© Alexas Fotos unsplash.com
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Pandemie: Depressionen und Essstörungen bei Jugendlichen steigen weiter an

Vor allem Mädchen leiden massiv unter Corona-Belastungen

Die Pandemie hat massive Folgen für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Im Jahr 2021 stiegen Depressionen und Essstörungen bei Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren weiter an. Mädchen wurden mit psychischen Erkrankungen deutlich häufiger stationär behandelt als Jungen. Im Grundschulalter zeigte sich eine spürbare Steigerung von Störungen sozialer Funktionen und eine Zunahme von Entwicklungsstörungen. Das ist das Ergebnis der Analyse aktueller Krankenhausdaten der DAK-Gesundheit für den Kinder- und Jugendreport 2022.

Für den Report untersuchten Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld anonymisierte Abrechnungsdaten von rund 800.000 Kindern und Jugendlichen im Alter bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Analysiert wurden die Jahre 2019 bis 2021. Die Daten zeigen, dass vor allem Mädchen im späten Teenageralter massiv unter den Auswirkungen der Pandemie leiden.

„Unser aktueller Kinder- und Jugendreport zeigt, wie sehr Jungen und Mädchen in der Pandemie leiden. Der starke Anstieg bei Depressionen oder Essstörungen ist ein stiller Hilfeschrei, der uns wachrütteln muss“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Wir dürfen nicht länger zuschauen, sondern müssen dem Thema Kinder- und Jugendgesundheit endlich mehr Gewicht geben und handeln. Die Lage hat sich im vergangenen Jahr dramatisch verschärft, doch noch hat die Politik darauf nicht entsprechend reagiert. Deshalb ist die Einrichtung einer Enquete-Kommission durch den Deutschen Bundestag aus meiner Sicht der richtige Weg, um die Probleme weiter zu analysieren und noch in dieser Legislaturperiode erste Konsequenzen umzusetzen. Es geht um die gesundheitliche Zukunft einer ganzen Generation.“

Ähnliche Tendenzen gab es auch bei den Schulkindern im Alter zwischen zehn und 14 Jahren. Hier nahmen vor allem stationäre Behandlungen aufgrund von Depressionen (plus 27 Prozent), Angststörungen (plus 25 Prozent) und Essstörungen (plus 21 Prozent) zu.

Prof. Dr. med. Wieland Kiess, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Leipzig: „Die Daten belegen auch, dass sich das Gesundheitswesen durch die Veränderungen in Krisenzeiten, wie einer Pandemie, reorganisiert und die Organisationsformen dringend überdacht werden sollten. Die Trennung zwischen ambulanten und stationären Behandlungs- und Betreuungskonzepten ist falsch und nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen Versorgungsformen neu denken und die Versorgungsstrukturen dem Bedarf der Kinder und Jugendlichen heute und in der Zukunft anpassen.“

Die Daten des Kinder- und Jugendreports zeigen zudem, dass Grundschulkinder vor allem unter Störungen sozialer Funktionen und Entwicklungsstörungen leiden. So wurden 2021 36 Prozent mehr Kinder im Alter zwischen fünf und neun Jahren aufgrund von Störungen sozialer Funktionen in Kliniken behandelt. Bei Entwicklungsstörungen war es ein Plus von elf Prozent. Auffallend ist, dass Jungen in diesem Kontext häufiger in Behandlung waren als Mädchen: Sie fanden fast doppelt so häufig wegen der Störung sozialer Funktionen und fast dreimal so häufig aufgrund von Entwicklungsstörungen den Weg in deutsche Krankenhäuser.

„Die Corona-Pandemie und ganz besonders die von der Politik verhängten Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung haben Kindern in allen Altersstufen erheblichen gesundheitlichen Schaden zugefügt. Neben eher organischen Krankheiten wie Adipositas betreffen die feststellbaren Gesundheitsschäden vorwiegend den psychosozioemotionalen Bereich“, sagt Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. „Kinder und Jugendliche stellen eine ebenso vulnerable Gruppe innerhalb der Bevölkerung dar wie alte beziehungsweise vorerkrankte Bürgerinnen und Bürger während der Corona-Pandemie. Während letzteren natürlich auch zu Recht Aufmerksamkeit und Fürsorge gewidmet wurden, haben die politisch Verantwortlichen über zwei Jahre lang die ebenso existentiell wichtigen Bedürfnisse und Bedarfe der jungen Generation schlichtweg ignoriert. Der dadurch bedingte Schaden ist erheblich, wie der DAK-Report zeigt."


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /