweichung“

In Japan kommt Pünktlichkeit vor Geschwindigkeit: "Pünktliche Züge machen Menschen glücklich"

Hamburg - „‚Zu spät‘ beginnt mit der ersten Sekunde Abweichung vom Fahrplan“, jedenfalls gilt das für den japanischen Wunderzug Shinkansen. Derweil sinkt in Deutschland die Pünktlichkeitsrate der Züge auf 59 Prozent. Investitionskosten von 14 Milliarden Euro fließen in Reparaturen und ziehen eine Rekordzahl von Baustellen nach sich, die wiederum Verspätungen bedingen. Was die Deutsche Bahn vom japanischen Zug lernen kann – ein fiktives Gespräch und ein Appell in ZEIT WISSEN.

„Ich fahre fast immer auf die Sekunde genau ab, und ich komme praktisch nie zu spät an, im Jahresdurchschnitt aller Tokaido Shinkansen sind es 30 Sekunden. Wenn ich mal nicht pünktlich bin, bringen das sogar die Verkehrsnachrichten“, so der japanische Zug Shinkansen im fiktiven ZEIT WISSEN-Gespräch. In Japan komme Pünktlichkeit vor Geschwindigkeit. Das sei „eine Selbstverständlichkeit, schon in der Schule, später am Arbeitsplatz. Das hat immer auch etwas mit Respekt zu tun. Ich gelte nur als pünktlich, wenn ich auf die Sekunde genau abfahre.“ Ein Grund für die außergewöhnliche Genauigkeit des Shinkansen: „Ich wurde von Anfang an anders geplant als der ICE. Ich musste mir meine Strecken zum Beispiel nie mit dem langsamen Nahverkehr oder mit Güterzügen teilen. Es gibt für mich sogar eigene Bahnhöfe.“ Für Reparaturen müssen keine Züge ausfallen, denn „bei mir werden Teile ausgetauscht, wenn sie bald kaputtgehen könnten – nicht erst, wenn sie kaputt sind. Was die Techniker übersehen, merkt dann einer der unzähligen Sensoren oder eins der Spezialmikrofone, die rund um die Uhr überwachen, ob mit Zügen und Schienen alles in Ordnung ist.“

Pünktliche Züge machen die Menschen glücklich: „Wir Shinkansen und die Japanerinnen und Japaner haben eine sehr innige Beziehung. Auch weil die Leute hier alles lieben, was reibungslos funktioniert.“ Von einem solchen Verhältnis zwischen Fahrgästen und Fernverkehr ist Deutschland weit entfernt, und so bald wird auch kein Shinkansen auf unseren Schienen fahren: „Leider sagt die Deutsche Bahn, die Voraussetzungen, was Spurweite, Außenmaße, Stromversorgung bis hin zur Leit- und Sicherungstechnik angeht, seien zu unterschiedlich.“ Sehr schade, befindet der Shinkansen.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /