© Oekonews/FWU
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Lobau oder Tunnel? Lebensqualität oder Schaden für Mensch und Umwelt

Bedenken gegen den Lobau-Tunnel und Alternativen aus technischer und juristischer Sicht

Vorrang für Lebensqualität, Klima- und Umweltschutz!

Überall muss im Budget der Ministerien gespart werden. Ein Milliardenprojekt, dessen Sinnhaftigkeit für die Zukunft von manchen angezweifelt wird, stand in den letzten Wochen wieder im Zentrum. Ist ein solches Projekt überhaupt für die Zukunft noch sinnvoll? Steht er für nachhaltige Weiterentwicklung? Verringert ein Tunnel wie dieser Staus und das Verkehrsaufkommen?

Em. o. Univ. Prof. DI Dr. techn. Hermann Knoflacher, Rechtsanwalt Dr. Josef Unterweger und Prof. Dr. Reinhold Christian stellten am 12.06.2018 im Rahmen eines Pressegesprächs Bedenken gegen den Lobau-Tunnel und Alternativen aus technischer und juristischer Sicht vor.

„Der Lobau-Tunnel ist eine Idee aus den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, beruht auf falschen und längst von der Wirklichkeit überholten Annahmen und ist daher nicht mehr zeitgemäß.“ fasst em. o. Univ. Prof. DI Dr. techn. Hermann Knoflacher Ergebnisse einer Studie für die MA 18 der Stadt Wien zusammen.

„Beispielsweise ging das Kfz-Verkehrsaufkommen im 21. und 22. Bezirk von 2010 bis 2015 um 6% zurück, während die Bevölkerung um 15% wuchs. Der Lobau-Tunnel ist nach dem heutigen Stand des Wissens aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, des Klima- und Umweltschutzes und der Anforderungen an eine nachhaltige Zukunft nicht zu verantworten.“

Rechtliche Aspekte

Wie das Projekt dennoch bewilligt werden konnte, erläutert Rechtsanwalt Dr Josef Unterweger, Schriftführer des Forum Wissenschaft & Umwelt: „Der Verfassungsgerichtshof hat Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes wegen des Lärmschutzes oder wegen Klimaschutzmaßnahmen vom Tisch gewischt. Der Verfassungsgerichtshof hat die Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichtes in Umweltsachen bis zur Unkenntlichkeit zusammengestutzt. Bis zur Herstellung einer europarechtlich zufriedenstellenden Gesetzeslage durch den Europäischen Gerichtshof wird die Perspektive der Verwaltungsgerichte und der Verwaltungsbehörden daher der Tunnelblick sein. Das BMVIT ist zugleich Antragsteller, Sachverständiger und Entscheider – eine äußerst bedenkliche Dreifachrolle. Alternativen sind nicht zu prüfen. Der Bedarf ist nicht zu prüfen. Die Wirtschaftlichkeit ist nicht zu überprüfen, weil die Unterlagen geheim gehalten werden. Die Kriterien für eine Bewilligung eines 2 Milliarden Euro teuren Projektes erscheinen nicht allzu hoch.

"Die Bürger dürfen zahlen, sie dürfen aber nicht wissen und können auch nicht kritisieren.“

In der Studie für die MA 18 wurden freilich Alternativen untersucht.

Technische Aspekte sowie Unterlagen

Das Szenario ,kein Lobau-Tunnel, Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung auf die gesamte Stadt und Ausbau des öffentlichen Verkehrs‘ weist eine ganze Reihe von Vorteilen auf“ hebt Knoflacher hervor „von einer Reduktion der CO2-Emissionen um mehr als 100.000 t jährlich über eine Entlastung vom Autoverkehr und eine Stärkung des öffentlichen Verkehrs bis zu Kosteneinsparungen für die Republik und einer Stärkung des Standortes Wien gegenüber dem Umland.“

„Österreich hat sich mit der Ratifizierung des Abkommens von Paris 2015 völkerrechtlich verbindlich für einen wirkungsvollen Klimaschutz verpflichtet“, stellt Prof. Dr. Reinhold Christian, geschäftsführender Präsident des Forum Wissenschaft & Umwelt, das Projekt in einen großen gesellschaftlichen Zusammenhang. „Es geht um die Reduktion der Treibhausgase auf fast Null bis zum Jahr 2050. Besondere Bedeutung kommt dabei der Mobilität zu. Große Infrastrukturprojekte wie der Lobau-Tunnel, aber auch die dritte Piste für den Flughafen und sicherlich weitere Autobahnprojekte stehen in krassem Widerspruch zu dieser großen Verpflichtung für Klima- und Umweltschutz.

Statt den Klimazielen und den internationalen Verpflichtungen gerecht zu werden hat es der Verfassungsgerichtshof mit seinen jüngsten Entscheidungen wesentlich erleichtert, schädliche und veraltete Infrastrukturprojekte, insbesondere Autobahnen, zu errichten, deren negative Wirkungen weit in die Zukunft reichen. Das Forum Wissenschaft & Umwelt sieht daher die Rolle des Verfassungsgerichts äußerst kritisch.“

„Das Forum Wissenschaft & Umwelt appelliert an alle Entscheidungsträger, Abstand zu nehmen von rückwärtsgewandten Monsterprojekten, die nur den Interessen und Profiten einiger (allerdings einflussreicher Lobbys) dienen, die Allgemeinheit aber schädigen.“, so Dr. Christian.

„Die Mobilitätspolitik muss geprägt sein von der Prioritätenreihung:

* Verkehr vermeiden (Funktionsmischung, kurze Wege, kompakte Siedlungen)
* Verkehr verlagern (ÖV, Rad, Fuß)
* Verkehr verbessern (E-Mobilität).“

Eines scheint fix: Keine dieser Prioritäten wird mit dem derzeitigen Projekt erreicht - und das ist mehr als bedenklich.


Alle Unterlagen sowie ein erster Tonmitschnitt stehen online Verfügung


Artikel Online geschaltet von: / wabel /