© Bernadette Wurzinger  / Essen ohne Fleisch
© Bernadette Wurzinger / Essen ohne Fleisch

Ostern ohne Familie und auch noch ohne Fleisch?

Für viele wird es neu sein, für manche ist es vielleicht unvorstellbar gewesen: Ostern feiern ohne Familienfest.

Die Corona-Krise verlangt uns einiges ab. Der Verzicht auf soziale Nähe wiegt für viele besonders schwer. Dennoch birgt das alles auch eine Chance für neue Gedanken, zum Beispiel: „Ostern auch ohne Fleisch?“ Möglich ist das. Googelt man „vegetarischer Osterbraten“ liefert die Suchmaschine ganze 28.000 Ergebnisse. Doch bedeutet eine fleischlose Ernährung auch, die Umwelt zu entlasten? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts haben dazu zahlreiche Ökobilanz-Studien und Metaanalysen ausgewertet und eine Analyse erstellt.

Tofu-Bratwurst, veganes Chili, Seitan-Braten, vegetarisches Schnitzel, Bohnenburger, Sojasteak –meist wird davon ausgegangen, dass eine fleischreduzierte Ernährung nicht nur das eigene Gewissen, sondern auch die Umwelt entlastet. Doch stimmt das wirklich? Um diese Frage zu beantworten, haben Expertinnen und Experten des Öko-Instituts wissenschaftlichen Studien ausgewertet, die bislang zu dem Thema erschienen sind.

Lohnt sich die Ernährungsumstellung für die Umwelt?

Ja sie lohnt sich! Bei dem Screening ist herausgekommen, dass die Hypothese breit und robust bestätigt wird: Die meisten Fleischersatzprodukte sind in Bezug auf das Treibhausgaspotenzial und den Bedarf landwirtschaftlicher Flächen günstiger zu bewerten als Fleisch und Fleischprodukte.

Als umweltfreundlichste Proteinquelle pro Kilogramm wurden vegetarischer Fleischersatz und Hülsenfrüchte identifiziert.

Ebenso kann festgehalten werden, dass in allen ausgewerteten Studien rotes Fleisch[1], das heißt Fleisch von Wiederkäuern, besonders große negative Auswirkungen auf die Umwelt hat. Entsprechend stellt ein möglichst weitreichender Fleischverzicht einen aus Umweltsicht großen Hebel zur Verbesserung dar.

Soja: Anbauflächen beachten

In der Auswertung der vorhandenen Literatur wird deutlich, dass soja-basierten Fleischersatzprodukten ein großes Verbesserungspotenzial zugeschrieben wird. Allerdings muss die teilweise aufwändige Verarbeitung von Soja berücksichtigt werden. Potenziell nachteilige Effekte des Soja-Anbaus, wie etwa Entwaldung, werden in der ausgewerteten Literatur nicht in jedem Fall explizit und oft nicht ausreichend berücksichtigt. Bei Soja ist wichtig zu unterscheiden, ob der Anbau auf landwirtschaftlichen Flächen erfolgt, auf denen zuvor tropischer Regenwald stand, oder aber auf landwirtschaftlichen Flächen in Europa, die zuvor beispielsweise zum Futtermittelanbau genutzt wurden.

Die Forschenden haben außerdem festgestellt, dass schwer in Zahlen zu fassende Umweltaspekte, wie etwa der Beitrag verschiedener Fleischersatzprodukte zum Erhalt der globalen Biodiversität in der ausgewerteten Literatur vielfach zu kurz kommen. Hier besteht nach wie vor noch erheblicher Forschungsbedarf.

Fragen einer gesunden Ernährung standen ebenfalls nicht im Fokus der Auswertung, konnten jedoch berücksichtigt werden, wenn diese in der ausgewerteten Literatur enthalten waren.

Hühnerfleisch statt Rindfleisch?

Die Umstellung von Rind auf Geflügel wird immer wieder als Klimaschutzmöglichkeit diskutiert. Die Forscherinnen und Forscher des Öko-Instituts sehen das aber kritisch, weil für die Geflügelmast Futtermittel auf Flächen produziert werden, die hypothetisch auch direkt zur Produktion von pflanzenbasierten Nahrungsmitteln dienen könnten. Das Fleisch von Wiederkäuern – also neben Rindfleisch ebenso auch Lamm-, Schaf- und Ziegenfleisch – kann zumindest theoretisch und bei entsprechend reduziertem Konsum auf kulturlandschaftlich wertvollen, extensiv (im Gegensatz zu intensiv) genutzten Grünlandflächen produziert werden. Entsprechende Flächen haben einen hohen Wert für den Biodiversitätsschutz und könnten ohnehin kaum oder gar nicht ackerbaulich genutzt werden.

Die Methodik

Die Metastudie des Öko-Instituts betrachtet ausschließlich die quantifizierbaren ökologischen Aspekte beim Vergleich von Fleisch- und Fleischersatzprodukten. Es wurden lediglich Studien nicht-kommerzieller Forschungseinrichtungen einbezogen.

Die ausgewerteten Studien betrachten unter anderem den Indikator Treibhausgaspotenzial, der wissenschaftlich anerkannt und abgesichert ist. Dennoch wurde bei der Auswahl der Einzelstudien darauf geachtet, dass es sich bei den Untersuchungen, wo immer möglich, um Ökobilanz-Studien handelt, bei denen neben der Klimawirkung auch weitere Umweltproblemfelder, wie etwa die unerwünschte Anreicherung von Gewässern mit Nährstoffen (Eutrophierung) betrachtet werden. Zu einem großen Teil gilt dies auch für die ausgewerteten Metastudien und Reviews, bei denen jedoch häufig das Treibhausgaspotenzial und die Landnutzung als Vergleichsindikator herangezogen wurden.

Zahlen und Grafik

Die der vorliegenden Darstellung zugrunde liegende Berechnung des CO2‑Fußabdrucks der fünf verschiedenen Ernährungsweisen stammen aus dem Artikel von Meier und Christen (2013)[2]. Sie wurden anhand von jeweils festgelegten Warenkörben errechnet und beziehen sich auf eine tägliche Energieaufnahme von 2.000 Kilokalorien.

Der CO2‑Fußabdruck für eine Ernährungsweise auf Basis verschiedener Fleischersatz-Produkte wurden lediglich überschlagsmäßig auf Grundlage der durchschnittlichen Ernährungsweise nach Meier und Christen (2013)1 berechnet. Dabei wurde stark vereinfachend davon ausgegangen, dass das Fleisch jeweils 1:1 durch die jeweiligen Fleischersatzprodukte ersetzt wird. Als Grundlage der Berechnung der CO2-Emissionen dienten Ergebnisse zur Berechnung des Carbon Footprint von Fleischersatzprodukten von Smetana et al. (2015)[3].

Die in der Abbildung dargestellten Ergebnisse liefern lediglich eine grobe Orientierung und sollten entsprechend zurückhaltend interpretiert werden.

Dr. Florian Antony ist Senior Researcher im Bereich Produkte & Stoffströme am Standort Freiburg. Sein Forschungsschwerpunkt ist die quantifizierende Bewertung von nachhaltigem Konsum und nachhaltigen Ernährungssystemen.

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[1] Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in den ausgewerteten Studien in aller Regel klassische konventionelle Produktion von rotem Fleisch analysiert wird. Etwaige Vorteile, die durch extensive Produktion und insbesondere Weidehaltung bestehen können, werden somit in den Studien gegebenenfalls nicht berücksichtigt.

[2] Meier, T., Christen, O. Environmental Impacts of Dietary Recommendations and Dietary Styles: Germany As an Example, Environ. Sci. Technol. 2013, 47, 2, 877-888.

[3] Smetana, S., Mathys, A., Knoch, A. et al. Meat alternatives: life cycle assessment of most known meat substitutes; Int J Life Cycle Assess (2015) 20: 1254.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /