© Gerd Altmann pixabay.com
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WIFO: Auf den starken Anstieg der Emissionen 2021 folgt ein leichter Rückgang

Verlagerung des Wirtschaftswachstums auf den Dienstleistungsbereich und getrübte Konjunkturaussichten lassen Emissionen sinken

Nach dem Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität und der Mobilität im Zuge der COVID-19-Krise sanken die Treibhausgasemissionen im Jahr 2020 laut Umweltbundesamt im Vergleich zu 2019 um 7,7% auf 73,6 Mio. t CO2-Äquivalente. Aktuelle Auswertungen von Monatsdaten weisen darauf hin, dass die Treibhausgasemissionen 2021 um etwas unter 5% gegenüber dem Vorjahr anstiegen. Somit dürften sie nur geringfügig unter dem Niveau von 1990 liegen. Die positiven Konjunkturaussichten für 2022 (BIP +4,3%) schlagen sich nicht in gleichem Ausmaß in einer Steigerung der Emissionen nieder. Gründe dafür sind, dass sich insbesondere die weniger emissionsintensiven Dienstleistungssektoren günstig entwickeln und dass der Heizenergiebedarf geringer als im abgelaufenen Winter sein könnte. Die schwächere Konjunktur für 2023 lässt einen leichten Rückgang der Emissionen erwarten.

Wohlbefinden und hohe Lebensqualität sind zentrale Ziele der Wirtschaftspolitik, denen in der Vergangenheit zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Mit sogenannten "Beyond-GDP"-Indikatoren wird diesem Defizit international begegnet. "Das WIFO ist das erste Konjunkturforschungsinstitut, das die Treibhausgasemissionen in die vierteljährliche Prognosetätigkeit integriert", so der Direktor des WIFO Gabriel Felbermayr. "Dieser "Beyond GDP"-Indikator ist zentral, um die Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft, Umwelt und Sicherung der Lebensqualität einerseits und den Einfluss von Politik und Schocks zeitnah und genau zu verstehen". Ausgehend von der Treibhausgasinventur des Umweltbundesamtes berechnet das WIFO im Zuge der Konjunkturprognose die Treibhausgasemissionen Österreichs von 2021 bis 2023. Die Ergebnisse von 2021 basieren auf beobachteten Aktivitäten, die Werte ab 2022 unterstellen die aktuelle WIFO-Konjunkturprognose über die Wirtschaftsentwicklung und Treibhausgasintensität der Sektoren. Diese Daten werden in das WIFO-Modell "ALICE" gespeist, welches die Verflechtungen von Energie, Emissionen und Wirtschaft konsistent abbildet.

Die Auswertung rezenter Monatsdaten aus 2021 in den Bereichen Mobilität, Mineralöl-, Strom- und Gasverbrauch sowie Stahlerzeugung deuten auf einen starken Anstieg der Treibhausgasemissionen um etwas unter 5% gegenüber dem Jahr 2020 hin. Somit wurde trotz der hohen Produktionsauslastung der Stahlerzeugung (+17%) und dem relativ kalten Jahresverlauf (+12% Heizgradtage im Vergleich zu 2020) das Vorkrisenniveau von 2019 unterschritten. Vor allem der - teils Lockdown-bedingte - Anstieg von nur +4% im Kraftstoffabsatz erklärt dieses Ergebnis, nachdem im Jahr 2020 um 12% weniger Kraftstoff als 2019 verkauft wurde.

Zur Abschätzung der Entwicklung der Emissionen in den Jahren 2022 und 2023 werden die sektoralen Wirtschaftsentwicklungen von Industrie und Dienstleistungen auf Basis der WIFO-Konjunkturprognose übernommen und durch Trendfortschreibungen ergänzt, etwa bei den Heizgradtagen oder dem weiteren Ausbau erneuerbarer Energieträger. Unterstellt wurde, dass Gas als Energieträger nicht von Kohle ersetzt wird und die Auslastung der Stahlproduktionskapazitäten dem Konjunkturverlauf folgend abnehmen wird. Die hohen Energiepreise 2022 und 2023 lassen erwarten, dass die Emissionen im Transportsektor gedämpft wachsen werden. Diskretionäre Maßnahmen zur Stabilisierung der Treibstoffpreise in Nachbarländern (z. B. Deutschland, Ungarn) erschweren die Einschätzung der Kraftstoffexporte im Tank, eine für die Treibhausgasemissionen bedeutende Position.

Das ähnliche Wirtschaftswachstum in den Jahren 2021 und 2022 hat sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Emissionsentwicklung. Während 2021 eine starke Sachgüterkonjunktur wirksam war, die mit entsprechenden Emissionen verbunden war, ist das Wirtschaftswachstum 2022 stark durch die Erholung des weniger emissionsintensiven Tourismussektors geprägt. Somit wird für das Jahr 2022 ein Rückgang der Emissionen um 1,8% erwartet. 2023 führt in erster Linie das insgesamt geringere Wirtschaftswachstum zu leicht rückläufigen Emissionen (-1,1%), wobei auch die ermittelten Trends z. B. in der Energieintensität und für Heizgradtage einen Beitrag leisten. "Diese geschätzten Emissionsverläufe sind jedoch nicht kompatibel mit den Reduktionen, die notwendig sind, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen", meint WIFO-Umweltökonom Mark Sommer.

Für die Erreichung der Klimaziele ist es notwendig, die wirtschaftspolitisch angestrebte Steigerung von Wertschöpfung und Beschäftigung vom Materialverbrauch und klimaschädlichen Treibhausgasemissionen zu entkoppeln. Dies ist in Österreich bisher in nur bescheidenem Umfang gelungen (Abbildung 1). Das gemeinsame Ziel der EU-Mitgliedsländer, die Treibhausgasemissionen gegenüber 2005 um 55% bis 2030 zu senken und das im Regierungsprogramm definierte Ziel der Nettotreibhausgasneutralität für das Jahr 2040 sind ambitioniert, und nur mit Maßnahmen erreichbar, die einerseits kurzfristig und andererseits strukturell wirken. "Damit diese Ziele in Reichweite bleiben, müssen sie sobald wie möglich in zeitliche und sektorale Zwischenziele heruntergebrochen werden und mit entsprechenden Maßnahmen hinterlegt werden", betont WIFO-Umweltökonomin Claudia Kettner.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /