© domeckopol / Wien
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Wien: Klimakrise und Wirtschaft als immense Chance

Die Aktuelle Stunde im Wiener Gemeinderrat wurde diesmal von den Grünen eingebracht und lautete „Klimaschutz als Chance für die Wiener Wirtschaft“.

Der neue Wirtschaftssprecher der Grünen Wien, Hans Arsenovic, thematisierte dabei die Auswirkungen der Klimakrise auf die Wirtschaft: "Die wärmsten 5 Jahre weltweit waren die letzten 5 Jahre. Die aktuellen Buschbrände in Australien bestätigen es wieder: Die Klimakrise ist mittlerweile unbestritten und auf der ganzen Welt sichtbar und spürbar. Unser Leben wird in Zukunft anders aussehen als bisher. Über Jahrzehnte funktionierende Geschäftsmodelle werden von heute auf morgen wegbrechen. Wer will schon bei 40 Grad im Schatten bummeln oder einkaufen gehen. Und auch so mancher Schanigarten ist erst ab 22 Uhr interessant, wo er eigentlich schon bald zusperren sollte".

Die Klimakrise kann jedoch auch als Chance begriffen werden, Dinge zu ändern, die schon längst geändert hätten werden sollen. Was jetzt dafür konkret gebraucht wird: Maßnahmen, die Wien auf dem Weg zur Klimahauptstadt optimal unterstützen. Lehrstühle an den Unis oder Fachhochschulen zu diesem Thema. Förderungen der Wirtschaftsagentur für innovative Unternehmen, die sich um Lösungen im Bereich Klimawandel bemühen. Eine Kampagne des Wien-Tourismus, die Wien als die innovative Stadt zeigt, die sie ist.

"Steigen wir um auf erneuerbare Energien und nutzen wir den Markt, der dadurch entsteht. Werden wir Forschungsweltmeister auf diesem Gebiet. Bringen wir wieder Wasser in den öffentlichen Raum zurück. Begrünen wir die Stadt. Halten wir sie kühl, damit sich die Bewohnerinnen wohl fühlen, aber auch damit in zehn Jahren Touristinnen weiterhin lieber nach Wien als in den kühleren Norden fahren. So wie es Künstlerinnen nach Paris drängt und Modeschöpferinnen nach Mailand, muss es jeden, der auf dem Gebiet forscht oder plant, ein Start-Up in dem Bereich zu gründen, nach Wien ziehen. Denn wir machen Wien zur Klimahauptstadt Europas", so Arsenovic.

"Wir müssen alle Kräfte bündeln und alle Potenziale ausnutzen. Die Wiener Wirtschaft muss die Chance bekommen, sich ein zusätzliches Profil zu erarbeiten. Die Klimakrise als Chance sehen. Das ist unsere Aufgabe als Gestalterinnen und Gestalter dieser lebenswerten Stadt und wir haben die Aufgabe - nein wir haben sogar die Verpflichtung - diese Verantwortung wahrzunehmen", so Arsenovic.

„Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel zu spüren bekommt und die letzte, die noch etwas dagegen unternehmen kann“, mahnte Arsenovic.

Lasches Handeln kritisierte auch Stefan Gara, Klimaschutzsprecher der NEOS Wien. "Wir müssen endlich ins Handeln kommen und Wien zu einer Solar- und Innovationshauptstadt machen, denn das Potential ist da. Es fehlt vielfach der Mut!" Kleinere Einzelprojekte reichen nicht aus, um europäische Innovationshauptstadt zu werden. Themen wie intelligente, energieautonome Gebäude und Stadtquartiere, smarte Netze und Mobilitätstechnologien liegen zwar auf dem Tisch, aber es passiert nicht genug. Die Stadt bietet einfach zu wenig Anreize für innovative Unternehmen, die uns vorwärtsbringen könnten: "Tesla errichtet einen neuen Produktionsstandort für Batteriespeicher und Elektromobilität in Berlin. Welche Bemühungen hat Wien unternommen, einen so wichtigen Innovationsstandort zu bekommen?", fragte der NEOS Wien Klimaschutzsprecher. Um Wien als Klimahauptstadt zu positionieren müssen wir viel mehr tun und konkrete Handlungen setzen, auch im Forschungsbereich.


GRin Dipl.-Ing.in Elisabeth Olischar von der ÖVP erinnerte an das Konzept der „ökosozialen Marktwirtschaft“, das bereits vor 30 Jahren von Josef Riegler als Modell vorgestellt worden sei, Wirtschaft und Umweltschutz zusammenzubringen. Für erfolgreichen Umweltschutz brauche es breite Akzeptanz für die dafür notwendigen Maßnahmen, zu denen auch die Wirtschaft mit an Bord geholt werden muss. Es brauche Aufgeschlossenheit gegenüber innovativen Ideen aus der Wirtschaft, die von der Stadt mehr als bisher gefördert werden müssten, argumentierte Olischar. „Anpacken“ heiße es für Wien bei Projekten wie E-Mobilität, „Einwegplastik-freies Rathaus“ oder Fassadenbegrünungen.

GR Ing. Udo Guggenbichler (FPÖ) meinte, Gemeinderat Arsenovic hätte in seiner Rede dazu aufgefordert, fraktionsübergreifend für den Klimaschutz zu arbeiten, wollte diesen Appell jedoch nicht glauben: Er zählte Anträge der FPÖ zum Thema Klimaschutz auf – darunter ein Antrag für ein Plastiksackerl-Verbot, für Bienenschutz, für Dachbegrünungen – bei denen die Grünen nicht mitgestimmt hätten.

GR Erich Valentin von der SPÖ sagte, bis zur Rede Guggenbichlers sei er davon ausgegangen, dass in Sachen Klimaschutz „ein Konsens im Gemeinderat herrscht“ – Guggenbichler hätte die „Illusion“ zerstört, dass gemeinsame Schritte für den Klimaschutz auch mit der FPÖ möglich seien. Er erinnerte daran, dass Wien bereits seit 1999 ein Klimaschutzprogramm verfolge. Das Programm stehe für Ideen und Vorschläge sowie Initiativen aus der Wiener Bevölkerung und Wirtschaft offen.


"Umwelt und Wirtschaft gehören verbunden." so Markus Ornig, Wirtschaftssprecher der NEOS Wien. "Nur wenn wir auf beiden Ebenen reagieren, können wir die Rahmenbedingungen verändern und Wien als Wirtschaftsstandort attraktiv machen. Wien mag zwar zu den lebenswertesten Städten gehören, aber für Unternehmer_innen braucht es mehr." Eine CO2-Steuer und Entbürokratisierung sind Grundlage dafür. Letzteres hat die Stadt Wien bereits als großes Thema präsentiert, aber selbst beim Blick ins Regierungsprogramm ist kein Landesgesetz zu finden, das abgeschafft oder vereinfacht wurde.

GR Manfred Juraczka freute sich über „die erste Aktuelle Stunde der Grünen hier im Haus, seitdem ich im Gemeinderat bin, bei der im Titel das Wort ‚Wirtschaft‘ vorkommt.“ Auch beim Klimaschutz brauche es den Konsens, dass Kapitalismus nicht abzuschaffen, sondern zu verbessern sei. Das Thema Klimaschutz gehöre in die Mitte der Gesellschaft Österreich würde zwar weniger CO2 produzieren als größere „Problemstaaten“, müsse aber eine Vorbildfunktion einnehmen, damit es auch weltweit zu einem Wandel komme. Dabei müsse auf Innovation gesetzt werden, „Verbotskultur“ bringe die Gesellschaft nicht weiter. Sich auf die Verkehrspolitik zu fokussieren sei nicht genug, statt Diesel zu verbieten und Lastenfahrräder zu forcieren müsse die Stadt entscheidendere Schritte setzen und überalterte kalorische Kraftwerke abschalten, argumentierte Juraczka.

GR Peter Kraus von den Grünen widersprach Juraczka. Die Förderung für Lastenräder durch die Stadt sei rasch ausgeschöpft geworden – das Angebot komme also gut an. Künftig müsse die Produktion von CO2 „bepreist“ werden, so Kraus. Der Emissionshandel auf EU-Ebene und die Reduktion des CO2-Ausstoßes zum Beispiel bei der VOEST zeige, dass so ein Konzept funktioniere. Die CO2-Steuer müsse gleichzeitig von einem Öko-Bonus begleitet werden, forderte Kraus; davon würden vor allem kleine und mittlere EinkommensbezieherInnen profitieren, „die weniger Geld fürs Fliegen oder für dicke SUVs haben“ und dementsprechend weniger CO2 verursachen würden. Ähnlich viel Energie wie in den Wandel durch die Digitalisierung müsse auch an die Anpassung der Wirtschaft an den Klimawandel fließen – das sei aber bisher nicht möglich, wenn sich mit dem Verbrennen von Öl ungleich mehr Geld machen lasse als mit nachhaltiger Wirtschaft.

GR Georg Fürnkranz von der FPÖ mahnte, das Thema „global und gesamthafter“ zu sehen. Es brauche ein „sinnvolles“ System der Anreize, neue Förderstrukturen und städtische Rahmen, um heimische Betriebe zum Energiesparen zu bringen.

GRin Katharina Schinner-Krendl von de SPÖ erinnerte an eine Aussage des WKO-Präsidenten Harald Mahrer, der „eine Dachbegrünung bei Unternehmen ausdrücklich begrüße“. Leider hätten Einzelpersonen oder Kleinunternehmen kein Dach, das sie begrünen können. Statt Große und Kleine „in einen Topf zu werfen brauche es insbesondere auf lokaler und Grätzel-Ebene einen gemeinsamen, granularen Ansatz. Dazu gehörten etwa Sonderdotierung für Baumpflanzungen oder „Cooling-Initiativen“ in den Wiener Grätzeln.

Eines scheint fix: Das Klimawandel und Wirtschaft zu verbinden definitiv eine immense Chance ist.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /