© Gerd Altmann pixabay.com
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Bericht des Weltklimarats: Anpassungsfähigkeit hat Grenzen

Der heute vom Weltklimarat (IPCC) veröffentlichte Sachstandsbericht zeigt: Die Folgen des Klimawandels werden sich stärker und früher zeigen als bisher angenommen

Unverzügliches und zielstrebiges Handeln im Bereich des Klimaschutzes sowie der Klimawandelanpassung sind erforderlich, um Risiken auf einem bewältigbaren Niveau zu halten und unwiderrufliche Schäden in Ökosystemen und Gesellschaften abzuwenden

Der aktuelle Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) macht deutlich: Die Weltgemeinschaft wird noch früher und stärker mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert als bislang angenommen. Für den Bericht werteten internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Tausende von Studien aus, um die Folgen des Klimawandels zu bewerten. Matthias Garschagen, Inhaber des Lehrstuhls für Anthropogeographie mit dem Schwerpunkt Mensch-Umwelt-Beziehungen am Department Geographie der LMU, gehört zu den Leitautoren des Kapitels 16, in dem Schlüsselrisiken des Klimawandels sowie die Anpassungskapazitäten und -grenzen übergreifend zusammengefasst und bewertet werden, und war auch an der Abstimmung der finalen "summary for policy makers" beteiligt.

"Die bisherigen Risikoabschätzungen waren zu optimistisch", sagt Garschagen. "Wir haben es immer mehr mit Verflechtungen und Komplexitäten im System zu tun, durch die sich Risiken gegenseitig hochschaukeln, etwa wasserbezogene und nahrungsmittelbezogene Risiken. Diese Komplexität hat die Wissenschaft erst in den letzten Jahren verstärkt in den Blick genommen." Die Autorinnen und Autoren sehen starke Auswirkungen des Klimawandels in allen Erdregionen und in allen Sektoren, beispielsweise in der Infrastruktur, in Städten, in der Nahrungssicherung, in der Landwirtschaft, oder im Fischfang.

Zudem macht der Bericht deutlich, dass Klimaanpassung zwar voranschreitet, aber bislang nicht alle Risiken kompensieren kann. "Gerade bei Erwärmungspfaden, die uns auf eine Temperaturzunahme von 3°C oder sogar mehr bis zum Ende des Jahrhunderts bringen, sehen wir deutliche Anzeichen, dass zumindest unsere momentane Anpassungsplanung nicht ansatzweise ausreichen wird", betont Garschagen. "Selbst wenn wir die 2°C-Grenze einhalten, werden in vielen Erdregionen die Grenzen der Anpassungsfähigkeit erreicht werden, insbesondere in ärmeren Ländern mit geringen Anpassungskapazitäten." Deshalb müsse sowohl der Klimaschutz als auch die Klimaanpassung sehr zügig und effektiv vorangetrieben werden. Dabei müsse man wesentlich vorausschauender und integrierter agieren, als es bisher der Fall ist. "Noch haben wir es selbst in der Hand!", so Garschagen.

Weitere irreversible Schäden

Ein gemeinsames Briefing der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung (hbs) und des US-amerikanischen Center for International Environmental Law (CIEL) stellt fest, dass der IPCC-Bericht deutlicher als je zuvor bereits jetzt schwere und dauerhafte Verluste und Schäden für menschliche und natürliche Systeme in Folge des Klimawandels bestätigt.

Eine Erwärmung um mehr als 1,5°C würde zu weiteren irreversiblen Schäden führen, heißt es in dem gemeinsamen hbs-CIEL-Briefing, das die wichtigsten Aussagen des IPCC dazu zusammenfasst. Strategien, eine solche Überschreitung des 1,5°C-Limits unter Einsatz von großtechnologischen Geoengineering-Maßnahmen zur Veränderung der Sonneneinstrahlung (Solar Radiation Modification, SRM) oder der technologischen Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR) zu verhindern, würden laut hbs-CIEL-Briefing unkalkulierbare Gefahren bergen. Der neue IPCC-Bericht veranschauliche in aller Deutlichkeit, wie diese nicht erprobten, hochriskanten Technologien katastrophale Ereignisse insbesondere in ohnehin von der Klimakrise stark betroffenen Teilen der Welt auslösen könnten.

"Eine Temperaturüberschreitung von mehr als 1,5°C wird zu irreversiblen und verheerenden Schäden für Menschen, Ökosysteme und Arten führen. Darüber hinaus besteht bei einer Überschreitung von 1,5°C die Gefahr, dass Kipppunkte und Rückkopplungen im Klimasystem ausgelöst werden, die die Klimakrise beschleunigen", sagte Linda Schneider, Referentin für Internationale Klimapolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. "Hochriskante Geoengineering-Technologien wie die Veränderung der Sonneneinstrahlung (Solar Radiation Modification, SRM) und die großtechnologische Entfernung von Kohlendioxid (Carbon Dioxide Removal, CDR) produzieren neue, katastrophale Risiken für die Menschen und den Planeten und können daher keine Option sein.“ Schneider sagt weiter: „Wir müssen die Emissionen durch einen umfassenden Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen sofort und weltweit drastisch reduzieren, finanzielle Unterstützung für Verluste und Schäden bereitstellen und einen Temperaturanstieg vermeiden, der die globalen Ungerechtigkeiten weiter verschärfen würde."


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /