© Kulmer / Fassadenansicht mit eingebauter Photovoltaik
© Kulmer / Fassadenansicht mit eingebauter Photovoltaik

Multifunktionale Fassade: Sanierung ohne Auszug

Gebäude sanieren ohne Gerüst, ohne Lärm, und zu günstigen Kosten – das soll eine neue Vorhangfassade ermöglichen.

Die Bewohner können sogar während der Arbeiten in ihren Wohnungen bleiben, denn es müssen keine Wände aufgestemmt werden. Den Prototypen hat das österreichische Bauunternehmen Kulmer Holz-Leimbau in Kooperation mit dem österreichischen Institut AEE INTEC entwickelt.

Das Fassadenelement beinhaltet eine Wasser/Luft-Wärmepumpe, Ver- und Entsorgestränge, ein Fenster mit Zuluft-Funktion, voll integrierte Photovoltaik und kann von außen auf die bestehende Fassade montiert werden. Die Partner erhielten für die Entwicklung des Fassadenelementes den Kooperationspreis 2017 der Austrian Cooperative Research (ACR).

Der Bau der Multifunktionsfassade war Teil des dreijährigen Forschungsprojektes „Vorgefertigte Fassadenelemente mit maximal integrierten HVAC-Komponenten und –systemen zur Bestandssanierung“. Christian Fink, Projekt- und Bereichsleiter bei AEE INTEC, sagt: „Zu Beginn haben wir über 20 mögliche Haustechnikkonzepte untersucht, um zu sehen, ob sie sich für den Einbau in ein Fassadenelement eignen.“

Die drei für das Konsortium vielversprechendsten Systemkonzepte – alle in Verbindung mit fassadenintegrierter Photovoltaik – simulierten die Projektpartner in Verbindung mit einem Mehrfamilienhaus mit zwölf Wohnungen in der dynamischen Simulationsumgebung TRNSYS. Das erste Konzept basierte auf einer solarbetriebenen, zentralen Wärmepumpe. Das zweite Konzept beinhaltete eine solarbetriebene dezentrale Kleinstwärmepumpe. Die dritte Variante war eine Stromheizung über Infrarot-Heizelemente. Die Wärmepumpensysteme sparten am meisten Primärenergie ein. Zum Schluss überzeugten die geringen Wärmeverteilverluste und die größtmögliche Nutzerflexibilität der Variante mit dezentraler, wohnungsbezogener Wärmepumpe.

Das fertige Fassadenelement ist rund 2,8 m hoch und 10 m breit und kann auf bis zu 3 x 13,6 m vergrößert werden. Besonders herausfordernd war es, die Mikrowärmepumpe mit sämtlichen Versorgungssträngen vollständig in das Fassadenelement zu integrieren und für Wartungszwecke zugänglich zu machen. Das Gerätevolumen musste erheblich reduziert werden. Die 3-kW-Mikrowärmepumpe hat jetzt die Größe eines Standrechners und kann bei geöffnetem Fenster über ein Rollensystem einfach gewartet und repariert werden.

Für die Integration des PV-Moduls in die vorgefertigte Fassade wurde ein System entwickelt, das die gleiche Einbautechnik wie für die Fassadenplatten ermöglicht. Dadurch erreicht Kulmer Holz-Leimbau ein besonders ästhetisches Erscheinungsbild bei gleichzeitig einfacher Konstruktion und Logistik.

„Wir wollten ein Fassadenprodukt in Holzbau entwickeln, das einen deutlichen Mehrwert gegenüber der klassischen Sanierung mit EPS- und XPS-Elementen bietet“, sagt Projektleiter Christian Liebminger bei Kulmer Holz-Leimbau. Das Familienunternehmen evaluierte dabei auch intensiv die Kosten. Fertig montierte, marktübliche Holzvorhangfassaden kosten rund 260 EUR/m2 und sind damit deutlich teurer als Wärmedämmverbundsysteme. Die

Projektpartner hatten die Idee, die Ausgleichsschicht zur Anpassung an bestehende Fassaden als konstruktives Element zu behandeln. Dadurch konnte die Anzahl der Schichten von sieben auf fünf reduziert werden. So sanken nicht nur die Herstellkosten, das Fertigbauteil ist dadurch auch leichter und günstiger zu transportieren. Diese Maßnahmen könnten die Kosten einer fertig installierten Fassade um rund 30 % senken.

„Mit unserer einfachen und kostengünstigen Lösung wollen wir dazu beitragen, die Sanierungsrate zu steigern“, erklärt Liebminger. Diese liegt laut aktuellem, österreichischen Klimaschutzbericht bei nur 0,6 % (2004 bis 2014). Um die österreichischen Klimaschutzziele zu erreichen, wäre in den nächsten Jahren aber eine Sanierungsrate von über 3% erforderlich.

„Hier muss allerdings noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Wir wollen der Wohnungswirtschaft die Vorteile einer ganzheitlichen Gebäudesanierung vermitteln“, schränken die Projektleiter von AEE INTEC und Kulmer Holz-Leimbau ein. Mehrere Demonstrationsprojekte sind dafür bereits in Arbeit.

Autorin: Bärbel Epp, solrico


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /