© robynm /pixabay.com
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Die Gewinner und Verlierer im Artenschutz

2018 war kein gutes Jahr für Wildtiere. Die Zahl der bedrohten Arten bleibt auf „schrecklichem Rekordniveau“.

Wien - 2018 war ein schlechtes Jahr für die Tiere. Einen durchschnittlich 60-prozentigen Rückgang der vom WWF untersuchten Tierbestände seit 1970 stellt der aktuelle Living Planet Report der Naturschutzorganisation fest. Zu den größten Verlierern des Jahres zählen Eisbär und Ringelrobbe und andere Arten, deren arktischer Lebensraum schrumpft. „Die Klimakrise, Lebensraumzerstörung, Wilderei oder immer mehr Plastikmüll in den Ozeanen – all das setzt den Tierarten enorm zu. Wir Menschen vernichten wertvolles Naturkapital und sägen am Ast, auf dem wir sitzen. Ohne vielfältige, vitale Ökosysteme können wir nicht überleben. Wenn wir jetzt nicht Verantwortung übernehmen, ist es zu spät“, mahnt Karim Ben Romdhane, Experte für internationalen Artenschutz beim WWF Österreich.

Doch es gibt auch positive Nachrichten: In Nepal hat sich die Zahl der Tiger beinahe verdoppelt, es gibt wieder mehr Berggorillas, und der Bienenfresser breitet sich in Österreich aus. „Diese Funken der Hoffnung zeigen ganz klar, dass Maßnahmen zum Erhalt der Arten funktionieren. Sie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch ein steiniger Weg vor uns liegt, wenn wir den Planeten und die Artenvielfalt erhalten wollen“, kommentiert Ben Romdhane.

Verlierer 2018:

Eisbär: Ausgemergelte Eisbären „auf der grünen Wiese“ – ein befremdliches Bild, das wie kaum ein anderes die Erderhitzung symbolisiert. Im vergangenen Oktober erreichte das Packeis des zugefrorenen Polarmeeres seine dritt-geringste Ausdehnung seit 1979. Den Eisbären bleibt immer weniger Zeit, auf dem Eis zu jagen und sich Fettreserven für den Sommer anzufressen. Auch die verstärkte Förderung von Erdgas und Erdöl sowie die Zunahme von Transport- und Kreuzfahrtschiffen machen dem weißen Giganten zu schaffen. Die einzige Lösung, das arktische Ökosystem und somit die Eisbären zu retten, ist ein strenger Schutz der Arktis und eine starke Reduktion der CO2-Emissionen. Für beides steht der WWF ein.

Tapanuli-Orang-Utan: Er ist ein ganz unbekannter Vertreter seiner Art. Tatsächlich wurde dieser Waldmensch erst im November 2017 in einer Provinz im Nordwesten der indonesischen Insel Sumatra entdeckt. Kaum entdeckt, ist die neue, eigenständige Art schon akut bedroht. Nur noch 800 Tiere gibt es. Damit ist der Tapanuli-Orang-Utan der seltenste Menschenaffe der Erde. Plantagen und Goldminen nagen am verbliebenen Lebensraum von rund 1.000 Quadratkilometern, der damit nur wenig größer als die deutsche Hauptstadt Berlin ist. Im Dezember wurden Staudammpläne bekannt, die Teile seines Lebensraums zu überfluten drohen.

Land- und Wasserschildkröten: Sie bevölkerten die Erde schon vor über 200 Millionen Jahren und überlebten das letzte große Massenaussterben zur Zeit der Dinosaurier: Schildkröten. Doch nach einem jüngst erschienenen Report ist die Hälfte der 356 bekannten Schildkrötenarten bedroht. Lebensraumverlust, illegaler Handel mit den Tieren oder ihren Körperteilen, sowie Beifang in Fischernetzen stellen die größte Bedrohung dar. Junge Meeresschildkröten tragen zudem häufiger Plastik in sich als ältere - und laufen somit größere Gefahr, dadurch zu sterben. Ganz oben auf der Liste der Todeskandidaten steht mit weltweit nur noch drei Tieren die Yangtze-Riesenweichschildkröte. An ihr scheint sich das Schicksal von „Lonesome George“ zu wiederholen. Der letzte Vertreter der Pinta-Riesenschildkröte starb 2012 auf den Galapagosinseln.

Mongolische Saiga-Antilope: Die Bestände der kleinen Saiga-Antilope sind auf Achterbahnfahrt. Vor einigen Jahren feierte man das Überleben der Steppen-Antilope als Naturschutzerfolg. Anfang 2017 fielen dann Tausende einer schlimmen Seuche zum Opfer. Der vergangene harte Winter schwächte die Bestände abermals. Nach Schätzungen des WWF streiften statt der ehemaligen 11.000 Tiere im Oktober 2016, im Jahr 2018 lediglich 3.000 Antilopen durch die Steppe.

Amazonas-Flussdelfin: Es wurde immer offensichtlicher, dass die Flussdelfine des Amazonas fortwährend seltener wurden. Bisher fehlten jedoch konkretere Daten. Mit der Roten Liste 2018 herrscht traurige Gewissheit: Die Delfine gelten nun offiziell als stark gefährdet. Die Weltnaturschutzunion prognostiziert einen weiter anhaltenden Bestandsrückgang.

Gewinner 2018:

Tiger in Nepal: „Tx2“ – Tiger mal zwei – so nennen die 13 Tigerstaaten ihr ambitioniertes Ziel, die Zahl der Großkatzen bis 2022 zu verdoppeln. Nepal hat das Ziel nach aktueller Bestandszählung fast erreicht. 2009 streiften dort geschätzte 121 Tiger durch die Wildnis. Nun sind es bereits 235. Trotzdem bedrohen Lebensraumverlust und Wilderei nach wie vor die globalen Bestände. Die anderen Tigerstaaten müssen deshalb mit wirksamen Tigerschutzplänen nachziehen und ihren Teil zum Überleben der Großkatzen beitragen.

Berggorilla: Es geht bergauf mit dem Berggorilla. In den Bergwäldern rund um den Nationalpark Virunga im Grenzgebiet der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda und Uganda werden wieder mehr Berggorillas gezählt. Nachdem 1981 mit nur noch 254 Tieren ein historischer Tiefpunkt erreicht war, gab es bereits 2010 einen leichten Anstieg und bei der letzten Untersuchung, 2018, zählten die Wissenschaftler 604 Individuen rund um die Virunga-Vulkane. Der Gesamtbestand liegt somit bei über 1000 Berggorillas. Doch Wachsamkeit tut not: Wilderei, Abholzung ihres Lebensraums und die Klimakrise bedrohen unsere haarige Verwandtschaft. Und über allem schwebt immer wieder das Damoklesschwert von Ölförderungen im Virunga-Nationalpark.

Bienenfresser: Der Bienenfresser ist ein „Gewinner aus den falschen Gründen“. Während ein Großteil der Tier- und Pflanzenarten unter den Folgen der Klimakrise in ihrer Heimat leiden, kann sich dieser Vogel neue Lebensräume erschließen. Jahr für Jahr pendelt der bunte Luftakrobat mit einer Vorliebe für Bienen, Hummeln und Großinsekten zwischen Afrika und Europa. Früher in unseren Breiten noch extrem selten, wandert der Bienenfresser jetzt verstärkt aus dem Mittelmeerraum nach Österreich ein. Heute brüten hierzulande wieder mehr als 2.000 Paare. Seine enge Bindung an gefährdete Lebensräume sowie das große Insektensterben könnten den Höhenflug des Bienenfressers allerdings jäh bremsen.

Tüpfelbeutelmarder: Der Tüpfelbeutelmarder ist zurück! Das Beuteltier in der Größe einer Hauskatze lebte Millionen von Jahren in Australien, bevor es vor 50 Jahren vom australischen Festland verschwand. Doch glücklicherweise überlebte der nachtaktive Einzelgänger in Tasmanien. Dort arbeitete der WWF Australien gemeinsam mit Partnern seit Jahren daran, die Beutelmarder zu vermehren um sie wieder auf dem Festland anzusiedeln. Mitte März 2018 war es soweit: Die ersten 20 Tiere wurden in einem Nationalpark im Südosten Australiens frei gelassen. Im Sommer folgte die erfreuliche Nachricht des ersten Nachwuchses.

Panzernashorn: Die majestätischen Nashörner sind massiv durch Wilderei bedroht. Der illegale Handel mit ihrem Horn hat Hochkonjunktur, da sich der Irrglaube an seine Wirksamkeit als Wunderheilmittel beständig hält. Auch seine Bedeutung als Statussymbol verstärkt die Nachfrage in asiatischen Ländern. Nepal ist die Heimat von 645 Nashörnern, von denen die meisten im Chitwan Nationalpark leben. Dort trägt eine Anti-Wilderei-Kampagne einschließlich verstärkter Schutzmaßnahmen in Nationalparks und umliegenden Pufferzonen Früchte: 2018 feiert man – zum fünften Mal in Folge – ein Jahr ohne Wilderei an Nashörnern.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /