© Greenpeace/ AKW Paks
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Bundesregierung: Klage gegen Ausbau von Atomkraftwerk Paks

Österreich wird Klage gegen den beihilferechtlichen Beschluss der Europäischen Kommission betreffend Ausbau von Paks II beim Europäischen Gerichtshof einreichen.

© Grüne Wien/ Wolfgang Spitzmüller, Werner Kogler und Rüdiger Maresch protestieren gegen den Ausbau von Paks vor dem Bundeskanzleramt
© Grüne Wien/ Wolfgang Spitzmüller, Werner Kogler und Rüdiger Maresch protestieren gegen den Ausbau von Paks vor dem Bundeskanzleramt
© Global 2000/ Die Umwelt-NGOs Greenpeace und Global 2000 zeigten auf, warum die Klage unbedingt notwendig ist
© Global 2000/ Die Umwelt-NGOs Greenpeace und Global 2000 zeigten auf, warum die Klage unbedingt notwendig ist

"Es ist ein falsches Signal, wenn die Europäische Kommission in der Energiepolitik Subventionen für den Bau von Atomkraftwerken als unbedenklich einstuft", so Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger.

Laut Bundesministerin Köstinger sind ausreichend Klagsgründe für die Nichtigkeitsklage gegen den Ausbau des ungarischen Atomkraftwerks Paks vorhanden. "Wir haben diese Klage in den letzten Wochen sehr sorgfältig geprüft und sind zur Auffassung gekommen, dass ausreichende Klagsgründe vorliegen. Atomkraft ist keine nachhaltige Form der Energieerzeugung und auch keine Antwort auf den Klimawandel“, erklärt Köstinger.

Bei der geplanten Klage wird hinterfragt, ob "die Förderung dem gemeinsamen Interesse dient". Nur dann wäre die Förderung von Atomenergie zulässig. Nachdem eine Vielzahl von Mitgliedsstaaten der EU beschlossen hat, keine Atomenergie zu produzieren oder aus der Produktion von Atomenergie auszusteigen, ist fraglich, ob die Förderung des Baus von Atomreaktoren im gemeinsamen Interesse liegen kann. Außerdem bezweifelt die Regierung ein von der EU-Kommission angenommenes Marktversagen. Die Regierung geht davon aus, dass Ungarn den Energiebedarf auch aus anderen Quellen decken kann. Als "problematisch" angesehen wird außerdem, dass es kein formelles Vergabeverfahren gegeben hat.

Gegenwärtig plant die ungarische Regierung die Verdopplung der Leistung im AKW Paks durch den Neubau zweier Reaktoren. Finanziert soll der Ausbau durch einen russischen Kredit in der Höhe von zehn Milliarden Euro an Ungarn.

Sämtliche Bedenken der Nachbarländer zur extremen thermischen Belastung des Ökosystems der Donau wurden im Rahmen des UVP-Verfahrens nicht beachtet, genauso wie begründete Bedenken zur Auswirkungen der Anlage in kritischen Situationen.

Klage gegen AKW Paks wird von vielen Seiten begrüßt

Die Energiesprecherin der Liste Pilz, Martha Bißmann, freut sich über die Ankündigung. Die Risiken von jedem weiteren grenznahen Atomkraftwerk sind enorm. Der stark subventionierte Atomstrom würde außerdem wegen Marktverzerrung jede Ambition in Richtung Energiewende zunichte machen. Nicht zuletzt darf die Einflussnahme Russlands zur weiteren Destabilisierung der EU durch den 10 Milliarden Euro Kredit nicht unterschätzt werden.

Bißmann hat bereits am 20. Dezember 2017 einen Entschließungsantrag gegen die staatliche Beihilfe von Ungarn für das Atomkraftwerk Paks II eingebracht. Dieser Antrag wurde damals, noch von der schwarz/türkis-blauen Regierung, abgelehnt.

Michel Reimon, Co-Delegationsleiter und Mitglied des Industrieausschusses, sagt:
“Es wäre falsch, wenn die gesamte Atomindustrie von europäischen Wettbewerbsregeln de facto ausgenommen wird. Wenn die Finanzierung von Paks II akzeptiert wird, müssen die europäischen Steuerzahler*innen wohl auch jedes weitere AKW mit Steuergeld durchfüttern. Das gilt es zu verhindern. Die Klage gegen das Putin-Orban-Projekt ist daher längst überfällig."

Erfreut äußerst sich auch Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima: "Wir müssen alles daran setzen, den Ausbau des Risikoreaktors unweit unserer Haustüre zu verhindern und daher ist der rechtliche Schritt der Bundesregierung wichtig", so Sima. Bis 25. Februar läuft die Frist zur Einreichung dieser Nichtigkeitsbeschwerde. Neben massiven Sicherheitsbedenken ist das Projekt auch ökonomischer Wahnsinn, marktwirtschaftlich rechnet es sich nicht. "Es ist ein Skandal, dass die Steinzeittechnologie Atomkraft mit staatlichen Geldern künstlich am Leben erhalten wird", so Sima. Das einzige Kernkraftwerk Ungarns steht in Paks an der Donau, etwa 250km von Wien entfernt, am Standort stehen gegenwärtig vier Reaktoren aus der Sowjet-Zeit. Die Teile des Kraftwerks gingen zwischen 1982 und 1987 in Betrieb und waren für eine Laufzeit von 30 Jahren ausgelegt. Nun sollen die Reaktoren - nach einer Leistungserhöhung - nun noch zumindest bis in die 2030er Jahre (also für 50 Jahre) betrieben werden. In Paks werden zurzeit etwa 40 Prozent des ungarischen Stroms produziert. Die ungarische Regierung hat ein Finanzierungsmodell entworfen, das sich zwar von jenem für Hinkley Point C wesentlich unterscheidet, aber letztlich ebenfalls auf eine Finanzierung durch den Staat hinausläuft. Ungarn hat den Auftrag - über vorerst 11 Milliarden Euro - ohne Ausschreibung an den staatlichen russischen KKW-Errichter RosAtom vergeben, gleichzeitig stellt Russland die Finanzierung des Projekts mittels quasistaatlicher Kredite zur Verfügung. Eine wettbewerbsverzerrende Auswirkung auf den Strommarkt in Mitteleuropa und somit auf Österreichische Stromerzeuger, Stromhändler und letztliche die österreichischen Stromkunden kann erwartet werden.
„Das lässt die Alarmglocken schrillen, bedeutet jedoch jeder zusätzliche Atomreaktor eine weitere Gefahr eines Fukushima oder Tschernobyl vor Österreichs Haustüre“, so der Bundessprecher der Grünen, Werner Kogler, und der Umweltsprecher der Wiener Grünen, Rüdiger Maresch, bei einer heutigen Aktion der Grünen gegen das AKW vor dem Bundeskanzleramt. Atomstrom ist ein Sicherheitsrisiko. Zudem wird dadurch der hochsubventionierte und dadurch billige Atomstrom auch bei uns verstärkt auf den Markt drängen und unsere ökologische Energie aus Wind, Sonne und Wasserkraft verdrängen – der Wettbewerb wird zugunsten einer gefährlichen, veralteten Technologie verzerrt. „Mit russischem Geld wird in Ungarn ein uraltes AKW aufgerüstet. Wir Grünen wollen den Ausstieg aus der Nukleartechnologie, das ist jetzt ein Wiedereinstieg. Paks gefährdet unsere Energiewende“, so Kogler und Maresch.

„Zukunftsfähig, sicher und ökologisch ist nur erneuerbare Energie, Atomkraft kann keine der Kriterien erfüllen“, ergänzt Landtagsabgeordneter Wolfgang Spitzmüller von den Grünen Burgenland.

Begrüßt wird die geplante Klage auch von der SPÖ und der FPÖ.
GLOBAL 2000, Greenpeace sowie der Vizevorsitzende des Umweltausschusses im Europaparlament stellten außerdem bei einer Pressekonferenz in Wien die Gründe vor, warum die Klage der Republik Österreich notwendig ist und welche Auswirkungen der Erfolg dieses Rechtsschrittes hätte, den nur Mitgliedsstaaten und nicht die Zivilgesellschaft setzen kann.

„Die Genehmigung der Beihilfe durch die Europäischen Kommission ist EU-rechtswidrig“, so Benedek Jávor, Vizevorsitzender des Umweltausschusses im Europaparlament. „Der Energie-Binnenmarkt kann nicht funktionieren, wenn ein gesamter Sektor – die Atomindustrie – von seinen Regeln ausgenommen wird. Die Klage betrifft einen Präzedenzfall. Atomkraft ist nicht wettbewerbsfähig, und falls das AKW Paks II gebaut wird, wird es zu schweren Marktverzerrungen kommen.“

Es gibt gleich mehrere rechtliche Ansatzpunkte, warum der Bauvertrag und seine Vergabe eindeutig rechtswidrig sind.

„Beihilfenrechtlich ist fraglich, ob die von Ungarn angenommenen hohen Strompreise sich in der Zukunft tatsächlich realisieren lassen oder ob laufende Betriebsbeihilfen notwendig würden. Vergaberechtlich ist die Vergabe des 12,5-Milliarden-Euro-Projekts ohne Ausschreibung an den russischen Reaktorbauer ROSATOM fraglich, auch die Argumentation der Kommission der ‚technischen Exklusivität‘ – nur ROSATOM können hier einen Reaktor bauen – ist schwach und rechtlich kaum haltbar“, so Dr. Reinhard Uhrig, Anti-Atom-Sprecher von GLOBAL 2000. „Aber insbesondere die europarechtliche Begründung der Zulässigkeit ist katastrophal falsch und von großer Tragweite: die Kommission prüfte den Subventions-Fall Paks II nach dem Wettbewerbsrecht der EU unter dem EU-Vertrag von Lissabon – und entschied die Förderwürdigkeit von Atomkraft auf Basis des separaten EURATOM-Vertrags, der nicht Teil des EU-Vertrags ist.“

Die Umweltschützer warnen, dass im Falle der Zulässigkeit dieser Argumentation jedes Atom-Neubauprojekt vom tschechischen Dukovany 5 bis zum slowakischen Bohunice 5, bulgarischen Belene oder der rumänischen Cernovoda-Erweiterung förderwürdig durch die SteuerzahlerInnen wäre.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /