© Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen -Parlamentarische Enquete: 'Mission 2030 - Die Klima- und Energiestrategie, am Rednerpult: Gunnar Luderer
© Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen -Parlamentarische Enquete: 'Mission 2030 - Die Klima- und Energiestrategie, am Rednerpult: Gunnar Luderer

Klimaforscher Luderer sieht große Chance im Klimaschutz

Plädoyer für ambitioniertere Maßnahmen anlässlich der Enquete zur Klimastrategie

"Der Klimawandel schreitet immer noch ungebremst voran". Diesen Befund machte Klimaforscher Gunnar Luderer, als er bei der Enquete des Nationalrats zur Klimastrategie der Regierung die Dimension des drohenden Klimawandels umriss. Die globalen und nationalen Zielsetzungen für eine Energiewende seien zu schwach, um die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen. Für Österreich sieht der Wissenschafter vom Potsdam-Institut für Klimaforschung große Chancen beim Klimaschutz. Nicht nur verfüge die Republik über hohe Potentiale der erneuerbaren Stromerzeugung, die Dekarbonisierung bringe auch kräftige Innovationsschübe und Wirtschaftswachstum mit sich.

Erderwärmung: Begrenzung nur durch stärkere Anstrengung

Wenn die globalen Treibhausgasemissionen weiter steigen, so die Prognose des Klimaforschers Luderer, sei bis zum Ende des Jahrhunderts eine um vier Grad wärmere Welt zu erwarten. Nicht nur polare Eisschilde und Gletscher würden dadurch schmelzen, Mitteleuropa sähe sich häufiger mit Hitzewellen und Überschwemmungen konfrontiert, wies er auf die damit verbundenen massiven wirtschaftlichen Schäden hin. "In der Wissenschaft besteht kein Zweifel mehr daran, dass der Mensch der Hauptverursacher des Klimawandels ist". Das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 für eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2°C bildet Luderer zufolge zwar einen "Meilenstein, um der Bedrohung des Klimawandels Herr zu werden". Zur nachhaltigen Senkung der klimaschädlichen CO2-Emissionen brauche es jedoch größere Anstrengungen auf globaler, europäischer und nationaler Ebene.

Österreichs Klimastrategie enthalte gute Ansätze für eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050, gehe aber ebenso wie die auf EU-Ebene geplante Reduktion der Treibhausgasemissionen noch nicht weit genug, meinte der Experte. Derzeit sieht das österreichische Ziel ein 36%-Minderung gegenüber 2005 vor, während für die gesamte EU ein Minderung von 40% gegenüber 1990 geplant ist. "Nutzen Sie die bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft, um die Ambition der EU-weiten Klimapolitik zu stärken", appellierte Luderer an das Plenum. Schon im Zeitraum bis 2030 müsse die Emissionsreduktion deutlich gestärkt werden, um langfristig auf Null zu sinken.

Erneuerbare Energien: Wind- und Solarstrom forcieren

Hinsichtlich des Einsatzes erneuerbarer anstatt CO2-emittierender fossiler Energieträger würdigte Klimaexperte Luderer Österreichs lange Tradition der Wasserkraftnutzung. Dadurch sei das Land mit über 70% erneuerbarem Anteil EU-weit führend. Dennoch plädiert er dafür, zur Deckung der steigenden Gesamtstromnachfrage mehr im Bereich Erneuerbarer Energie zu tun. Immerhin kämen derzeit noch 80% der energiebedingten Emissionen von fossilen Energieträgern, etwa im Verkehr, der Gebäudebeheizung oder in der Industrie. "Um das in der Klima- und Energiestrategie richtigerweise verankerte Ziel zu erreichen, bis zum Jahr 2030 die Stromnachfrage vollständig erneuerbar zu machen, müssen Wind- und Solarenergie deutlich schneller ausgebaut werden als bisher". Als wichtige Ergänzung für diese variabel verfügbaren Energieformen würden wiederum Wasserkraftwerke als gesicherte Stromerzeuger dienen.

Besonders im Verkehrssektor sieht Luderer großen Nachholbedarf, da es hier bislang so gut wie keine Emissionsminderungen gegeben habe. "Die Verkehrswende kann nur durch eine Kombination von verändertem Nutzerverhalten, erhöhter Kraftstoffeffizienz und konsequenter Förderung von Elektromobilität gelingen". Der Fracht- und Flugverkehr sei ebenfalls miteinzubeziehen, wenn das langfristige Dekarbonisierungsziel erreicht werden soll. Konkret für den LKW- Verkehr schlug er neben einer Verlagerung auf die Schiene auch die Elektrisierung durch Oberleitungen auf bedeutenden Frachtkorridoren vor. Damit gingen nicht nur die CO2-Emissionen zurück, auch Luftverschmutzung und Lärmbelastung würden reduziert.

Energieeffizienz im Gebäudebereich als Standard

Als wichtiges Handlungsfeld in puncto Energieeffizienz nannte Luderer den Wärmesektor, für den er hohe Effizienzstandards bei Neubauten und energetische Sanierungsmaßnahmen im Altbaubestand empfiehlt. In Bezug auf das Effizienzziel in der Klima- und Energiestrategie gab er zu bedenken, in fast allen Bereichen sei zur Sicherstellung der Funktionalität nur ein Bruchteil der eingesetzten Energie nötig. Zudem zeichne sich der sparsame Umgang mit Energie durch großen gesellschaftlichen Nutzen aus.

Lenkungswirkung durch CO2-Bepreisung

Soziale und wirtschaftliche Aspekte der Energiewende sprach der Wissenschafter auch in Hinblick auf die Politikinstrumente zum Klimaschutz an. So habe "die Einführung eines CO2-Preises eine herausragende Bedeutung, um Anreize zur Abkehr von fossilen Energien zu schaffen". Das dafür geschaffene EU-Emissionshandelssystem kranke allerdings an der Überversorgung mit Zertifikaten, hielt Luderer fest, weswegen er die Bemühungen von Umweltministerin Elisabeth Köstinger und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüßte, einen Mindestpreis im europäischen Emissionshandel einzuführen. Darüber hinaus warb Luderer für CO2-basierte Energiesteuern, mit denen eine Lenkungswirkung einhergehe und die zusätzliche staatliche Einnahmen brächten. Im Gegenzug könnten im Sinne einer sozialverträglichen Ausgestaltung der Energiewende Lohnnebenkosten gesenkt werden.

In der Technologieentwicklung zur Beschleunigung der Energiewende macht Luderer einen gesamtwirtschaftlichen Vorteil aus, zumal Innovationen bei der erneuerbare Stromerzeugung die Importabhängigkeit von Kohle, Öl und Gas beseitigen. Außerdem würden Innovationen auch Investitionsschübe und damit die wirtschaftliche Dynamik befeuern.

Quelle: Pressedienst der Parlamentsdirektion / Parlamentskorrespondenz


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /