© Petra- Pezibear /pixabay.com
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Studie zeigt: Bio kann Österreich ernähren

Vorteile für Umwelt, Volkswirtschaft und Gesellschaft - Voraussetzung: Reduktion von Lebensmittelabfällen oder Fleischkonsum

Wien - Eine hundertprozentige Versorgung Österreichs mit heimischen, biologisch hergestellten Lebensmitteln ist möglich. Das zeigt eine neue Studie des Zentrums für Globalen Wandel der BOKU Wien und des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL). Die Autoren errechnen darin die volkswirtschaftlichen Vorteile dieser Vision und erörtern die positiven Folgen für Gesundheit und Umwelt. Die Studie wurde heute von der Initiative MUTTER ERDE und Greenpeace im Rahmen des Schwerpunkts „Schau, wo dein Essen herkommt!“ präsentiert.

Die wesentliche Erkenntnis: Eine flächendeckende Umstellung auf biologische Landwirtschaft kann die Nahrungsmittelversorgung der gegenwärtigen österreichischen Bevölkerung sicherstellen. Nur eine der beiden Voraussetzungen gilt es dafür zu erfüllen: Entweder müssen die vermeidbaren Lebensmittelabfälle um 25 Prozent oder der Fleischkonsum um 10 Prozent reduziert werden. Schon heute ist Österreich eines der Vorreiterländer, was die Anzahl der Biobetriebe und die bewirtschaftete Biofläche betrifft. Der Anteil der Bioflächen an der landwirtschaftlichen Nutzfläche betrug im Jahr 2017 23,9 Prozent. Diese Flächen werden von mehr als 23.000 Biobetrieben bewirtschaftet.

Eine gänzliche Umstellung brächte nicht nur Vorteile aus Umweltsicht, sondern wäre auch aus volkswirtschaftlicher und aus gesamtgesellschaftlicher Sicht sinnvoll. Thomas Lindenthal, Studienautor und interimistischer Leiter des Zentrums für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Universität für Bodenkultur: „Die Landwirtschaft ist derzeit mit einer Reihe an sehr großen ökologischen und sozialen Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählen neben dem Klimawandel etwa die Bodenversiegelung, der Verlust der Biodiversität aber auch der Rückgang landwirtschaftlicher Betriebe vor dem Hintergrund eines internationalen Wettbewerbsdrucks. Eine Umstellung auf 100 Prozent Biolandbau in Österreich wäre hierauf eine wichtige und wirkungsvolle Antwort. Damit könnten bedeutsame Beiträge für die nachhaltige Entwicklung in Österreich sowie für die langfristige Ernährungssicherung in unserem Land geliefert werden.”

Mit einer Reduktion des hohen Fleischkonsums würden sich große Potenziale für die Bio-Landwirtschaft ergeben, so Studienautor Martin Schlatzer. In Österreich werden momentan für die Produktion von Kraftfuttermitteln wie Mais und Soja mehr als die Hälfte der Ackerflächen verwendet. Schlatzer: ”Österreich importiert außerdem jedes Jahr etwa eine halbe Millionen Tonnen Sojafuttermittel, zum größten Teil gentechnisch verändertes Soja aus Brasilien, Argentinien oder den USA. Diese große Importabhängigkeit könnte in einem biologischen sowie stark fleischreduzierten Szenario vermindert oder beendet werden.” Schlatzer weist weiters auf die positiven gesundheitlichen Effekte dieser Umstellung hin: “In Österreich ist der Fleischkonsum dreimal höher als empfohlen und für verbreitete schwere Gesundheitsprobleme verantwortlich.”

“Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass der Wandel zu einer weniger intensiven, an Nachhaltigkeit orientierten Landwirtschaft für unser Land viele Vorteile bringen würde”, fasst Hildegard Aichberger, Geschäftsführerin der Initiative MUTTER ERDE die Ergebnisse der Studie zusammen. “Die Konsumentinnen und Konsumenten profitieren von gesunden Lebensmitteln und mehr Transparenz, die Umwelt von weniger Intensität, die Bäuerinnen und Bauern von höherer Wertschöpfung und die Österreicherinnen und Österreicher von intakter Natur und geringeren Kosten”, so Aichberger weiter.

Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftssprecher von Greenpeace: “Jetzt haben wir den Beleg: Ganz Österreich könnte biologisch ernährt werden. Möglich machen muss es aber die Politik. Agrarfördungen müssen daher umweltfreundliche Betriebe verstärkt belohnen.” Auch die öffentliche Hand als wichtiger Abnehmer von Lebensmitteln sieht Theissing-Matei in der Pflicht. “Mehrere hundert Millionen Mahlzeiten werden jährlich in Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und anderen öffentlichen Einrichtungen ausgegeben. Hier braucht es eine verpflichtende, hohe Bio-Quote in der Beschaffung. So kommt die Politik ihrer Verantwortung nach und fördert gezielt die biologische Landwirtschaft.”

100 Prozent Biolandbau in Österreich möglich

Nicht nur, dass eine hundertprozentig ökologische Landwirtschaft zur Reduktion der Treibhausgasemissionen in Österreich beitragen würde, die Umstellung hätte auch beträchtlichen volkswirtschaftlichen Nutzen: Die Studie prognostiziert in einer konservativen Schätzung Einsparungen in der Höhe von fast einer halben Milliarde Euro pro Jahr, die derzeit für die Behebung von externen Kosten konventioneller landwirtschaftlicher Produktion nötig sind (wie z.B. zur Klärung des Wassers von Pestizid- und Nitrateinträgen). Das Szenario setzt dabei einen geringeren Fleischkonsum voraus, der sich an den Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung orientiert, sowie eine deutliche Steigerung der Effizienz der Lebensmittelnutzung durch die durchgängige Vermeidung des als vermeidbar klassifizierten Anteils der derzeitigen Lebensmittelabfälle.

„Die Studie von FiBL und BOKU zeigt deutlich, dass eine durchgängig nachhaltige, ökologisch verträgliche Landwirtschaft ein positives Zukunftsszenario für Österreich ist“, sagt Leonore Gewessler, Geschäftsführerin der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000. „100 Prozent Bio wäre eine Win-Win-Situation für österreichische LandwirtInnen, KonsumentInnen sowie die Umwelt und macht deutlich, dass Landwirtschaft und Umweltschutz keine Gegensätze sein müssen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die Politik die entsprechenden Maßnahmen setzt.“


Die Studie prognostiziert im angestrebten 100-Prozent-Bio-Landwirtschafts-Szenario auch eine verbesserte Biodiversitätssituation. Der Biolandbau setzt auf eine kleinstrukturierte Landwirtschaft, außerdem wird dadurch der Pestizideinsatz in Österreich massiv reduziert.

„Es ist höchst an der Zeit, dass sich Österreich nicht zuletzt angesichts von Insekten- und Vogelsterben auf seine historische Vorreiterrolle im Biolandbau besinnt, und die Ökologisierung der Landwirtschaft wieder zum zentralen politischen Ziel macht“, betont Gewessler. „Leider ist das Regierungsprogramm aber gerade in diesem Bereich mehr als enttäuschend. Es findet sich darin weder ein klares Bekenntnis zur Förderung der Biolandwirtschaft noch zur Reduktion des Pestizideinsatzes, weiters mangelt es an gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung“, erklärt Gewessler weiter. „Ein Flächenschutzplan zur Erhaltung fruchtbarer landwirtschaftlicher Böden steht ebenfalls nicht in Aussicht“, nimmt Gewessler zusätzlich auf die hohe Verbauungsrate Österreichs und unser Produktionspotential Bezug.

Gleichzeitig übernimmt die österreichische Präsidentschaft des Rats der Europäischen Union eine der großen Zukunftsaufgaben der EU - die anstehende Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP). „Ministerin Köstinger muss daher nicht nur in Österreich, sondern auch auf europäischer Ebene das dringend notwendige Umdenken einleiten. Öffentliche Gelder sollen für öffentliche Leistungen und hier vor allem für die naturverträgliche Landwirtschaft eingesetzt werden. Das bedeutet, LandwirtInnen wie KonsumentInnen in diesem Systemwechsel zu unterstützen und gemeinsam den Weg in Richtung zukunftsfähige und nachhaltige Landwirtschaft einzuschlagen“, so Gewessler abschließend.

Mutter Erde ist eine Initiative des ORF und der führenden Umwelt- und Naturschutzorganisationen Österreichs, darunter GLOBAL 2000. Nähere Infos unter www.muttererde.at

Hier geht’s zur Studie „100% Biolandbau in Österreich – Machbarkeit und Auswirkungen“


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /