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Nationaler Energie- und Klimaplan im Ministerrat beschlossen

Plan zur Erreichung der Klimaziele 2030 geht nun nach Brüssel - Kritik von vielen Seiten

Wien- Das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus hat gemeinsam mit dem Bundesministerium für Finanzen und dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie den nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) erarbeitet, der heute im Ministerrat beschlossen wurde. Die österreichische Bundesregierung bekennt sich darin nachdrücklich zu den Klimaschutzzielen von Paris. Der NEKP ist ein umfassender Plan, der den Weg zur Reduktion von 36 Prozent der Treibhausgas (THG) Emissionen Österreichs gegenüber 2005, aufzeigt. Das entspricht einer Einsparung von ca. 14,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Vergleich zu den Emissionen 2016. "Das Ziel ist ambitioniert, aber machbar. Wir haben eine breite Konsultation durchgeführt, knapp 300 Maßnahmen eingearbeitet, eine Wirkungsfolgenabschätzung durchgeführt, den Investitionsbedarf ermittelt und die Rückmeldung der Kommission eingearbeitet. Zur Erreichung der Klimaschutzziele liegt noch ein weiter Weg vor uns. Aber mit dem NEKP können wir einen klaren Plan fristgerecht bis Jahresende nach Brüssel schicken", erklärt Bundesministerin Maria Patek.

Wirkungsfolgenanalyse mit Weg zur Zielerreichung

Die Wirkungsfolgenanalyse wurde von einem wissenschaftlichen Konsortium bestehend aus Umweltbundesamt (UBA), österreichischer Energieagentur (AEA), Instituten der TU Wien und der TU Graz sowie dem WIFO gemeinsam erstellt. Es handelt sich um eine umfangreiche, datengestützte Wirkungsfolgenanalyse, die skizziert, wie weit wir auf dem Weg zur Zielerreichung bereits sind. Laut der Wirkungsfolgenanalyse können die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 durch die festgelegten Maßnahmen um 27 Prozent oder rund 9 Mio. Tonnen CO2 Äquivalent reduziert werden. Weitere 2 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent können durch den Abbau kontraproduktiver Förderungen gesenkt werden. Für die restlichen 3,2 Mio. Tonnen gibt es im NEKP vorgeschlagene Optionen, die zusätzliche Emissionen einsparen könnten: Eine von mehreren Optionen stellt die Ökologisierung des Steuer-, Anreiz- und Abgabensystems dar und eine andere die Ausweitung des Emissionshandels auf zusätzliche Sektoren. "Der nationale Energie- und Klimaplan zeigt klar den Weg auf, wie die Reduktion von 36 Prozent geschafft und somit die verbindlichen Ziele bis 2030 erreicht werden können. Der NEKP ist eine gute Grundlage für die neue Bundesregierung, deren Aufgabe es sein wird, die zusätzlich nötigen politischen Weichenstellungen zu treffen", erklärt Patek.

Weitere Informationen zum NEKP finden Sie hier.

Grüne: Vorliegender Entwurf braucht rasche Nachbesserungen

"Die Übergangsregierung hat es mit dem Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) zwar gut gemeint, aber gut gemeint wird nicht ausreichen, um die EU-rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Es gibt daher deutlichen und raschen Nachbesserungsbedarf", meint Leonore Gewessler, stv. Klubobfrau der Grünen: "In einem ersten Schritt geht es jetzt darum, teure Zertifikatskäufe als Strafe für das Nicht-Erfüllen der Ziele zu vermeiden. Davor kann sich auch eine Übergangsregierung nicht drücken. Es ist hoch an der Zeit, dass Österreich auch in der EU wieder eine Vorreiterrolle im Bereich Klima- und Umweltschutz einnimmt. Wir haben die besten Voraussetzungen dafür. Jede zukünftige Bundesregierung ist beim Klimaschutz gefordert, die notwendigen Schritte zur Erfüllung der Pariser Klimaziele in die Umsetzung zu bringen und damit die Chancen zu nützen, die im Klimaschutz liegen."

Lukas Hammer, Nationalratsabgeordneter der Grünen, ergänzt: "Wir Grüne haben bereits in der ersten Plenarsitzung des neuen Nationalrats einen Entschließungsantrag eingebracht, der zumindest die Einhaltung unserer EU-rechtlichen Verpflichtungen durch den aktuellen Klimaplan sicherstellen soll. Dieser Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen. Wir haben noch zehn Jahre Zeit, um die drohende Klimakatastrophe zu verhindern. Das wird nur möglich sein, wenn ernsthafte und umfassende Maßnahmenpakete gesetzt werden."

Ein (Klima)plan ist gut, Maßnahmen sind besser

"Der Nationale Energie- und Klimaplan bringt die Herausforderung der nächsten Jahre auf den Punkt. Doch auch ein guter Plan ist nur ein Plan. Eine der drängendsten Aufgaben der neuen Regierung wird es sein, dieses Dokument rasch mit Leben zu füllen", erklärt Leonhard Schitter, Präsident von Oesterreichs Energie, der Interessenvertretung der E-Wirtschaft. "Was wir nun benötigen, sind klare Vorgaben, die es der österreichischen Energiewirtschaft erlauben, ihren Beitrag zur Erreichung der Klimazielen zu leisten."

CO2-Bepreisung und Mobilität als Hebel

"Die Transformation des Energiesystems kann nur gelingen, wenn alle Akteure einen angemessenen Beitrag leisten. Wesentlicher Baustein dabei ist eine faire und adäquate Bepreisung von CO2-Emissionen bei einem gleichzeitig umfassenden Bekenntnis zur Wahrung der Versorgungssicherheit. Um die Akzeptanz der Bürger und der Industrie für diese Maßnahme zu erhöhen, ist eine Zweckbindung der daraus generierten Einnahmen in Dekarbonisierungsmaßnahmen und die Entlastung des Faktors Arbeit essentiell." so Österreichs Energie. Generell wird der besondere Fokus auf den Sektor Verkehr begrüßt, da dieser einen großen Teil der Emissionen verursacht und hier bislang keine ausreichenden Minderungsmaßnahmen gesetzt wurden. Um die Reduktion der Treibhausgase zu erreichen, muss nicht nur der elektrifizierte öffentliche Verkehr ausgebaut, sondern die Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge großflächig gefördert werden - öffentlich ebenso wie privat. Grundlage für das Gelingen ist der massive Ausbau der Erzeugung aus erneuerbaren Energien. Um den deutlich steigenden Strombedarf in Zukunft aus erneuerbaren Energien zu decken, ist ein attraktives Anreizmodell für die Erzeugung aus Wasserkraft, Windkraft und Photovoltaik. Gleichzeitig müssen die Genehmigungsverfahren sowohl für neue Erzeugungsanlagen als auch für den Netzausbau vereinfacht und beschleunigt werden. Beides sind notwendige Voraussetzungen, um die energie- und klimapolitischen Zielsetzungen auf den Weg zu bringen.

Viele Luftschlösser statt wirksamer Klimapolitik

Österreich wird die Klimaziele 2030 deutlich verfehlen, wenn keine zusätzlichen "Optionen" ergriffen werden. "Mit einer kreativen Mischung aus schönen Überschriften und Luftschlössern ist keine wirksame Klimapolitik möglich. Der Plan liefert nur leere Versprechen, während die Klimakrise immer schneller auf uns zurast. Diese mutlose Verzögerungspolitik wird Österreich noch teuer zu stehen kommen", warnt WWF-Klimasprecher Karl Schellmann. Die zahlreichen fiktiven Annahmen des Plans bestätigen auch die scharfe Kritik von Umweltorganisationen, Wissenschaft und Rechnungshof. Daher ist die Offenlegung sämtlicher Methoden und Berechnungsgrundlagen der Wirkungsfolgenabschätzung notwendig, da diese bisher einer unabhängigen Begutachtung entzogen worden ist.

Der WWF appelliert an die künftige Bundesregierung, den mangelhaften NEKP aufzuschnüren, grundlegend zu sanieren und die überfällige Klimaschutz-Wende einzuleiten. "Die nächste Koalition muss einen raschen Ausstieg aus fossilen Energien einleiten und umweltschädliche Subventionen rasch abbauen. Zusätzlich muss das Steuersystem umfassend ökologisiert werden. Dafür braucht es auch einen eigenen Klimabonus mit Lenkungswirkung, finanziert aus einer sozial und wirtschaftlich gerecht gestalteten CO2-Bepreisung. Eine intelligente Klimapolitik muss umsteuern ohne insgesamt mehr Belastungen zu verursachen" ist WWF-Experte Schellmann überzeugt.
Darüber hinaus braucht es eine Energiesparoffensive, einen naturverträglichen Ausbau Erneuerbarer Energien, eine zusätzliche jährliche Klimaschutz-Milliarde und eine Mobilitätswende, die an den Wurzeln der Probleme ansetzt - vom massiven Öffi-Ausbau über eine Rad-Offensive bis zur Umstellung auf emissionsfreie Fahrzeuge und der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene.

NEOS: Schluss mit dem Herumeiern - Aufkommensneutrale CO2 Steuer umsetzen

Schwer enttäuscht reagiert auch NEOS-Umweltsprecher Michael Bernhard: "Wir haben keine Zeit mehr für Ignoranz, Hinhalten und faule Kompromisse. Dass die Übergangsregierung die so notwendige Bepreisung von CO2-Ausstoß nur als Option anführt, ist untragbar. Die Pläne der Regierung sind gerade im Lichte des Green Deals auf europäischer Ebene und des beschämenden Klimagipfels in Madrid höchst unverantwortlich. Es reicht nicht ein bisschen an der Förderschraube zu drehen. Wo sind die längst fälligen, systemischen Reformen die sämtliche Expertinnen und Experten fordern?"

"Es ist inakzeptabel, dass Österreich einer der wenigen EU Länder ist dessen Emissionen seit 1990 weiter gestiegen sind und dafür immer wieder neue Ausreden findet. Wir müssen beim Klimaschutz vom Nachzügler endlich zum Vorreiter werden." betont Bernhard die Wichtigkeit eines engagierten nationalen Vorgehens. "Was es braucht, ist eine Ökologisierung des Steuersystems mit einer CO2-Bepreisung, die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen sowie eine Reform der Raumordnung und Verkehrsplanung."
"Dieser NEKP erfüllt die Anforderungen des Pariser Klimaabkommens nicht und die bereits geäußerte Kritik bleibt vollinhaltlich aufrecht", zeigt sich Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft angesichts der drohenden Klimakrise überrascht.
"Die Aussagen zur zukünftigen Fördergesetzgebung (Erneuerbaren Ausbau Gesetz) lassen nicht erkennen, dass die Fehlentwicklungen anderer EU Staaten, wie zum Beispiel Deutschland, bei der Umstellung des Fördersystems vermieden werden sollen", bemerkt Moidl und ergänzt: "Somit schafft der NEKP auch keinen gesicherten Rahmen für die Erreichung des verstärkten Ausbaus erneuerbarer Energien, den wir aber aufgrund des Pariser Klimaabkommens dringend brauchen."

GREENPEACE fordert: Zurück an den Start

"Trotz eines monatelangen Prozesses, der von Intransparenz, politischem Taktieren und Verzögerungen geprägt war, verfehlt Österreich seine Klimaziele - die ohnehin viel zu niedrig angesetzt sind - auch mit diesem überarbeiteten Plan deutlich. Seit der Beginn der Begutachtung hat sich die schwache Maßnahmensammlung kaum verändert. Anders gesagt: Die zahlreichen Vorschläge von Wissenschaft, Umweltschutzorganisationen und anderen Stakeholdern wurden schlicht ignoriert. Ergänzt wurde der Plan lediglich um die Wirkungsfolgenabschätzung, die ein massives Loch zwischen angestrebtem Ziel und dem möglichen Erfolg der tatsächlich beschlossenen Maßnahmen aufzeigt." stellt Greenpeace fest.
"Der heute beschlossene Klimaplan ist unzureichend, verfehlt Österreichs Klimaziel und wird unser Land als Schandfleck und Bremser in der europäischen Klimapolitik festfahren,"kritisiert Adam Pawloff, Klimaexperte bei Greenpeace, den Plan aufs Schärfste. Die von allen Expertinnen und Experten geforderte Ökologisierung des Steuersystems und der Abbau klimaschädlicher Subventionen werden lediglich als "Optionen" angeführt. Die Begründung des BMNT dazu lautet, man wolle der Politik der kommenden Regierung nicht vorgreifen. Der Klimaplan, der rund 170 Milliarden Euro schwer ist, wurde allerdings sehr wohl beschlossen und greift dem kommenden Budget eindeutig vor. Dieser klare Widerspruch zwischen Gestaltungswillen und Untätigkeit bleibt unaufgelöst und weist auf politische Interventionen hin.

"Die Zukunft der österreichischen Klimapolitik liegt nun in den Händen der kommenden Regierung. Dabei braucht es - wollen wir diesen Pfad des Bremsen und Verhinderns wieder verlassen - eine umfassende ökologische Steuerreform, inklusive Abbau klimaschädlicher Subventionen, eine marshallplanartige Offensive für den öffentlichen Verkehr und erneuerbare Energie sowie die Bündelung aller klimarelevanter Kompetenzen in einem Klima-Superministerium: konkret Verkehr, Infrastruktur, Energie sowie Land- und Forstwirtschaft. Jetzt heißt es zurück an den Start, Österreichs Jugend hat eine ambitionierte und zukunftsgerichtete Klimapolitik verdient, in diesem Klimaplan findet sich diese nicht," zeichnet Adam Pawloff einen möglichen Weg aus Österreichs Klima-Misere.

Eines scheint nach den umfassenden Statements unterschiedlichster Organisationen klar: Konkrete Maßnahmen sind mehr als notwendig.



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /