© ATOS/ Alt und schön
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Vom Faustkeil zum Smarthome: Wie intelligent müssen Gebäude sein?

Eine Ansichtssache von DI Heinrich Schuller / ATOS Architekten

1 Million Jahre lang war der Faustkeil das „SCHWEIZERMESSER“ der Steinzeit. Erst vor 5.000 Jahren wurde das Rad erfunden. Seitdem ging es immer schneller voran. Heute passieren die technischen Innovationen schneller als unsere Seelen sie akzeptieren können.

Wir reißen Bauten nieder, die vielleicht 30 Jahre alt sind. Gleichzeitig fiele es uns nicht ein, deutlich ältere Bauten abzureißen, obwohl deren Bausubstanz sicher viel schlechter ist. Warum wohl?

Wir lieben diese alten Gebäude, pflegen sie und stellen sie unter Ensemble- oder Denkmalschutz. Wir fahren im Urlaub in malerische Städte, schlendern fasziniert durch enge Gassen, sitzen an mittelalterlichen Plätzen beim Cappuccino und genießen die tolle Atmosphäre. Gäbe es diese alten Gassen und Plätze nicht, würde uns nicht einfallen, dort extra hin zu fahren.

Moderne Architektur ist selten schön.

Moderne Architektur ist auch selten ökologisch, vielmehr eine völlig verrückte Ansammlung von Sondermüll. Moderne Architektur ist nicht einmal sozial. Die Vereinsamung in Stadt und Dorf ist ja offensichtlich. Wenn man wie ich „Funktionalität“ als Summe aller Eigenschaften von Architektur sieht, ist die moderne Architektur nicht einmal funktionell.

Kein Wunder, dass die moderne Architektur niemand pflegt, niemand sich heimisch fühlt. Trotz aller Erfolge in Hinblick auf Energieeffizienz und Komfort, fühlen sich die Menschen in den modernen Architekturen eindeutig nicht wohl. Ich kann zwar jetzt die Heizung von unterwegs steuern, und spare damit vielleicht 1% meiner Heizkosten, dafür muss ich aber auf ein kleines Display glotzen, während das Leben an mir vorüber rauscht.

Als Reaktion auf diesen Technik-Overkill wird LOW TECH propagiert: „Einfacher bauen, ohne Wohnkomfort und Architektur einzuschränken“. Für manche darf nicht einmal Kleber oder Metall drin sein. Ein wenig wie BACK TO THE ROOTS fühlt sich das schon an. Beim Auto kommen wir ja auch nicht auf die Idee wie Fred Feuerstein unterwegs zu sein.

Absurditäten wie ein LOWTECH-Bürohaus, bei dem man Computer und Sensoren ausgeliefert ist, bei dem man nicht einmal mehr ein Fenster aufmachen kann oder der Trend zu TINYHOMES als angeblich „nachhaltige“ Alternative für die modernen Singlenomaden, sind verständliche aber sinnlose Versuche Auswege aus dem Dilemma der seelenlosen, modernen Architektur zu finden.

SMART ist das Mantra der Hoffnungsvollen

Rückzug propagieren die einen, Fortschritt die anderen. Intelligenz hat uns bereits die letzten 40.000 Jahre ganz gut voran gebracht, also warum nicht auch in der Zukunft? Roboter werden wohl bald Häuser bauen oder drucken, wahrscheinlich stapelbar und mobil, auf der ganzen Welt gleich aussehend wie jetzt bereits viele Städte der Welt. Touristisch werden sich solche uniformen Städte nicht mehr verwerten lassen.

Der Rebound-Effekt macht alles zunichte

Der Klimawandel schwebt wie ein Damoklesschwert über uns und es heißt immer, wir müssen die Effizienz verbessern. Sieht man sich an, was ENERGIEEFFIZIENZ in den letzten 20 Jahren gebracht hat, stellt man fest: NICHTS. Jeder Effizienzgewinn wird im Normalfall durch Mehrverbrauch aufgefressen = REBOUNDEFFEKT. Wie soll also die Architektur der Zukunft aussehen? LEISTBARES BAUEN = also schlechter bauen, um die Kosten zu halten? Wir meinen, dass dieser Schuss nach hinten geht. Die Menschen werden in Ihren Behausungen nicht glücklicher, infolgedessen vermehrt flüchten und konsumieren = REBOUNDEFFEKT.

Erkenntnisse

Im vergangenen Jahr gab es folgende Erkenntnis für uns: „Alte Substanz ist es wert, ihr mit Feingefühl zu begegnen.“ Eines der ältesten Häuser im Waldviertler Waidhofen haben wir saniert und ausgebaut. Von außen merkt man nichts, aber innen strahlt die Wohnung nun vor Glück über die Wertschätzung, die ihr entgegen gebracht wurde. Und mit ihr die Besitzer. Infos unter alt-und-schoen

Die Handwerker rieten, die alte verputzte Dibelbaumdecke mit einer abgehängten Gipskartondecke zu begradigen. Meine Frage war: „Kann man die alten Balken nicht befreien und schön machen?" Ein paar Stunden Nägel ziehen, 2 Tage Strahlen mit Trockeneis und eine Ölbehandlung gaben den alten Balken ein neues Leben.

Die zweite Erkenntnis: „Es ist nicht so schwer, alte Häuser zu Nullenergiehäusern zu machen.“ Geplant war eine Totalsanierung und Erweiterung eines 70er-Jahre Einfamilienhauses, weil alles „schiach und unbehaglich“ war. Heute steht da ein moderner Bau mit wohliger Behaglichkeit, einer langlebigen Fassade, modernster Haustechnik, perfektem Raumklima und einer solaren Energieversorgung. Der Umbau hat weniger gekostet als ein Neubau, das Haus ist wahrscheinlich ein Nullenergiehaus, weil konsequent Wärmebrücken vermieden wurden, und die Technik vom Feinsten ist. Von Passivhaus war da nie die Rede, sondern einfach von guter Qualität. Vorausgesetzt man sieht das Ganze. Mehr dazu: "1">hier.

Das Jahr 2018 bot ATOS im Neubaubereich folgende Erkenntnis: „Nachhaltiges Bauen erfordert zerlegbare Bauteile“. Erstmals konnten wir das System Winterface bei einem Neubau testen. 24cm dicke Weichfaserdämmplatten wurden robotergefertigt in verputzte Elemente verwandelt, die an die tragende Wand gehängt wurden. Damit entsteht ein demontables Wandsystem, das sogar ermöglicht, Fenster zerstörungsfrei zu tauschen. Eine Revolution für den Vollwärmeschutz. Mit unserem Foto- und Videospezialisten Alfred Arzt haben wir darüber ein Video gemacht:


ATOS Architekt Heinrich Schuller 311 „Neubau klimaaktiv-Passivhaus Baden“ Winterface from Heinrich Schuller on Vimeo.



Und noch eine Erkenntnis bot das Jahr 2018: „Es braucht in Österreich eine Plattform um über eine SDG-gerechte Haustechnik nachzudenken und zu reden“. Vor 30 Jahren habe ich begonnen, Gebäude ganzheitlich zu denken. Deshalb ist es mir eine besondere Freude, als Vertreter der Plattform Innovative Gebäude Österreich www.innovativegebaeude.at an der „Building Technology Austria“ mitzuwirken. Es handelt sich um eine zweitägige Netzwerk-Veranstaltung im Herbst 2019, wo erstmals in Österreich die Zukunft der Gebäudetechnik interdisziplinär diskutiert werden soll. In offenen Foren, gestaltet von Haustechnikexperten, Architekten, Investoren und Installateuren. Meine Aufgabe ist es, spannende Themen vorzuschlagen und potentielle Aussteller anzusprechen. Näheres unter www.bt-austria.at

Was ist denn nun ein smartes Gebäude?

Dieser Frage durfte ich im Rahmen eines Vortrags an der Bauakademie Haindorf auf Einladung von klimaaktiv nachgehen. SMART ist z. B. eine Fassade, die getauscht werden kann, ohne alles zu ruinieren. SMART ist z. B. ein Flachdach, das nicht wie eine Badewanne gebaut ist. SMART ist z. B. ein großer Dachüberstand, der die Fassade schützt. SMART ist z. B. ein Gebäude, das luftdicht und wärmebrückenfrei gebaut ist. SMART ist z. B. ein Gebäude, das sich selbstständig an die Bedürfnisse der Nutzer anpasst und nicht umgekehrt.


Wie SMART muss Architektur sein?

Natürlich ist ATOS 2019 wieder mit der Beratungsaktion „7auf1streich“ auf der Hausbau & Energiesparen in TULLN von 18. bis 20. 1. 2019. Wer einen meiner Vorträge zum Thema Smarte Architektur erleben will, hat dazu dreimal in Halle 3, Stand 375 Gelegenheit (Freitag 15:30, Samstag 14:00, Sonntag 14:30)

Als Organisator der ersten und einzigen Bau-Rettungsgasse, auf 600m² dem größte Stand der Wiener Messe BAUEN & ENERGIE lade ich alle ein, sich architektonisch, bautechnisch, ökologisch oder innovativ retten zu lassen. Von 14. bis 18. 2. 2019 findet man 38 Berater und Unternehmen, aufgeteilt auf 7 Themenstationen in Halle A, Stand 0236 sowie ein umfangreiches Vortragsprogramm. Selbst für kleine Baumeister ist mit großen Spielekisten von Kapla gesorgt. Ich darf dort den SMART-Vortrag am 16. 2. um 15:30 halten. Infos zu den Ausstellern unter www.facebook.com/Baurettungsgasse


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /