© FelixMittermeier - pixabay.com / Bach
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Oö Naturschutzgesetz-Novelle 2019: Eine Novelle mit Pferdefuß für Natur und Öffentlichkeit

Landtag sollte Novelle überdenken

Linz- Die Oö. Umweltanwaltschaft appelliert an den Oö. Landtag, die Novelle zum Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz in den Bereichen Uferschutz an Gewässern, Naturschutz im Wald, Artenschutz, sowie bei der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Parteistellung der Oö. Umweltanwaltschaft im Naturschutzverfahren zu überdenken, den Einwendungen Beachtung zu schenken und eine Chancengleichheit für die Natur wiederherzustellen.

Die Novelle zum Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 strebt die Umsetzung der Aarhus-Konvention (AK) in nationales Recht und eine Deregulierung und Vereinfachung von Verwaltungsverfahrensabläufen an. Hehre Ziele, die der vorliegende Entwurf jedoch verfehlt und in dessen Schlepptau es zu einem eklatanten Abbau von Standards des Natur- und Landschaftsschutzes, einer unausgegorenen Öffentlichkeitsbeteiligung und einer Zurückdrängung der Oö. Umweltanwaltschaft als
Vertreterin von Natur- und Umweltinteressen kommen soll.

Naturschutz im Wald

Mit der Bewilligungsfreistellung für Forststraßen verabschiedet sich der Naturschutz zwar nicht formell, aber im Regelfall, aus dem Wald. Spezielle Waldstandorte, die das Gesetz aufzählt und bei denen der Naturschutz auch zukünftig Flagge zeigt, sind für Verfahren selten relevant. Die Verordnung über sonstige Waldgebiete von besonderer naturschutzfachlicher Bedeutung, in denen auch zukünftig der Naturschutz mitreden soll, liegt derzeit nicht auf. In der Zeit zwischen Inkrafttreten des Gesetzes und Erlassung der
Verordnung gilt in diesen Bereichen: Nichts ist fix, alles ist möglich!

Der Forstdienst, der schon bisher die technische Planung, Begutachtung und Förderung abg>ewickelt hat, soll nun wohl auch die fachlichen Aspekte des Naturschutzes und das Europarecht reibungslos abarbeiten – Planung und Begutachtung für Forstwirtschaft und Naturschutz, alles aus einer Hand, ohne jegliche Kontrolle. Ein fragwürdiger „one-stopshop“!

Wasserhaushalt

Entwässerungen werden rechtlich zementiert, größere Entwässerungen - etwa im Rahmen von Zusammenlegungsverfahren - laufen künftig ohne Naturschutz. Keine Spur mehr von „Wasser in der Landschaft halten“. Ganz so, also ob der Wasserhaushalt nicht Teil des Naturhaushalts wäre. Und - wie zukünftig bei Forststraßen - erfolgt keine naturschutzfachliche Prüfung „agartechnischer Landschaftsoptimierungen“.

Ufer- und Landschaftsschutz an Bach, Fluss und See

Feststellungsverfahren im Uferschutzbereich an Gewässern und die „allgemeinen“ naturschutzbehördlichen Bewilligungsverfahren werden vereinheitlicht: Im Prinzip gut, im Detail fatal: Das grobmaschige Netz der durch bisherige Novellen sukzessiv ausgedünnten Bewilligungstatbestände lässt sich ohne Adaptierung nicht so ohne weiteres auf den sensiblen Uferschutzbereich übertragen. Die fehlende Bewilligungspflicht für Versiegelungen bis 1.000 m², für die Anlage künstlicher Gewässer und für den Bodenaustausch und Aufschüttungen bis 2.000 m² widersprechen dem besonderen Schutz des Naturhaushalts im Uferschutzbereich und strafen den Leitspruch „Gewässer – Lebensadern unserer Landschaft“ Lügen.

Bei der Kritik am „Uferschutz-neu“ geht es nicht um die Bewilligung von Sonnenschirmen und Gartenliegen am Seeufer, sondern um weitaus Gehaltvolleres. Einige Beispiele: Eine Marina wird auf der Wiese neben dem See errichtet, daneben ein Würstelstand. Bei der Marina redet der Naturschutz zukünftig nicht mehr mit, bei der Gestaltung des Würstelstands aber schon, weil er ja ein Gebäude ist.

Eine Forststraße wird kilometerweit neben dem Bach gebaut, nur einmal quert sie den Bach. Die vielen Kilometer Weg im sensiblen Uferbereich dürfen den Naturschutz bald nicht mehr interessieren, die eine Querung auf wenig Meter aber schon, und nur die.

Neben einem touristisch wichtigen und stark frequentierten Radweg im bisherigen Uferschutzbereich eines großen Flusses soll eine Paintball-Anlage erreichtet werden.

Das (auf Grund der Nutzung buntgescheckte) Areal mit unterschiedlichen Strukturen (keine Gebäude!) darf den Naturschutz zukünftig nicht mehr interessieren. Landschaftsschutz ist hier kein Thema mehr.

Neben einem Bach verläuft ein beliebter Spazierweg. Ob mit Kinderwagen, Rollator oder Joggingschuhen, der Bachuferbereich dient hier der Naherholung. Jetzt soll ein Parkplatz knapp unter 1.000 m² errichtet und eine Aufschüttung kleiner 2.000 m² im Uferschutzbereich direkt neben dem Bach gemacht werden. Zukünftig weder bewilligungs-, noch anzeigepflichtig.

Ein Bach verläuft im Bauland, die Widmung geht einfach auch über den Bach drüber.

Hat bisher der Schutz des Landschaftsbilds im Uferschutzbereich das Gröbste verhindert, kann man nach dem neuen Naturschutzgesetz im Bauland alles mit dem Bach machen: Im Siedlungsbereich und in Betriebsbaugebieten dürfen dann Ufergehölze ohne Bewilligung gerodet, standortfremde Gehölze aufgeforstet, Stabilisierung und Umgestaltung des Gewässerbetts und des Uferbereichs (zB Ausbaggern,
Uferverbauungen, Verrohrungen und Ähnliches) ohne jegliche naturschutzrechtliche Bewilligung durchgeführt werden. Denn diese Maßnahmen sind nur mehr im Grünland bewilligungspflichtig, im Siedlungsraum wird der Landschaftsschutz am Gewässer abgeschafft.>



Was den Landschaftsschutz unmittelbar an Gewässern angeht, war die Regelung im Oö. Naturschutzgesetz 1964 gehaltvoller als die nunmehrige Regelung – ein wahrhaft historischer Kniefall vor überzogenen Nutzungsinteressen im sensiblen Gewässerumlandbereich und ein Bärendienst an der in Sonntagsreden so
hochgehaltenen „schönen Kulturlandschaft“.
Gewässer – egal ob idyllischer See, kleiner Bach oder stattlicher Fluss – sind auch im Siedlungsraum mitunter die einzigen verbliebenen, noch landschaftsbestimmenden Naturelemente. Zurecht hängt unser Herz an diesen verblieben Naturzonen und wir nutzen sie nicht selten zur tagtäglichen Erholung.
Daher: Uferbereiche behutsam nutzen und schützen!

Ein „Titel ohne Mittel“ für die Öffentlichkeitsbeteiligung

Und die künftige Rolle der Naturschutzorganisationen bei europarechtlichen Angelegenheiten: Beteiligung ohne volle Mitsprache im Verfahren, die Drohung der Präklusion und die Reduktion auf die (nachträgliche) Beschwerde ohne Support-System.

Ein Titel ohne Mittel. Die zeitliche, organisatorische und finanzielle Überforderung als Garantie für erhofften überschaubaren Widerstand in problematischen Verfahren. Diese angestrebte Lösung könnte aber nach hinten losgehen: Im erstinstanzlichen Verfahren wird normalerweise um tragbare Kompromisse und Lösungen gerungen. Durch den gezielten Ausschluss von Parteien aus den Verfahren werden konsensuale Lösungen erschwert und Verzögerungen durch Beschwerden an das Gericht geradezu provoziert.

Kein guter Weg!

Langgediente NGO´s, wie der Alpenverein, der Naturschutzbund, die Naturfreunde müssen alle drei Jahre mittels Wirtschaftsprüferin oder Wirtschaftstreuhänder ihre Gemeinnützigkeit mit Beleg nachweisen. Nichts gegen die Forderung der Gemeinnützigkeit! Aber dieser immer wiederkehrende Nachweis ohne Anlassfall, der die Gemeinnützigkeit in Frage stellt, ist ein deutliches Zeichen fehlender Wertschätzung für das jahrzehnterlange Engagement dieser Organisationen.

Große Unklarheit herrscht, was auf der elektronischen Plattform, auf der Verfahren und Bescheide gepostet werden sollen, sonst noch zu finden ist: Wie kommt die NGO zu Projektunterlagen? Hat sie Akteneinsicht und Antragsrecht – die eigentlich nur der Partei zukommen? Usw.

Das völlige Fehlen eines Antragsrechts auf Durchführung einer Naturverträglichkeitsprüfung im oö. Naturschutzrecht ist ein Zeichen fehlender Transparenz und in einer modernen Verwaltung nicht mehr zeitgemäß Dass es anders auch gehen kann, zeigen die jüngsten Aarhus-Umsetzungsbeschlüsse zum NÖ Naturschutzgesetz und NÖ Jagdgesetz und der Entwurf der Novelle zum Stmk. ESUG.

Bei den oö. Regelungen besteht noch massiver Gesprächsbedarf! Vorbild wäre z.B. iederösterreich: Unverkrampft, kein gold plating, nicht auf Kosten der Umweltanwaltschaft!

Eine Kombination Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltanwaltschaft ist möglich

Die Oö. Umweltanwaltschaft hat bereits 2017 eine juristische Studie in Auftrag gegeben, die eine europarechtlich gedeckte Zusammenführung der Forderungen der Aarhus- Konvention und der Umweltanwaltschaft aufzeigt und konkrete Vorschläge für die legistische Umsetzung macht (Wagner, E., S. Fasching und W. Bergthaler (2017): Grundlagenstudie zur Aarhus Konvention – Umweltanwaltschaften als Instrument der Umsetzung fairer, rechtssicherer und effektiver Umweltverfahren. Institut für
Umweltrecht, JKU Linz). Die Umweltanwaltschaft wäre in diesem Aarhus-konformen Modell Clearingstelle für die Interessen von NGOs und BI im erstinstanzlichen Verfahren.

Erwartet werden verfahrensbeschleunigende Effekte durch Beilegung der im Verfahren gegebenen Interessensgegensätze. Eine solche Zusammenführung der Umsetzungspflichten aus der Aarhus Konvention und der Einbindung der Umweltanwaltschaft ist eine reale Option zur Gestaltung fairer, effektiver und rechtssicherer Umweltverfahren.

Der Appell an den Oö. Landtags zur Schaffung eines Interessensausgleichs

Die Oö. Umweltanwaltschaft appelliert eindringlich an den Oö. Landtag, die Novelle zum Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz in den Bereichen Uferschutz an Gewässern, Naturschutz im Wald, Artenschutz, sowie bei der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Parteistellung der Oö. Umweltanwaltschaft im Naturschutzverfahren zu überdenken, den Einwendungen Beachtung zu schenken und eine Chancengleichheit für die Natur wiederherzustellen.


www.ooe-umweltanwaltschaft.at


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /