© Photo: Rettet-die-Lobau, Hertenberger
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Lobauautobahn: Stummel-Autobahnen

Die ASFINAG plant drei teure Autobahn-Zipfel, die im Niemandsland enden und deren Verlängerung fraglich ist

In einer Pressekonferenz am 12. Oktober 2011 ließ die ASFINAG die Katze aus dem Sack: Zwischen 2014 und 2017 sollen im Nordosten Wiens drei merkwürdige Autobahn-Sackgassen errichtet werden, die verkehrstechnisch (ohne jeweilige Fortsetzung) keinen Sinn ergeben. Ihre Verlängerungen sind allerdings aufgrund budgetärer und naturschutzrechtlicher Hindernisse höchst unsicher, sodass Wien am Ende des Tages mit drei Stummel-Autobahnen dastehen könnte.

Für jene Leser, denen die Details bisher entgangen sind, hier nochmals kurz eine Zusammenfassung:

1) Autobahnzipfel zur Stadtmauer von Großenzersdorf

Das erste der drei Projekte ist eine Autobahn (= Schnellstraße mit Autobahnquerschnitt) von Süßenbrunn nach Großenzersdorf, die im Zwischenraum zwischen Essling und Großenzersdorf unvermittelt endet. Geplante Bauzeit ist 2014 bis 2016. Nun quillt aus den genannten Orten nicht gerade eine Bevölkerungsexplosion hervor, Süßenbrunn beispielsweise war bisher nur durch eine einzige, selten verkehrende Autobuslinie und eine abseits gelegene Schnellbahn-Haltestelle mit dem inneren Stadtraum verbunden. Großenzersdorf wiederum mit seinen 9533 Einwohnern (Stand: 1.1.2011) wird auch nicht wirklich eine Autobahn mit Verkehr füllen können, zumal diese nicht Richtung Stadt führt, sondern ins abgelegene Süßenbrunn.

Mindestens neun Jahre lang soll dieser eigenartige Autobahnzipfel als Dauerprovisorium existieren, bis frühestens 2025 nach Plänen der ASFINAG das gigantische Projekt des Donau-Lobau-Tunnels fertig gebaut sein könnte. Wobei Projekte dieser Größenordnung fast immer unkontrollierbaren Kostensteigerungen und jahrelangen Verzögerungen unterworfen sind.

Natürlich geht es den Verkehrsplanern nicht darum, dass die Süßenbrunner ihre Freunde in Großenzersdorf schneller besuchen können. Dafür hätte eine kleine Stadtstraße gereicht. Vielmehr soll hier laut EU-Konzept die internationale LKW-Transitverkehrsachse TEN Nr. 25 verlaufen, die von Danzig (mit Zulauf vom Baltikum) nach Wien führen soll, mit Fortsetzungen Richtung Mittelmeerraum.

Ob aber in einer Zeit, wo Europas Staaten (inklusive Österreich) unter ihrer kaum mehr finanzierbaren Schulden- und Zinsenlast ächzen, ein milliardenteurer Donau-Lobau-Tunnel leistbar sein wird, zusätzlich zu den ebenfalls kaum finanzierbaren Riesenprojekten Koralmtunnel und Brennerbasistunnel, wird sich zeigen. Bürgermeister Häupl soll in einem internen Gespräch mit einem mir bekannten Experten gesagt haben, der Donau-Lobau-Tunnel werde eh nie gebaut werden. Was dann aber übrig bleibt, ist eine sinnlose Stummelautobahn.

Warum, fragt man sich, will die ASFINAG die Autobahnzufahrt nach Großenzersdorf schon ab 2014 bauen, und nicht ab 2023, also kurz vor der frühestmöglichen Fertigstellung des Riesentunnels unter der Donau? Der Grund ist wohl, obwohl dies nicht offen gesagt wird, dass ungeheure Abraum-Schuttmassen des Tunnelbaues teilweise über diese ‘Großenzersdorfer Autobahn’ abtransportiert werden sollen. Wenn diese Autobahn erst später errichtet würde, müsste man die endlosen Schutt-LKW-Kolonnen quer durch Essling und Aspern führen. Im Grunde dient der Großenzersdorfer Autobahn-Zipfel also primär dem Tunnelbau – sofern dieser jemals beginnt.

2) Autobahn-Stummel nach Obersiebenbrunn

Die zweite Autobahnsackgasse soll von Süßenbrunn ins dünn besiedelte Marchfeld führen und relativ unerwartet beim Dorf Obersiebenbrunn enden. Mit 1690 Einwohnern (Stand 1.1.2011) ist dieser Ort noch wesentlich kleiner als Großenzersdorf, also nicht unbedingt ein verkehrspolitisch sinnvolles Ziel für eine Autobahn.

Der Bau dieser Strecke soll ebenfalls 2014 bis 2016 erfolgen. Eine Fortsetzung ‘Richtung Marchegg’, eventuell mit Bundesstraßenquerschnitt, würde laut ASFINAG irgendwann ‘nach 2017’ stattfinden. Mit dem ‘Abschnitt West’ werden Fakten geschaffen, ohne dass geklärt ist, wie sich die ASFINAG die Autobahnquerung des Naturschutzgebiets Marchauen vorstellt. Ein Tunnel unter der March wäre extrem teuer, eine Autobahn auf Stelzen quer durch die international bekannten Auen-Landschaften wäre eine Bankrotterklärung für Österreichs Naturschutzpolitik. Und eine ‘Autobahn’, die in Marchegg (2944 Einwohner) endet, wäre wohl verkehrspolitisch auch eine recht originelle Idee.

Eine Autobahn nach Obersiebenbrunn, ohne vorher zu klären, ob, wie und warum man weiterbauen will und darf, ist eine Verschwendung von Steuergeld und verschlingt Finanzmittel, die viel eher für kleinräumige Umfahrungen entlang der B8 (nach Gänserndorf, Angern) gebraucht würden.

3) Autobahn-Zipfel zur Seestadt Aspern

Ursprünglich plante die ASFINAG eine zusätzliche Autobahntrasse (‘Verlängerung A23’, ursprünglich B3d) vom Gewerbepark Stadlau über die Seestadt Aspern bis zum Knoten Raasdorf an der Lobauautobahn. Dabei sollte der Ortskern von Hirschstetten in einem Tunnel unterquert werden. Die Kosten für die Strecke im Bereich Hirschstetten explodierten, und es wurde im Mai 2011 in Abstimmung mit der rot-grünen Stadtregierung Wiens entschieden, dass in diesem Bereich nur eine ‘Stadtstraße’, also eine Zufahrtsstraße zur Seestadt in moderater Größe, gebaut werden soll.

Die ASFINAG hält jedoch am Bau des östlichen Teils dieser Autobahn fest. Die ‘Spange Flugfeld Aspern’ mit dem Autobahn-Ausbauende ‘Am Heidjöchl’ (siehe ASFINAG-Webseite) soll von 2015 bis 2017 errichtet werden. Zu diesem Zeitpunkt werden wohl schon einige Leute in der Seestadt Aspern wohnen. Warum sie jedoch eine Autobahnverbindung zu den drei Orten Großenzersdorf, Obersiebenbrunn und Süßenbrunn benötigen, ist nicht ganz klar.

Dass ein Flugfeld-Bewohner in einem großen Ringerl von der Seestadt über Raasdorf und Süßenbrunn fährt, wenn er zur Südosttangente will, ist unwahrscheinlich. Bleibt nur die Möglichkeit, dass dieser Flugfeld-Bewohner per Autobahn nach Korneuburg oder Schrick fahren möchte. Diese Verkehrsströme werden sich jedoch auch 2017 mutmaßlich in Grenzen halten.

Derzeit herrscht am Flugfeld Aspern noch gähnende Leere. Nur der Rohbau der U2-Trasse steht verloren in der Landschaft, und es ist unklar, warum die U-Bahn dort schon im Herbst 2013 in Vollbetrieb gehen soll, obwohl die ersten Mieter der Seestadt erst im Sommer 2014 einziehen.

Nicht lustig

Man könnte über die drei geplanten Stummel-Autobahnen schmunzeln, weil sie verkehrspolitisch absurd und in ihrer Konzeption äußerst seltsam sind. Mit ihrem Bau ist jedoch eine enorme Veränderung und Zerstörung der gewachsenen Landschaftsstruktur verbunden. Und in Zeiten der Finanz- und Schuldenkrise stellt sich die Frage, wer an dem Bau solch teurer Hochleistungsstraßen eigentlich ein Interesse hat?



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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /