© Gerd Altmann pixabay.com
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Südwind: Österreichs Vorschlag für den EU-Wiederaufbauplan fällt bei globaler Verantwortung klar durch

Positive klimapolitische Aspekte können entwicklungspolitische Verfehlungen nicht kaschieren - Menschenrechtsorganisation kritisiert mangelhaftes Beteiligungsverfahren

Wien - Der kürzlich veröffentlichte Vorschlag der Bundesregierung für einen EU-Resilienz- und Wiederaufbauplan hat grobe Mängel in den Bereichen globale Verantwortung, soziale Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit. Zu diesem Ergebnis kommt ein Check der Menschenrechtsorganisation Südwind. „Eine globale Krise braucht auch eine global wirksame, sozial gerechte Lösung. Leider bleibt der vorgelegte Plan der Bundesregierung effektive Schutzmaßnahmen für benachteiligte Gruppen und mutige Schritte für einen gerechten Ausgleich weiterhin schuldig“, sagt Stefan Grasgruber-Kerl, Menschenrechtsexperte bei Südwind. Die Menschenrechtsorganisation kritisiert fehlende Pläne für eine gerechte Klimaschutz-Finanzierung für den Süden, die fehlende Unterstützung für klimabedingte Migration und mangelhafte sozial-ökologische Kriterien für die öffentliche Beschaffung. Auch Unternehmensverantwortung, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und Bestimmungen für verantwortungsvolle globale Lieferketten ohne Kinderarbeit und Ausbeutung sucht man im Vorschlag der Bundesregierung vergeblich. Südwind fordert von Österreichs Bundesregierung eine Nachschärfung der vorgelegten Pläne für einen echten sozial-ökologisch gerechten Wiederaufbau.

Von den 17 von Südwind in der öffentlichen Konsultation eingemahnten Punkten wurde nur einer aufgenommen, fünf weitere sind zumindest schwach vertreten, elf Punkte bleiben gänzlich unberücksichtigt. Scharfe Kritik übt Südwind am Konsultationsprozess: „Die gültigen Standards für eine Öffentlichkeitsbeteiligung wurden klar gebrochen: Es gab keinerlei Rückmeldung an die Beteiligten, keine Veröffentlichung der Stellungnahmen und keine öffentliche Debatte. Einzig eine E-Mail Adresse anzugeben, bei der die Zivilgesellschaft ihre Vorschläge deponieren kann, ist eine Farce und hat mit einem strukturierten Konsultationsprozess nichts zu tun“, so Stefan Grasgruber-Kerl.

Auch in der nationalen Bildungs- und Sozialpolitik fehlen laut Südwind wirksame Instrumente für mehr Chancengleichheit. So gibt es im vermehrt digitalen Bildungswesen für Kinder aus finanziell benachteiligten Familien neben den Schul-Laptops keine Förderungsmaßnahmen, ebenso wenig wie innovative Ansätze zum Empowerment von benachteiligen Jugendlichen in der Jugendarbeit oder Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Migrationshintergrund am Arbeitsmarkt. „Globale Bildungsinhalte und -methoden wie Bildung für nachhaltige Entwicklung, die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) und Globales Lernen fehlen leider ebenso wie neue Impulse für sozial-ökologische Beschaffung“, sagt Südwind-Experte Grasgruber-Kerl. In der öffentlichen Beschaffung wird einzig auf die Kriterien wie ILO Konventionen verwiesen die bereits im Bundesvergabegesetz 2018 enthalten sind. Sozial-ökologische Kriterien für den zunehmenden Rohstoffabbau für digitale Hardware und E-Mobilität fehlen.

Durchaus positive Ansätze sieht Südwind bei der Bekämpfung von Energiearmut, der Verbesserung von Kinderbetreuungsangeboten und frühe Hilfen für Schwangere und Familien sowie bei der Reparaturförderung von elektrischen und elektronischen Geräten. Bezüglich der nachhaltigen Digitalisierung der Schulen mit Fokus auf Reparierbarkeit und Recycling können sich Schulen zwar auch für „refurbished“ Geräte entscheiden, allerdings sind das derzeit nur 2 Prozent und die Steigerung dieses Anteils wird leider nicht gefördert. Südwind begrüßt ebenfalls die angekündigten Förderprogramme für erneuerbare Energien und Mehrwegsysteme, den Ausbau von Bahn und öffentlichem Verkehr sowie den Biodiversitätsfonds. Auch die im Wiederaufbauplan angekündigte öko-soziale Steuerreform ist ein wichtiger Schritt, wobei hier die CO2-Bepreisung noch nicht ausreichend konkretisiert ist und Maßnahmen zur von der EU empfohlenen Entlastung des Faktors Arbeit ebenso fehlen, wie die dafür entscheidende Besteuerung von Vermögen.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /