© oekonews/M.Sigmund- Gasstation und Windkraft
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Schiefergas: Gewinner - Verlierer - Was bringts der Region?

Interessante Diskussionsveranstaltung in Prottes- Schiefergas für die Mehrheit keine Option

© oekonews/M.Sigmund- oekonews-Chefredakteurin Doris Holler-Bruckner
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© oekonews/M.Sigmund- Jurrien Westerhof- Energiesprecher von Greenpeace
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© oekonews/M.Sigmund- "Gas-Reporter" Martin Leidenfrost
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© oekonews/M.Sigmund- oekonews- Dr. Reinhold Christian
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© oekonews/M.Sigmund- oekonews- Dr.Dr. Josef Baum
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© oekonews/M.Sigmund- oekonews- Amrita Enzinger, Landtagsabgeordnete der Grünen
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© oekonews/M.Sigmund- Zahlreiche Fragen gab es auch aus dem Publikum
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Das Weinviertel ist bekannt für seinen Weinbau und die Agrarindustrie. Der Osten Österreichs ist aber bereits seit langem auch Erdöl- und Erdgas-Fördergebiet der OMV. Die leicht erschließbaren Vorräte gehen jedoch langsam aber sicher zur Neige. Die Förderung des in den Schiefergesteinen noch vorkommenden Erdgases gestaltet sich wesentlich schwieriger und aufwendiger. Die hierfür angewendete Technik nennt sich Hydraulic Fracturing – kurz Fracking. Dabei wird zuerst horizontal und dann vertikal gebohrt. Anschließend kommen Geschosse zum Einsatz, ähnlich wie "Mini-Panzerfäuste". Um die Rissbildung im Gestein zu verstärken, wird danach mit hohem Druck eine Flüssigkeit ("Fracfluid") eingepresst. Ziel ist es, die Gas- und Flüssigkeitsdurchlässigkeit in der Gesteinsschicht so zu erhöhen, dass ein Abbau des Erdgases ermöglicht wird.

Schiefergas-Fracking ist eine Technik, die absolut umstritten ist und zu der es in manchen Ländern, wie beispielsweise Frankreich und Bulgarien, bereits Parlamentsbeschlüsse zum Verbot von Schiefergas-Förderung gibt.

Schiefergas-Gegner meinen, die Förderung von Schiefergas sei viel zu teuer, damit würde der Umstieg auf erneuerbare Energien nur hinausgezögert werden und es könnte vehemente Folgen für die Umwelt und für die Gesundheit der Menschen in der Nähe der Bohrungen haben. Die Befürworter halten entgegen, dass damit vielleicht die Abhängigkeit von Erdgas aus dem Ausland verringert werden könnte.

oekonews.at Chefredakteurin Doris Holler-Bruckner moderierte in Prottes in Niederösterreich eine angeregte Diskussionsveranstaltung zum Thema, bei der nicht nur Schiefergasförderung, sondern gleichzeitig andere Möglichkeiten für eine positive Entwicklung in der Region östlich von Wien im Mittelpunkt standen.

Im Vorfeld gab es die Möglichkeit, sich über erneuerbare Energien, z.B. Solarthermie und Photovoltaik, zu informieren. Um eine Entwicklung im Verkehrsbereich aufzuzeigen, war Otto Rötzer von der Weinviertler Energie mit seinem Elektroauto angereist, Elektromobilität war damit ebenfalls ein Thema.

DI Jurrien Westerhof, Energiesprecher von Greenpeace Österreich:

"Die OMV behauptet, Schiefergas im Weinviertel nun ohne chemische Mittel, vollkommen anders als dies bisher erfolgt ist, fördern zu können. Nur Quarzsand, Wasser, Mais und Stärke soll eingesetzt werden. Das Problem dabei: Nur wenige Prozent des vorhandenen Schiefergas könnten so gefördert werden. Ich glaube kaum, dass die OMV sich in der Realität damit zufrieden geben würde."
Mit den 130 Millionen Euro, welche allein die Probebohrungen und die Studien kosten, könnten alle in Häuser in den betroffenen Gemeinden auf Niedrig-Energiestandard gebracht und mit Photovoltaik-Anlagen ausgerüstet werden. Die Gemeinden würden damit zu nachhaltigen Energie-Exporteuren zu werden."
"Greenpeace hat gemeinsam mit vida und EVN die Studie ‘Österreichs Energiezukunft ist erneuerbar’ beauftragt, die zeigt, dass die Energiewende innerhalb einer Generation möglich. Dazu braucht es aber einen kontinuierlichen Ausbau erneuerbarer Energieträger – und das sofort. Das Potenzial ist in Österreich mehr als ausreichend vorhanden, es ist nicht notwendig, auf Schiefergas zu setzen."

Martin Leidenfrost, Schriftsteller und "Gas-Reporter" der für den Dokumentarfilm "Gasmonopoly" ein Jahr im internationalen Gasgeschäft verbracht hat und damit über die Hintergründe dazu Bescheid weiß:

"Es gibt einen großen Unterschied zwischen konventioneller Gasförderung und Schiefergasförderung mittels Fracking."
Fracking muss immer und immer wieder an neuen Stellen angewendet werden.
Beispielsweise gibt es in den USA bereits 400.000 Fracking-Stellen."

Zum Gasgeschäft: "Es gibt keine Diktaturen weltweit, die durch Öl- und Gasexporte demokratischer geworden wären, meist ist das absolute Gegenteil der Fall. Und falls jetzt der Einwand 'Norwegen' kommen sollte: Norwegen war schon VOR der Öl- und Gasförderung Demokratie."

Er erzählt auch die Meinung eines Gasmanagers zum Thema Schiefergasfracking: "Damit verwandelt ihr das Weinviertel in eine Mondkraterlandschaft, das wollt ihr wirklich?"

Prof. Dr. Reinhold Christian, Geschäftsführer von Umwelt Management Austria und Präsident des Forum Wissenschaft & Umweltschutz:

"Wir haben eine Studie erstellt, in welcher klar herauskommt, dass wir bis 2050 in Österreich energieautonom sein können. Der Weg zur Autarkie erfordert jedoch flächendeckende kontinuierliche und wirkungsvolle Arbeit, dann geht es natürlich auch schneller."

"Abschließend möchte ich sagen, wir müssen alle in persönlichen Bereichen Energie sparen. Die ökologischste kWh ist die eingesparte kWh. Dieses gibt es in allen Bereichen, dann kann erneuerbare Energie den Rest rascher decken."

Dr.Dr. Josef Baum, Ökonom & Geograph, der sich bereits vor Jahren mit nachhaltiger Regionalentwicklung für Niederösterreich beschäftigt hat, und dessen wissenschaftliche Tätigkeit zu Ökologie- und Nachhaltigkeitsthemen in der Zwischenz

"Ich lehne Schiefergasförderung mittels Fracking aus ökonomischen Gründen und wegen dem schlechten Verhältnis von Energie-Output zu Energie-Input ab. Beispielsweise ist bei Windkraft der Energie-Output im Vergleich zum Energie-Input um mindestens den Faktor 10 höher."

Amrita Enzinger MSc, Landtagsabgeordnete der Grünen in Niederösterreich:

"Die OMV geht derzeit auf keine Veranstaltung. Sie wollen erst mal die Studien abwarten. Das Weinviertel ist eine wichtige Weinanbau-Region. Der sanfte Tourismus beginnt gerade anzulaufen. Wenn die OMV hier extrem viele Bohrungen, beispielsweise im Bezirk Mistelbach macht – mit all den nötigen Sicherheitsabständen rund um die Bohrlöcher – dann weiß ich absolut nicht, ob das optimal für den Weinanbau und die Entwicklung des sanften Tourismus ist."

Aus dem Publikum gab es zahlreiche Fragen zu den Themen erneuerbare Energien: Photovoltaik, Elektromobilität, Energiespeicherungsmöglichkeiten, sanfte Regionalentwicklung und mehr.

Schade fand man, dass kein Vertreter der OMV am Podium war. Zu hören ist nur von einem Teilnehmer der Diskussion, dass die OMV folgende Stellungnahme dazu abgegeben hat: man nehme die Sorgen und die Verunsicherung der Bevölkerung im Hinblick auf eine Evaluierung des Schiefergaspotentials in Österreich ernst und wolle "bis auf weiteres keinen Projektantrag" machen. Wann es einen neuen Anlauf dazu geben soll, will man jedoch nicht sagen. Könnte sein, dass man damit bis nach den niederösterreichischen Landtagswahlen 2013 warten möchte? Das offizielle Statement der niederösterreichischen Landespolitik lautet, dass erneuerbare Energien absoluten Vorrang haben würden.

Für Greenpeace, Global 2000, den Umweltdachverband und andere NGOs ist das viel zu wenig- eine Lösung wäre ein Parlamentsbeschluss gegen Schiefergasfracking, ähnlich wie in anderen Ländern.

Ein starkes Argument gegen Schiefergasförderung in Österreich istauch, wie Werner Zittel vom Ludwig-Bölkow-Institut vor kurzem im Rahmen einer Tagung in Wien darstellte, dass sie ‘im allergünstigsten Fall für einige Jahre etwa zehn Prozent’ zur Erdgasversorgung Österreichs beitragen könnte.
Die Diskussion darüber scheint zwar derzeit ein wenig hinaus geschoben zu sein, aber vom Tisch ist sie wahrscheinlich nicht.



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GastautorIn: Michael Sigmund & Doris Holler-Bruckner für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / sigmund /